Mittelfrist-Modellrechnung: Apothekengewinn stagniert

Wie stark zehren die hohe Inflation und steigende Kosten an den Apothekenerträgen? Unsere Prognoserechnung gibt einen Ausblick bis 2025. Fazit: Stagnierende Gewinne plus hohe Inflation sind keine gute Kombination.

Hohe Kostensteigerungen und die Inflation drücken auf die Apothekengewinne vor und nach Steuern. (© Adobe Stock/golubovy)

Die Apothekengewinne stehen unter Druck: Während die Einnahmen im entscheidenden Rx-Geschäft vielfach limitiert sind, gingen die Kosten zuletzt regelrecht durch die Decke. Dementsprechend lautstark wurde in den letzten Monaten eine Erhöhung des Festzuschlags gefordert und gegen die Anhebung des Kassenabschlags protestiert. Doch wie steht es tatsächlich um die Einkommen der knapp 18.000 deutschen Apotheken? Muss man sich ernsthafte Sorgen um deren Wirtschaftlichkeit machen?

Lassen Sie uns zuerst einen Blick zurück werfen, um auf Basis der veröffentlichten Zahlen und eigener Hochrechnungen zu beziffern, wie sich die Roherträge der Apotheken seit 2004 entwickelt haben. Danach stellen wir eine Mittelfrist-Modellrechnung auf, wie sich Rohertrag und Nettogewinn einer Durchschnittsapotheke bis 2025 entwickeln könnten.

Jährliches Ertragswachstum von 2,2 % seit 2004

Laut offiziellen Daten der ABDA stiegen die Apotheken-Umsätze von 2004 bis 2021 um satte 84%  – nämlich von 32,5 Mrd. € auf 59,9 Mrd. € (ohne Corona-Sonderumsätze). Der Rohertrag stieg im selben Zeitraum um rund 44 % – von 9,1 Mrd. € bei seinerzeit noch rund 28% Rohertragsmarge auf gut 13 Mrd. € bei etwa 22% Marge. Das entspricht einem jährlichen Branchen-Ertragswachstum von immerhin 2,2%. Bezogen auf den Einzelbetrieb landet ein noch größeres Stück vom Kuchen auf dem Teller, als das Apothekensterben seit Jahren voranschreitet: Gab es 2004 noch 21.400 Apothekenbetriebe, so waren es Ende 2022 nur noch rund 18.000. Etwa jede sechste Apotheke fehlt nunmehr in der Versorgungslandschaft.

Vor dem Hintergrund der niedrigen Inflation waren diese Zuwächse auskömmlich, zumal es in den letzten 15 Jahren ja durchaus Honorarerhöhungen gegeben hat – nur eben nicht regelhaft beim Rx-Festzuschlag, der nur einmal in 2013 um magere 25 Cent angehoben wurde. So werden seit 2013 die Notdienste extra honoriert, die Beratungspauschale (und leicht erhöhte Arbeitspreise) gab es erstmalig bei verordneten Rezepturen, die Betäubungsmittelgebühr wurde gesteigert, das Botendienst-Honorar neu eingeführt und die pharmazeutischen Dienstleistungen auf den Weg gebracht. Während letztere mit Zusatzaufwand neu hinzukommen, haben die anderen Aufbesserungen bereits erbrachte Leistungen neu bzw. besser bezahlt.

 Hohe Inflation wird zum "Game Changer"

 Ganz anders ist die aktuelle Situation, in welcher die hohe Inflation zum echten "Game Changer" wird. Um Ihnen eine solide Einschätzung zu geben, wie sich Rohertrag und Nettogewinn mittelfristig entwickeln dürften, haben wir eine Modellrechnung bis 2025 aufgestellt (Tabelle 1). Diese basiert auf einer heutigen Durchschnitts-Apotheke mit 3 Mio. € Nettoumsatz. Etwaige (Rest-)Corona-Sonderumsätze lassen wir beiseite, zumal sie weitestgehend auslaufen dürften. 

Tab. 1: Mittelfrist-Modellrechnung der Erträge einer Durchschnittsapotheke (bis 2025)

Zentral ist das Rx-Segment. Die Arzneimittel-Rahmenvereinbarungen des GKV-Spitzenverbandes mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für 2023 sehen im Vergleich zum Vorjahr einen bundesweiten Umsatzanstieg von + 3,4% vor (2022: + 5,3%). Um 5,1% wachsen sollen dabei nur die Umsätze mit innovativen Arzneimitteln. Nach Menge ist 2023 und die Jahre danach voraussichtlich allenfalls ein geringes Rx-Wachstum um 0,5 % zu erwarten. Da die Apothekenzahl weiterhin um rund 2% p. a. sinken dürfte, sind jedoch zurückhaltend an die 2% Mengenwachstum pro Betrieb zu erwarten – mit regionalen Unterschieden.

Im OTC-Segment ist der Versand das Hauptproblem, allerdings werden auch hier langsam erste Sättigungstendenzen erkennbar, die bei  25% bis 30% Marktanteil erreicht sein könnten.

Bleiben die Problemzonen Kosten und Inflation. In unserer Prognoserechnung steigen die Personalkosten 2023 um fast 7%, sonstige Betriebskosten um 5%, die Energiekosten verdoppeln sich. Ab 2024 soll sich die Lage mit Raten von 3% normalisieren, die Energiekosten wieder um je 20% in 2024 und 2025 gegenüber dem Rekordjahr 2023 fallen.

Ausblick 2025: Nettogewinn stagniert

Für 2023 bedeutet das immerhin 13.000 € weniger Netto-Verfügungsbetrag gegenüber 2022; auch 2024 kann nicht an das 2022er-Niveau anschließen. Das gelingt erst 2025, falls der Kassenabschlag wieder gesenkt wird. Zudem: All diese Beträge werden durch die hohe Inflation zusätzlich und erheblich entwertet sein. Faktum zum Schluss: Ein nur 1%-Punkt höheres Wachstum bei allen Packungen würde das Jahres-Netto 2023 um 4.000 € steigern, 2024 um knapp 8.000 € und 2025 gar um 12.000 €.

Bleibt als Schlussfazit: "Grow or die" – diese Devise gilt in inflationären Zeiten mehr denn je!

Herzog-536x402.jpg

Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.