Apotheken-Strukturförderung: 
Wohin nur mit dem Geld?

Prof. Dr. Reinhard Herzog

 

Fördermaßnahmen können ein zweischneidiges Schwert sein!
(AdobeStock_Edler von Rabenstein)

Fördermaßnahmen insbesondere seitens des Staates sind ein zweischneidiges Schwert: Meist sind die Ziele lobenswert, doch der Weg über staatliche Fördertöpfe sorgt für manch Umwege und Verkomplizierungen. Am Ende wird das Gewünschte nur in mehr oder weniger großen Teilen, dafür mit hohen Kosten erreicht. Die Liste der Beispiele ist lang, das beginnt bei A wie zahlreichen Maßnahmen zugunsten der Autoindustrie, geht über E wie Energiewende und reicht bis Z wie Zementindustrie, die ja auch „grün“ werden soll.

Unter dem Buchstaben A des Förderalphabets könnten sich demnächst auch die Apotheken wiederfinden, eine im Grunde kerngesunde Branche mit exzellenten, langfristig stabilen Wachstumsraten, von denen andere nur träumen können – ja, wenn nicht so viele Beteiligte ihre Finger im Spiel hätten und das Apothekenwesen nicht inzwischen ein völlig überreguliertes Konglomerat vom Kleinbetrieb bis hin zu fast industriellen Apotheken-Großunternehmen mit höher dreistelligen Beschäftigtenzahlen geworden wäre. Viele Köche verderben den Brei, das trifft es hier besonders. Obgleich keineswegs wenig Geld im System steckt (das gilt übrigens für Ärzte, Krankenhäuser, Bildung, Wohnungswesen, die Bahn usw. auch …), gelingt es immer weniger, nur die berühmte „Daseinsvorsorge“ sicherzustellen. Hier haben wir grundlegende Probleme.

75 Mio. € sind nun im Koalitionsvertrag nur für die Strukturförderung im Apothekenwesen dezidiert veranschlagt. Trickreich versuchen bereits Standespolitiker dies aufzuschnüren, indem sie die maximal dort ebenfalls ausgelobten (standortabhängigen!?) 11 € Rx-Packungshonorar für die ersten 20.000 Packungen aller Betriebe fordern. Weiterhin soll es dann die auf 9,50 € erhöhte Grundpauschale, die ja ebenfalls versprochen ist, für alle Rx-Packungen darüber hinaus geben. Das ist einfach, vermeidet Abgrenzungsprobleme (wer ist förderwürdig?) – und kostet eine ganze Ecke mehr, nämlich 11 € statt 9,50 € auf 20.000 Packungen mal rund 16.500 Apotheken in 2026, also knapp 500 Mio. € plus Mehrwertsteuer. Die 9,50 € schlagen dann nochmal mit gut 900 Mio. € plus Mehrwertsteuer bei den Kostenträgern auf. Die eigentlichen 75 Mio. € Struktur-Fördersumme stehen dann da noch wie der Zwerg einsam im Walde. Dabei könnte man auch mit dieser überschaubaren Summe einiges bewegen. Statt sich an umfänglichen Kriterienkatalogen und der „Gerechtigkeit“ abzuarbeiten, gäbe es einen pragmatischen Ansatz: Gemeinden können einen Förderantrag stellen, und bekommen z. B. 50 % (oder auch etwas mehr) aus dem Fördertopf bezahlt. Sie müssen sich aber selbst in spürbarem Maße beteiligen. Hier sollte man schlicht auf die Vernunft vertrauen. Die Menschen vor Ort wissen am besten, wo der Schuh drückt, und welche Optionen bestehen. Bei den Ärzten greifen ja ähnliche Modelle. Dies kann man tatsächlich recht schlank und zudem nach dem Windhund-Verfahren gestalten: Ist der Topf leer, kann man es im nächsten Jahr erneut versuchen.

Unabhängig davon ist jedoch der Gedanke reizvoll, Strukturförderung tatsächlich auch aus dem Multi-Milliarden-Topf des Infrastrukturpakets zu bestreiten. So werden wohl viele Milliarden, womöglich bis 1,5 % der Wirtschaftsleistung (= über 60 Mrd. € p. a.), im Grenzbereich Militär – allgemeine Infrastruktur angesiedelt werden, denn wir wollen ja (bis 2029?) „kriegstauglich“ werden. Ich verkneife mir, dies weiter zu kommentieren.

Sehen wir jedoch die positiven Aspekte: Tatsächlich können diese beträchtlichen Beträge wie ein enormes Konjunktur- und Technologieförderprogramm und am Ende wie eine Frischzellenkur des gesamten Landes wirken, wenn man denn das viele Geld klug einzusetzen vermag. Und wenn nicht? Dann tröste man sich mit Winston Churchill: „Lache nie über die Dummheit der anderen – denn sie ist Deine Chance“. Und unsere Chance besteht darin, dass doch eine sichere Arzneimittelversorgung gerade in der Fläche ganz elementar zu diesen Zielen passt. Ist der Berufsstand clever, kann er auf diesem Ticket womöglich ganz andere Summen als die vorgedachten 75 Millionen Euro loseisen, und zwar unabhängig von den klammen Krankenkassen, was den ganz besonderen Charme dieses Ansatzes ausmacht. Damit endet dieser Beitrag einmal wieder mit einer schönen Denkaufgabe an die Standespolitik im Sinne unserer Zukunft.

Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.