Mit pharmazeutischen Dienstleistungen Geld verdienen

Was Sie als Apothekenleiter beachten sollten, um mit den honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen positive Deckungsbeiträge zu erwirtschaften, fasst dieser Artikel zusammen. Zudem bewertet er deren Potenzial für die Zukunft.

Eine professionelle Beratung bei Polymedikation wird mit 90 € (Netto-)Honorar vergütet
(© ABDA)

Nach fast drei Jahrzehnten Diskussion wurden nun honorierte pharmazeutische Dienstleistungen im Sommer 2022 endlich eingeführt. Zunächst wurden 150 Mio. € jährlich dafür bereitgestellt – pro Apotheke gut 8.000 €. Doch halten die neuen Dienstleistungen einer nüchternen kaufmännischen Bewertung stand? Oder sind sie doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein und eine symbolische Geste?

Vollkostenkalkulation für die eingesetzte Arbeitszeit

Wer Dienstleistungen erbringt, verkauft damit Arbeitszeit. Entscheidend ist insofern die Kalkulation von angemessenen Stunden- bzw. Minutensätzen. Tabelle 1 fasst die Werte für die üblichen Gehälter von Apothekenangestellten zusammen.

Tab.1. Herleitung der Stundensätze und Minutenpreise

Zu unterscheiden sind zum einen der Selbstkostenpreis, also die reinen Personalkosten (einschließlich Nebenkosten), umgelegt auf die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden (im Schnitt gut 1.700 Stunden pro Jahr und Vollzeitstelle). Zum anderen haben wir einen Vollkostensatz inklusive des üblichen Betriebsgewinns, der bei heute vorherrschender Kostenstruktur in den Apotheken um etwa Faktor 2,25 über dem Selbstkostenpreis liegt. Dieser höhere Satz sollte für die Kalkulation mindestens zugrunde gelegt werden.

Theoretisch könnten maximal 1,67 Mio. "komplexe" Dienstleistungen der Priorisierungsgruppe 1 (siehe Tabelle 2 und Infokasten) zu je 90 € Nettohonorar angeboten werden – wenn sonst nichts abgerechnet würde. Das wären jährlich rund 90 Leistungen je Apotheke, für die in Summe je nach Stundenkalkulation nicht mehr etwa 70 bis allenfalls 150 Stunden aufgewendet werden sollten. Tatsächlich teilen sich die Leistungen aber auf drei Priorisierungsgruppen auf, wobei die erste Gruppe sich nochmals in drei Untergruppen untergliedert (1a, 1b, 1c).

Tab.2. Neue pharmazeutische Dienstleistungen und ihre Bewertung

Den Zeitaufwand realistisch budgetieren

Tabelle 2 zeigt die Dienstleistungen in der Übersicht – und welchen Zeitrahmen Sie dafür jeweils sinnvollerweise einhalten sollten. Dabei ist in der letzten Spalte der Wertebereich von gewinnbringender bis hin zu reiner Selbstkostenzeit angegeben. Die Fixkosten je Leistung, die einzukalkulieren sind, wurden sachgerecht geschätzt. Hier spielen insbesondere die anteiligen Fortbildungskosten eine Rolle. Wirtschaftlich betrachtet dürfen die pharmazeutisch interessantesten Medikationsanalysen in der Praxis jedoch nur maximal eine Stunde in Anspruch nehmen.

Möglicherweise werden künftig (Ende 2022 sind wir nach zögerlichem Start noch weit davon entfernt) mehr Leistungen erbracht und abgerechnet, als Geld zur Verfügung steht. Für diesen Fall ist ein Verteilungsmechanismus mit noch einigem Interpretationsspielraum vorgesehen. Kurzgefasst werden als erstes die Leistungen der Priorisisierungsgruppe 3, dann jene der Gruppe 2 gekappt. Ein Frühwarnmechanismus soll informieren, wenn das Geld auszugehen droht. Immerhin sind 1.000 € je Quartal und Apotheke für alle Dienstleistungen zusammen garantiert. Wer innerhalb dieses Rahmens bleibt, geht kein Risiko ein. Darüber beginnt insbesondere für die Blutdruckmessung, möglicherweise auch für die Inhalator-Schulung eine "honorarmäßige Geisterbahnfahrt".

Sind positive Deckungsbeiträge möglich?

