Niedrige Zinsen ade?
Apothekeninhaber sind vielfach tangiert

Zinsen kannten wir über viele Jahre hinweg fast nur noch aus früheren Erzählungen. Teilweise wurden sogar Negativzinsen oder „Verwahrgebühren“ auf Sparguthaben erhoben. Nun ist das Pendel wieder in die andere Richtung umgeschlagen – was nun?

 Niedrige Zinsen ade? (© Adobe Stock/Fokussiert) 

Immerhin: Von den Niveaus wie z.B. in den 1970er Jahren mit teilweise zweistelligen Zinssätzen für Kreditnehmer sind wir noch weit entfernt. Bisher schlägt vor allem die Inflation ihre Kapriolen, während die Zinsen dem nur stark gebremst folgen. Dennoch sind auch hier empfindliche Steigerungen zu spüren.

Am augenfälligsten wird dies bei der kurzfristigen Fremdfinanzierung von Liquidität. Jeder einzelne Prozentpunkt mehr für einen Kontokorrent schlägt z.B. für einen 10.000 €-Hochpreiser mit immerhin 0,28 € pro Tag zu Buche, bei einem gesetzlichen Rohertrag von rund 300 € (ohne Einkaufsrabatt). Eine Woche Lagerdauer bei einem um 5 %-Punkte höheren Zinssatz im Vergleich zu beispielsweise 2021 schlägt dann mit rund 10 € allein für die Zinsen ein. 

Noch deutlicher werden die Unterschiede, wenn wir von langfristigen Investitionen reden. Eine Investition von 100.000 € verteuert sich je einzelnem Prozentpunkt höherer Zinsen bei einem klassischen Tilgungsdarlehen (= Tilgung in konstanten Raten, Zinszahlungen sinken entsprechend) um etwa 

  • 2.500 € bei 5 Jahren Laufzeit,
  • 5.000 € bei 10 Jahren,
  • 10.000 € bei 20 Jahren.

 

Bei einem klassischen Ratendarlehen (konstante Raten, anfangs höherer Zins-, dann höherer Tilgungsanteil) sind die Zinskosten nochmals um etwa 10 % höher.

 Am teuersten wird es, wenn ein endfälliges Darlehen (getilgt wird ganz am Ende in einem Stück) gewählt würde. Dann bedeutet jeder Zins-Prozentpunkt 5.000 €, 10.000 € bzw. 20.000 € über die Laufzeit. 5 %-Punkte mehr würden auf 20 Jahre bedeuten, dass Sie den Investitionsbetrag nochmals in Form von Zinsen entrichten.

Renten betroffen?

Umgekehrt treffen höhere Zinsen auch die Kapitalanleger. Wer, wie z.B. die Versorgungswerke oder die privaten Krankenversicherer, seine beträchtlichen Kapitalreserven zu nennenswerten Teilen in (langlaufenden) Zinspapieren anlegt, ist selbstredend hochgradig tangiert. Zum einen werfen zwar neu anzulegende Gelder wieder etwas mehr ab. Bestehende Zinsanlagepapiere (wie Anleihen) verlieren in Zeiten des Zinsanstiegs jedoch an Wert, je mehr, je länger sie noch laufen. Dies führt zumindest zu teils massiven Buchverlusten und entgangenen Zinseinnahmen, wenn das Geld eben in niedrigverzinsten Papieren gebunden ist. Selbst Banken kommen da schnell in Schieflage, wie aktuell zu sehen.

 Selbst Immobilien-Investments bleiben nicht unverschont. Das Zinsniveau entfaltet auch hier erhebliche Rückwirkungen auf die Rendite. Regelhaft sind höhere (Zins-)Kosten erst einmal von Nachteil, der erst einmal durch eine bessere Wertentwicklung und höhere (Miet-)Erträge kompensiert sein will. Unter dem Strich bedeutet das nichts Gutes für die Renten der Versorgungswerke oder die Beiträge der Privatversicherer.

Eigene Kapitalanlagen

Neben den evidenten Folgen für „Rentenpapiere“ sind Firmen und somit Aktien teils erheblich betroffen. Probleme bekommen vor allem hochverschuldete Firmen, die zudem traditionell mit nur geringen Gewinnmargen arbeiten und womöglich zusätzlich eine schwache Preissetzungsmacht in einem inflationären Umfeld haben. Steigende Zinsen drücken bestenfalls nur die Gewinne, schlimmstenfalls drohen ernste Verwerfungen. In jedem Fall steigert das nicht gerade die entsprechenden Kurse …

 Grundsätzlich gilt: Finger weg von Anleihen in steigenden Zinsphasen; auf einem Zinshoch kann man gern zugreifen, sich über kontinuierliche Ausschüttungen freuen und vielleicht darüber nachdenken, die hübschen Kursgewinne in einem Zinstal zu versilbern. Und am Aktienmarkt sind in solchen Zeiten margenschwache, hochverschuldete Konzerne ein Tabu, mögen sie auch (noch) mit attraktiven Dividenden locken, oder: gelockt haben!

Herzog-536x402.jpg

Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.