Unterwegs mit Geier Kunibert

Wieder neigt sich ein Jahr seinem Ende entgegen. Natürlich war es wie jedes Jahr zuvor herausfordernd, turbulent, mehr oder weniger erfolgreich. Auf unserer Jahresend- bzw. Weihnachtsgeschichte begleiten wir diesmal eine ganz besondere, aktuell gut beschäftigte Spezies.

(Alle Bilder: © Reinhard Herzog 2024)

Ein stiller Zeitgenosse zieht seine Bahnen über ein erstarrtes Land, und diese Erstarrung hat ihre Ursache mitnichten in klirrender Kälte, wie man es jahreszeitbedingt vermuten würde. „Kalte Jahreszeit“ bekommt im Gefolge der klimatischen Veränderungen ja sowieso eine andere Bedeutung. Dieser Zeitgenosse aus der Spezies der Geier schwebt immer öfter über dem Land.

Er bringt nach landläufiger Meinung wirtschaftliches Unheil, so wie der Klapperstorch frohe, allerdings immer seltenere (ja, der demografische Wandel …) Ereignisse verheißt. Begleiten wir einen Vertreter dieser (Unglücks-)Zunft auf der Reise durch die Republik zum Jahresausklang 2024, nennen wir ihn Kunibert. Und es gibt viel zu erzählen dieser Tage – aus der gelebten Realität, aber auch aus der wirtschaftlichen Märchenküche.  

So ein Geier hat nicht nur ein gutes Gehör und scharfe Augen, sondern auch ein hervorragendes Gespür für Aas, also die Fälle, in denen alles zu spät ist. Schließlich jagt er kaum, ist er doch ein aufgewecktes Wesen, welches sich ironischerweise an den „Pleitegeiern“ labt, die das Zeitliche gesegnet haben, zumindest wirtschaftlich. Und so schwebt dieser König der Lüfte nun über ein Land, in welchem früher im Dezember zahlreiche Lichtlein blitzten, die jedoch heute vielfach einer ökologisch korrekten Sparbeleuchtung gewichen sind, wenn überhaupt noch.

 

 

Und wo früher zahlreiche bunte Läden und Lädchen die Einkaufsstraßen geschmückt haben, prangt heute zunehmend ein Schild „zu vermieten“. Nur mietet kaum jemand mehr, oder vielleicht die Gemeinde, um dann darin ... aber lassen wir das. Denn die Gemeindekassen klingeln auch nicht mehr wie einst, Kunibert registriert das Wehklagen wohl. Für ihn ist das jedoch kaum von Belang, öffentlich-rechtliche Beschäftigte passen kraft ihrer sicheren Arbeitsplätze nicht in sein Beuteschema. Das Rathaus anzusteuern, macht also wenig Sinn.  

Ein paar Schritte oder vielmehr Flügelschläge weiter leuchten jedoch die Augen. Selbst manch alteingesessene, jahrhundertealte Apotheke mitten auf dem Marktplatz ist nun Futter für die wirtschaftlichen Aasverwerter, und, auch das ein eher neues Phänomen, immer mehr Krankenhäuser! Wer hätte das je gedacht? Bürokratie, überbordende Kosten plus eine böse Krankheit namens Reformitis haben das möglich gemacht. Da Kunibert privatversichert ist, und diese Privatpolice auf den Namen Kunibert oder auch  „Eigenverantwortung ohne Wenn und Aber“ hört, interessiert ihn das weniger.

Spannender wird es weiter stadtauswärts. Wo früher vitale Maschinenbaufirmen munter gewerkelt haben, herrscht mehr und mehr Finsternis. In dieser Jahreszeit, wo es schon früh noch vor Feierabend dunkel wird, fällt das umso mehr auf. Die gewöhnlich gut unterrichtete, schlaue Waldohreule, die gern in den Vorgärten ruht, berichtete ihm, dass es sich wohl um Zulieferer einer der bedeutendsten Branchen, nämlich der Autoindustrie, handeln soll. Er hat die Blechschachteln auf Rädern allerdings eher in unguter Erinnerung, denn wenn er sich über ein leckeres, von ebenjenen erlegtes Beutestück hermachen wollte, musste er höllisch aufpassen, nicht vom nächsten rollenden Ungetüm selbst erlegt zu werden. Wählen Geier eigentlich grün?

 

Das sollten sie wohl, wären da nicht die ganzen Windräder, welche schon manch Gefiedertem zum Verhängnis wurden. Statistiken sagen indes, dass die 50 Millionen fahrenden Blechschachteln weit mehr zur Strecke bringen als einige zehntausend Windräder, die zudem oft lustig blinken. Man muss das als Vogel eben zu interpretieren wissen, aber welcher Vogel liest schon menschengemachte Statistiken und kennt sich mit „Lichtsignalanlagen“ aus? Dafür machen die Solarparks Freude, verbessern diese weiten dunklen Flächen bei Sonnenschein doch die Thermik, und aus großer Höhe ein schönes Häuflein darauf fallen zu lassen, macht noch mehr Spaß.  

Aktuell locken der Duft und die Wärme der bunten Weihnachtsmärkte, die nur noch mit Sicherheitspersonal sowie Waffen- und Messerverboten betrieben werden. Kommt bald ein Krallenverbot? Doch das ist nicht Kuniberts Sorge, denn mittels Glühwein schöntrinken muss er sich die Lage nicht. (Pleite-)Geier haben Konjunktur.

 

In diesem (Nicht-)Sinne: Frohe, erholsame Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr, möge es alle Wünsche erfüllen und ungeachtet vieler Widrigkeiten das individuelle Quäntchen Zufriedenheit, Glück und Erfolg bringen!  

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Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.