Unterbezahlung: Realität oder Fiktion?

Gemeinhin gelten Angestellte in den deutschen Offizin-Apotheken als vergleichsweise schlecht bezahlt. Doch hält dieser Eindruck auch einer objektiven Nachprüfung stand? Wir haben einen genaueren Blick auf die Gehaltsstrukturen in und außerhalb von Apotheken geworfen und liefern einen aktuellen Vergleich mit konkurrierenden Jobangeboten – unter anderem im öffentlichen Dienst sowie der Industrie.

Verdienen Angestellte in der Apotheke auch tatsächlich, was sie verdienen...? (© AdobeStock - jirsak)

Betrachten wir hierzu als erstes die Tarifgehälter in den Apotheken, wobei wir uns hier auf den größten Teil des Bundesgebietes beschränken und die Sondertarife (Sachsen, Nordrhein) außen vor lassen. Wir legen 13 Gehälter zugrunde. Damit ergeben sich folgende Jahresgrundgehälter je nach Berufsjahren (Not- und Nachtdienste seien an dieser Stelle außen vor):

  • PTA: 31.447 € bis 39.936 €
  • Approbierte: 50.635 € bis 60.827 €


Üblich sind aber 15% bis 25% über Tarif (und mehr); bei PTA reden wird über eine Spannbreite von etwa 36.000 € bis über 50.000 € p.a., bei Approbierten knapp 60.000 € bis gut 75.000 €. In Filialleiterpositionen reicht die Range von 70.000 € bis in den sechsstelligen Bereich bei starken Apotheken, meist zwischen eben jenen 70.000 € und 90.000 €. 

Sonderleistungen (wie Dienstwagen, Jobrad, Fahrtkosten, Zusatz-Altersversorgung etc.) können das gerade "netto" weiter aufbessern. Hier kann die unternehmergeführte Apotheke flexibler und zielgerichteter agieren als starre, große Organisationen.

Gehaltsvergleich mit dem öffentlichen Dienst (TV-L)

Werfen wir nun einen Blick auf die Gehälter des öffentlichen Dienstes des Länder (TV-L), welche z.B. an Unikliniken Anwendung finden.

Für PTA ist die Eingangsgruppe die Besoldungsstufe E6, je nach Qualifikation und Aufgaben kann der Aufstieg in E8, allenfalls E9a/b führen. Innerhalb der einzelnen Entgeltgruppen haben wir noch die horizontale Entwicklung nach Berufsjahren bzw. Bewährung (Stufen 1 bis 6). Schauen wir auf die Jahresgehälter inklusive Jahres-Sonderzahlung, gültig bis Ende September 2023:

  • E6: 35.110 € bis 43.317 €
  • E7: 35.712 € bis 44.780 €
  • E8: 37.954 € bis 46.813 €
  • E9a: 39.971 € bis 51.687 €

 
Für Approbierte beträgt die Einstiegsgruppe typischerweise E13. Beförderungen enden, wenn überhaupt, meist mit E15 (in dann bereits leitender Funktion), allenfalls in der höchsten Tarifgruppe E15Ü. Nur herausgehobene Cheffunktionen werden übertariflich in eigenen Verträgen entlohnt, wie z.B. verantwortliche Leiter:innen einer (größeren) Krankenhausapotheke. Hier die TV-L-Jahresbezüge:   

  • E13: 52.207 € bis 75.254 €
  • E14: 55.989 € bis 79.297 €
  • E15: 61.840 € bis 86.798 €
  • E15Ü: 75.463 € bis 98.073 €

 
"Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Oberrat", der alte Beamtenspruch, hat also durchaus seine Bewandtnis. Das Senioritätsprinzip und das "Ersitzen" von Gehältern sind noch deutlich ausgeprägt. In Apotheken müssen sich jedoch die Gehälter im Wettbewerb finanzieren. 

Bei der AOK steigen Hochschulabsolventen in die dortige Vergütungsgruppe E11 (auch hier gibt es 16 Gruppen) ein – mit Jahresgehältern, die bei  58.500 € beginnen und nach rund 20 Jahren Berufserfahrung bei 82.200 € enden. Die höchste Stufe E16 reicht hier von 84.155 € bis 128.600 €. Das sind die Spitzenpositionen (wie z.B. Bereichsleiter:innen) unterhalb des Vorstands.

PTA können je nach Position in E5/E6 anfangen (38.350 € bis 45.990 € resp. 40.510 € bis 50.800 €) und vielleicht bis E8 vordringen (46.040 € bis 60.730 €).

Industrie: Laborleiter verdienen oft sechsstellig

Und die Industrie? Nehmen wir einmal das Bewertungsportal Kununu und schauen, was bei der Crème de la Crème der Pharmaindustrie verzeichnet ist.

  • Chemikanten, den PTA sicher nahekommend, finden wir mit durchschnittlich 55.000 € bis 60.000 €, allerdings mit großen Streuungen.
  • Laborleiter kommen im Schnitt auf 90.000 € bis 105.000 €, ebenfalls mit deutlichen Ausschlägen in beiden Richtungen. Höhere Leitungspositionen bewegen sich durchwegs im sechsstelligen Segment, wobei es ab etwa 200.000 € bis 250.000 € schon sehr dünn wird. Hier schlägt immer noch die Stunde der selbstständigen, erfolgreichen Apotheker:innen, die in guter Lage diese Grenze nach wie vor überwinden können, erst recht mit Filialen.

Fazit

Die reinen Apotheken-Tarifgehälter sind, zumindest in den meisten, nicht allzu strukturschwachen  Teilen der Republik, kaum konkurrenzfähig. Mit etwa 15% bis 25% Aufschlag relativiert sich das bereits. Ein Problem für sich sind die Ballungszentren. Hier ist es vor allem die Wohnungsfrage, welche teils jegliche vernünftige Dimensionen sprengt, sodass man de facto auf Ortsansässige angewiesen ist.

Vergessen wir nicht: Apotheken punkten mit Ortsnähe und persönlichen Strukturen. Die Qualifikationsanforderungen sind geringer als beispielsweise bei den Top-Pharmafirmen. Wirklich sicher sind die Stellen in der hochdynamischen, von Fusionen und Übernahmen geprägten Pharmaindustrie auch nicht. Zwar sind die Öffnungszeiten der Apotheken eine Bürde. Klug geplant, lassen sich aber attraktive, flexible Arbeitszeitmodelle stricken. Und: Ein Mehrverdienst bringt netto oft kaum mehr als die Hälfte ein. Die Lage ist schwierig, hoffnungslos abgehängt ist der Arbeitsplatz Apotheke aber nicht – wenn man ihn clever mit Leben und nicht nur Geld füllt.

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.