Diese Vorlage gilt es zu nutzen ....
Ein Hoch auf die Gastronomen

Prof. Dr. Reinhard Herzog

 

Stethoskop und Bilanzzahlen auf Abrechnungsstreifen

Das Feierabendbier und das auswärtige Sonntags-Dinner sollen niedriger besteuert werden 
als lebenswichtige Arzneimittel - darüber darf man grübeln.
(AdobeStock_Wolfilser)

Manchmal lohnt es sich, Banales aufzubewahren. So eine Hotelrechnung aus dem Jahre 2006, lautend auf seinerzeit 33 € je Übernachtung mit Frühstück in Schmalkalden, malerisch gelegen in Südthüringen, und noch mit seinerzeit 16 % Mehrwertsteuer belegt. Seit mittlerweile 20 Jahren darf man mich dort im Rahmen der Weiterbildung (zum Apothekenbetriebswirt) ertragen, und ich bin auch immer wieder in diesem netten Hotel, welches sich nicht sonderlich verändert hat – bis auf die Rechnungsbeträge, unlängst beachtliche 95 € je Nacht. Bei den bekannten Buchungsportalen werden gern noch höhere Preise aufgerufen, sodass es sich mehr denn je lohnt, direkt beim Hotel nachzufragen und zu buchen. Sie wissen schon, die kräftigen Provisionen der Buchungsportale, aber was soll ein Hotelier (oder eine Apotheke, Thema Cardlink, Online-Rezeptbestellung und Co.) schon machen? Das ist allerdings ein anderes Thema.

Unsereins rechnet nach, und kommt auf ein Plus von 188 % in 19 Jahren oder im Schnitt 5,7 % pro Jahr – brutto gegen brutto gerechnet. Netto ist der Unterschied noch größer (nämlich knapp 208 % oder 6,1 % pro Jahr), denn schon ab 2010 wurde die Mehrwertsteuer für Übernachtungen auf 7 % gesenkt. Für Speisen bzw. das Frühstück galten weiterhin 19 %, das wurde erst während Corona geändert, lief wieder aus und soll nun erneut in Kraft gesetzt werden. Die Chancen dafür stehen dem Vernehmen nach gut, im Koalitionsvertrag ist es vereinbart. Kostenpunkt für den Fiskus (sprich die Allgemeinheit): geschätzt um 4 Milliarden Euro. Milliarden, die, das geben alle Beteiligten offenherzig zu, im Wesentlichen in den Taschen der Gastronomen landen werden. Eine Branche, welche bereits ihre Preise abenteuerlich erhöht, dafür die Öffnungszeiten reduziert und im Gegenzug die Zahl der Ruhetage gesteigert hat.

Gezielte Angebotsverknappung nennt man das. Da können die Apotheken noch etwas lernen, das machen übrigens Ärzte, Handwerker und Co. nicht anders. Somit haben die „Stundenleistungen“ (= Umsätze bzw. Erträge je Öffnungsstunde) nochmals erheblich stärker zugenommen. Not sieht irgendwie anders aus, selbst wenn in der Gastronomie schon lange ein Strukturwandel im Gange ist und Probleme bei der Nachwuchsgewinnung bestehen. Doch kennen wir das nicht auch?

Damit sind wir mitten im Thema: Was für die Gastronomie recht ist, sollte für die Apotheken nur billig sein. Bereits vor einiger Zeit hatten wir uns dem Thema Mehrwertsteuer im Detail gewidmet (AWA 07/2025, Seite 4 f.). Auf Basis einer Vorausschau der Umsätze für 2026 würde eine Mehrwertsteuersenkung von 19 % auf 7 % nur für das verschreibungspflichtige Rx-Segment (Umsatzvolumen angenommen 65 Mrd. € netto) etwa 7,8 Mrd. € ausmachen. Die Entlastung der apothekenpflichtigen Non-Rx-Arzneimittel, Nettoumsatz vor Ort ohne Versand geschätzt in 2026 um 5,5 Mrd. €, würde rund 660 Mio. € Einnahmeausfall bedeuten. Letzteres käme, ähnlich den Gastronomen, den Apotheken zumindest teilweise direkt zugute.

Vor allem bei den Rx-Produkten wären die Kostenträger direkt entlastet. Ein kleines Bonbon am Rande: Eine Honorarerhöhung auf 9,50 € kostet dann am Ende nicht knapp 1,1 Mrd. €, sondern noch knapp eine Milliarde, sie würde immerhin um 110 Mio. € günstiger ausfallen. Statt 7,8 Mrd. € kämen dann noch 6,8 Mrd. € bei den Kostenträgern an. Das dürfte eine Zustimmung etwas leichter machen. Natürlich ist das eine rechte Tasche-linke Tasche-Rechnung, denn am Ende werden die Kosten und Ausfälle nur anders adressiert. Was der Staat weniger einnimmt, fehlt dort eben an anderer Stelle. Zudem müssen wir hinschauen, dann Dinge wie den Kassenabschlag auf Nettobasis nachzujustieren, denn 1,77 € brutto fallen netto bei 7 % Mehrwertsteuer höher aus als bei 19 % (Differenz 0,17 €).

Dennoch gibt es so etwas wie Steuergerechtigkeit – und Anstand. Es mutet schon skurril an, dass das Feierabendbier oder das auswärtige Sonntags-Dinner niedriger besteuert werden soll als lebenswichtige Arzneimittel. Dies gilt auch im europäischen Kontext, wo unsere Mehrwertsteuerhöhe auf Arzneimittel in der klaren Minderheit ist. Somit haben wir den nächsten Auftrag an die Standesführung: Laut werden – mit bester Argumentationsgrundlage! Vielleicht können wir ja bald darauf anstoßen – zu 7 % in der örtlichen Gastronomie.

Prof. Dr. Reinhard Herzog

Apotheker

Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.