Homöopathie: Aus die Maus?

Den „Zuckerkügelchen“ und Hochpotenzen geht es nach dem Willen des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach an den Kragen – zumindest auf Kosten der gesetzlichen Kassen. Steht diese Therapierichtung nun vor dem Aus?

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Der Apothekenumsatz mit Homöopathika betrug in 2022 rund 510 Mio. € netto ohne Mehrwertsteuer bei rund 45 Mio. Packungen (umgerechnet nach: Pharma-Daten 2023 des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie e.V., kurz BPI, basierend auf Erhebungen von IQVIA). Enthalten ist der Versand, den man wohl auch hier näherungsweise mit den durchschnittlichen etwa 20 % Anteil annehmen kann. Pro Offizin-Apotheke verblieben also seinerzeit gut 22.000 € Nettoumsatz bei etwa 2.000 Packungseinheiten. Der Rohertrag dürfte im Schnitt in der Größenordnung von 10.000 € liegen – von rund 700.000 € insgesamt. Das ist ein nettes Zubrot, mehr nicht. Seit Jahren schrumpft dieser Spezialmarkt ungeachtet der Corona-Pandemie. Ärztliche Verordnungen machen gut 60 Mio. € netto aus, wobei auf die GKV nachrichtlich deutlich unter 30 Mio. € entfallen. Den überwiegenden Teil stellen Privatverordnungen, teils zulasten der privaten Krankenkassen oder Zusatzversicherungen, bzw. auf Kosten der Patienten selbst. Wie viel die rund 47.000 Heilpraktiker:innen beisteuern, geht aus den Zahlen nicht hervor. Gemessen am Gesamtausgabenvolumen der gesetzlichen Kassen stehen die Homöopathika für weniger als 0,01 % (!), also eine monetär völlig vernachlässigbare Größenordnung. Es geht ums Prinzip. Belegbare Evidenz soll ausschließlich zählen, wobei es ehrlicherweise bei den schulmedizinischen Pharmazeutika ebenfalls noch manch „weiße Evidenz-Flecken“ gibt.

Pragmatisches Vorgehen

Mit dem Verordnungsausschluss der Homöopathika zulasten der GKV wird sicher ein Teil der bisherigen Verordnungen ersatzlos wegfallen. Ein weiterer Teil wird durch schulmedizinische (teurere?) Präparate substituiert werden. Zudem wird es das eine oder andere zusätzliche Privatrezept bzw. grüne Rezept mit den gewünschten „Kügelchen“ und Co. geben. Die oben genannten Verordnungszahlen zeigen aber, dass es um ein Randphänomen geht. Tendenziell steigt dabei die Bedeutung der Apotheken, denn am Arzneimittel-Status der Homöopathika und damit ihrer Apothekenpflicht soll erst einmal nicht gerüttelt werden. Damit bleiben Drogeriemärkte und Co. außen vor, selbst wenn dies die „Hardcore-Gegner“ bedauern.

So dichotom, wie es gerne dargestellt wird, ist die Sachlage jedoch gerade aus nüchterner naturwissenschaftlicher und therapeutischer Sicht nicht. Es gibt eine Reihe von Indikationen, regelhaft leichterer oder psychosomatischer Art, bei denen entsprechend als (Pseudo-)Arzneimittel konfektionierte Placebos den gewünschten Wirkeffekt entfalten, ohne ernsthafte Nebenwirkungen befürchten zu müssen, vorausgesetzt, es liegt eine entsprechende diagnostische Abklärung vor. Zudem sind Homoöpathika meist vergleichsweise preiswert, im OTC-Segment vielleicht sogar zu billig. Hier dürften noch Preisspielräume bestehen, und diese sollten Sie in diesen Zeiten nutzen.

Selbst bei schwereren Erkrankungen können Homöopathika von Nutzen sein – nämlich als Add-on zur schulmedizinischen Therapie, wenn die Patienten dies eben ausdrücklich wünschen und sich besser damit fühlen. Warum soll man diesen Zusatzeffekt, mag er so groß oder klein sein wie er will, nicht zusätzlich mitnehmen? Vergessen wir nicht, dass es auch Dinge wie die Psychoneuroimmunologie gibt – evident! Entscheidend ist, dass diese Alternativpräparate jedoch keine wirksamen Therapeutika verdrängen oder gar substituieren – und nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Patienten das ausdrücklich möchten. Aktives „Aufschwätzen“ sollte dagegen wirklich tabu sein. Leider wird diese Differenzierung viel zu selten vorgenommen. Entweder man ist ein glühender Vertreter der Alternativmedizin und schreibt ihr deshalb gern Wirkungen zu, die sie belegbar nicht hat. Oder man verdammt sie in Bausch und Bogen. Dabei liegt der pragmatisch-optimierende Ansatz, wie so oft, dazwischen.

 

Fazit und Konsequenzen

Das verlangt Ihnen einiges an Feingefühl und Beratungskompetenz ab. Aber genau dafür braucht es die akademisch geleitete Institution Apotheke, erst recht vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen. Der risiko- und nutzenadäquate Umgang mit Homöopathika ist ein Testfall dafür. Und dieses Wirken im Sinne Ihrer Patienten sollten Sie sich angemessen honorieren lassen. Machen Sie also gerade bei solchen Spezialsegmenten nicht den „billigen Jakob“. Die Kunden werden es Ihnen trotzdem danken, wenn sie spüren, dass sie in guten Händen sind und auch mit ihren „exotischen“ oder vermeintlich nicht streng evidenzbasierten Anliegen ernstgenommen werden. Am Ende gilt eben doch: „Wer heilt, hat recht.“ Wobei zu ergänzen ist: „ … und dabei alle Optionen auf dem Tisch lässt, prioritär die evidenzbasierten, doch die anderen nicht pauschal abqualifiziert.“ Hingegen unreflektiert nur einer Seite oder Lehrmeinung zuzujubeln und die andere zu verdammen, verlangt nicht nach sonderlich ausgeprägten Fähigkeiten (die aktuelle große Politik illustriert das eindrücklich). Klug abzuwägen und individuell zu optimieren schon. 
Ihr Aufschlag!

 

„Von den Reichen kann man sparen lernen!“ (Schwäbische Weisheit)

 „Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“ (Konrad Adenauer)

 

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.