Alle müssen Farbe bekennen:
Prof. Dr. Reinhard Herzog

Wer im Rampenlicht steht, kann nichts mehr verstecken....
(AdobeStock_Turab)
Wenn Sie dieses Heft erhalten, dürfte sich anlässlich des Deutschen Apothekertages in Düsseldorf der erste Nebel lichten, möchte doch unsere Gesundheitsministerin Nina Warken persönlich zu den Kolleginnen und Kollegen sprechen. Das ist der erste Lackmustest, was Ehrlichkeit und das Kommunikationsgebaren angeht. Wird es konkret? Bleibt es im Ungefähren, gar nur auf der Metaebene, sich erschöpfend in Lobpreisungen auf die Rolle der Apotheken, aber eben mit „wenig Fleisch am Spieß“? Bald sind wir schlauer. Doch welche Varianten sind denkbar, mit welchen Handlungskonsequenzen für den Beruf allgemein und Sie persönlich vor Ort?
1. Die angenehmste Botschaft wäre: „Wir setzen den Koalitionsvertrag 1:1 um!“ 9,50 € Rx-Festhonorar, Wiederzulassung der Skonti auf den Stand vor 2024, Strukturförderung in unterversorgten Regionen (angedacht in Höhe von 75 Mio. €), gesetzlich strenger gefasste Einforderung gleicher Wettbewerbsbedingungen des Versandhandels (u. a. Temperaturführung), die Erweiterung der Aufgaben und Dienstleistungen in der Apotheke. Aber auch: Honorarverhandlungen mit den Kostenträgern ab dem Folgejahr des Inkrafttretens der Maßnahmen. Das größte Problem: Möchte man das alles „in einem Aufwasch“ erledigen, muss der Lappen quer durch die (Un-)Tiefen des Rechtswesens wischen. Manches lässt sich schnell auf dem Verordnungsweg regeln, so der praktisch wichtigste Teil – die Honorarerhöhung. Bei den Skonti ist ein Satz im Arzneimittelgesetz anzupassen. Die Strukturförderung dürfte komplizierter werden: Per gestaffeltem Rx-Honorar? Durch mannigfaltige andere Zuschüsse und Fördermaßnahmen, die weit über schlichte monetäre Zahlungen hinausreichen können? An welcher Stelle würde dies rechtlich normiert werden?
Dieser Verfahrensablauf könnte eine ganze Weile dauern. Zeitlich noch unabsehbarer wird es, wenn EU-Recht und Warenverkehrsfreiheit tangiert sind – Stichwort weitergehende Regulierung des Versands. Möglicherweise wäre sogar ein konsequentes Arzneimittel-Versandverbot einfacher durchsetzbar als komplexe Detailregelungen. Nimmt man sich zu viel auf einmal vor, könnte es eine Hängepartie werden, mit dann immer ungewisserem Ausgang, auch vor dem Hintergrund der allgemeinen Lage.
2. Es gibt eine Teillösung, wobei die direkt ergebniswirksamen Maßnahmen vorgezogen werden. Honorarerhöhung und Rücknahme des Skonti-Verbots sind einfach umsetzbar. Dem komplexeren Rest widmet man sich anschließend. Da die Rx-Honorarerhöhung auf 9,50 € die Kostenträger insgesamt um 1,1 Mrd. € belastet, ist nicht ausgeschlossen, dass man hier etwas hinter dem Versprochenen zurückbleibt. Denkbar ist weiterhin, dass man „Skonti“ genauer definiert, z. B. als marktübliche Vergütung einer zeitnahen Zahlung im Vergleich zu den sonst angebotenen Modalitäten, wobei die Verzugszinsen gemäß § 288 BGB (zurzeit 10,27 %) zugrunde zu legen sind. Wer also binnen 7 Tagen statt nach 30 Tagen zahlt, hätte einen maximalen Skontovorteil für 23 Tage oder etwa 0,65 % – auf den gesamten Zahlbetrag über alle Produktsegmente hinweg, denn das bedeutet Skonto. Der Charme dieser zweiten Variante liegt auf der Hand: Es käme schnell zusätzliches Geld in die Apothekenkassen.
3. Es läuft mehr oder weniger auf eine „Nullnummer“ hinaus, bzw. auf ein langatmiges Vertrösten mit Verweis auf den Finanzierungsvorbehalt und die komplizierte Sach- und Rechtslage. Möglicherweise wird nochmals ein Gutachten eingefordert und eine der beliebten Kommissionen gegründet. Ausgeschlossen ist das nicht, wenngleich alle Signale darauf hindeuten, dass man die Apotheken nicht derart schofelig zu behandeln gedenkt. Es wäre eine Überraschung, die es aber bekanntlich immer wieder gibt.
Egal, was kommt: Im Idealfall winken im Schnitt etwa 55.000 € Rx-Mehrhonorar und vielleicht 10.000 € bis 20.000 € erneute Skonti. Das ist nicht wenig und wird die Spanne um etwa 1,7 bis 2,0 Prozentpunkte steigern, die prozentuale Gewinnmarge in oft nicht ganz dieser Höhe. Wer heute schon gut dasteht, steht dann noch besser. Wer unter dem unternehmerischen Existenzminimum krebst, erhält, so er nicht weitergehend „förderwürdig“ wird, dagegen etwas palliativen Aufschub bei der perspektivischen Abwicklung seines Betriebes.

Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.