Was bedeutet das nun im konkreten Einzelfall? Prüfen Sie, ob Sie überhaupt mit den Zeiten je Dienstleistung hinkommen und eine Aussicht auf positive Deckungsbeiträge besteht. Sinnvollerweise proben Sie die einzelnen Leistungen, die Sie erbringen möchten, praktisch mit den infrage kommenden Mitarbeitern. Welche Zeiten kommen zusammen? Können diese sich noch einschleifen (Routine)? Haben Sie überhaupt ausreichend personelle Ressourcen, ohne Abstriche an anderen Stellen zu machen?

Wann lohnt sich eine Quersubventionierung?

Ist das Honorar nicht gewinnträchtig oder womöglich nicht einmal kostendeckend, stellt sich die Frage, ob wenigstens ein Marketing- und Kundenbindungseffekt mit der Leistung verbunden ist. Eine solche Querfinanzierung ist zumindest für starke Apotheken überlegenswert, insbesondere wenn ein "Full-Service-Ansatz" (Bei uns bekommen Sie alles!) verfolgt wird. Marktführer agieren so und hungern damit ihre Konkurrenten aus – berufspolitisch nicht schön, aber gelebte Realität.

Einige Dienstleistungen haben aber das Potenzial, so attraktiv gestaltet zu werden, dass sie auch als Privatleistungen für besonders Gesundheitsbewusste in Betracht kommen. Dann sind Sie als Apothekeninhaber gut beraten, nicht nur durch die "Kassenbrille" zu schauen.

Die fünf honorierten pharmazeutischen Dienstleistungen im Überblick
 

(1a) Polymedikation

Etwa 7 Millionen Menschen nehmen mindestens fünf verordnete Arzneimittel ein [1]. Pro Apotheke sind das etwa 380 Patienten. Unter nüchternen Zahlenaspekten ist das die interessanteste Zielgruppe. Als Qualifikationsanforderung für alle Medikationsanalyse-Leistungen (1a, 1b und 1c) dient das Curriculum der Bundesapothekerkammer "Medikationsanalyse, Medikationsmanagement als Prozess".

(1b) Orale Zytostatika

Rund 510.000 Menschen erkranken hierzulande jährlich neu an Krebs. Im GKV-Verordnungssegment entfielen 2021 gut 8 Mio. Verordnungen auf Onkologika inklusive parenteraler Spezialrezepturen. Regelhaft oral einzunehmende Hormonantagonisten umfassten 2 Mio. Verordnungen, die sich auf 169 Mio. Tagesdosen (DDD) verteilten. 17,5 Mio. DDD in 0,7 Mio. Verordnungen entfielen auf ebenfalls orale Proteinkinase-Inhibitoren. Die Folsäure-Antagonisten wie Methotrexat kommen auf 1,3 Mio. Tagesdosen [2, 3].

Die vertiefte pharmazeutische Betreuung dieser Spezialpatienten im nach Anzahl schätzungsweise mittleren Hunderttausenderbereich ergibt auch gesundheitsökonomisch Sinn. Die parallele Abrechnung der Medikationsanalyse bei Polymedikation ist ggf. möglich.

(1c) Organtransplantierte

Seit 1963 gab es in Deutschland insgesamt gut 143.000 Organtransplantationen. Realistisch können wir von einer mittleren, fünfstelligen Zahl betroffener Patienten ausgehen, pro Apotheke lassen sie sich statistisch demzufolge an einer Hand abzählen. Ansonsten gilt auch hier das bereits bei den oralen Zytostatika Gesagte.

(2) "Device-Schulungen"

Die Geräte-(Device-)Schulungen finden zuerst mit Inhalatoren statt. Hier ist die Quote der Fehlbedienungen mit teils 50% extrem hoch, sodass die 20 € Honorar gut angelegt sein dürften. Je Apotheke haben wir ein Patientenpotenzial in der Größenordnung von 400 bis 500 Personen. Es bestehen keinerlei weitergehende Qualifikationsanforderungen, so dürfen auch PTA diese Leistung erbringen.

(3) Hypertonie-Risikoscreening

Die Hypertonie-Prävalenz in Deutschland wird mit etwa 30% bis 33% der erwachsenen Bevölkerung beziffert [4], bei über 65-Jährigen gar mit 65%. Angesichts solcher Zahlen kann das ausgelobte Honorarbudget nur ein Tropfen auf den heißen Stein für ein breites Risiko-Screening sein. Wie bei den Geräteschulungen sind keine zusätzlichen Qualifikationen erforderlich.

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.