Im Kleinen wie im Großen -
Prof. Dr. Reinhard Herzog

Mal ehrlich: Haben Sie ein "Unternehmensdatenmodell", mit dem Sie
verschiedene Szenarien schnell und unkompliziert durchspielen können?
(AdobeStock_Gina Sanders)
Werden aus Wünschen Vorstellungen, aus Vorstellungen konkrete Modelle und daraus konkrete Handlungspfade, dann ist man auf dem Weg der Erkenntnis und des vernunftgetriebenen Handelns. Die Maxime „kein größeres Projekt ohne ein mathematisches Modell“ erweist sich als Blaupause klug-präventiver Arbeitsweise. Bereits daran scheitert es jedoch vielfach im Alltag. Mal ehrlich: Haben Sie ein „Unternehmensdatenmodell“ Ihrer Betriebe, sprich diese so abgebildet, dass Sie verschiedenste Szenarien hinsichtlich Einnahmen, Aufwendungen und gefolgter Lasten wie Steuern niedrigschwellig durchrechnen können, idealerweise, ohne andere damit behelligen zu müssen? Nein? Auch gut – denn wie der Kölner sagt: „Et hätt noch immer joot jejange …“ Aber selbst Kölner irren bisweilen, behalten sich aber mehrheitlich immerhin ihren Humor.
Im Großen sieht es etwas anders aus. Konzerne sind durchgehend „verdatet“ und bis auf die letzte Schraube EDV-mäßig abgebildet – sogenannte ERP-Systeme (Enterprise Resource Planning) wie SAP machen es möglich. Wenn also der Dollar um x Cent steigt oder der Ölpreis um y % fällt, die Löhne in USA um 5 % steigen oder eine Fertigungsstätte in China um soundsoviel Einheiten einknickt – all das lässt sich sofort in seinen Auswirkungen übersehen. Die künstliche Intelligenz (KI) hat auch hier Einzug gehalten und ist längst zu einem rentablen Add-on geworden.
Dem Vernehmen nach arbeitet man jedoch zumindest bei der KI für die große Masse der Menschen eifrig daran, deren Dummheit in diese KI zu transferieren. Gemäß Nietzsche reproduziert jeder in erster Linie seinen eigenen Erfahrungsschatz mitsamt seiner Limitationen. Da KI im Moment noch menschengemacht ist, gilt das also auch hier, und ob sie demzufolge je über die Gedankenwelt ihrer Schöpfer hinausragen wird, ist eine interessante (unbeantwortete) philosophische Frage. Einstweilen wird sichtbar, wie sehr die Eingrenzung nach unseren begrenzten Maßstäben funktioniert. Stellt man der KI strittige oder moralisch zweifelhafte, gleichwohl rein wissenschaftlich-nüchtern betrachtet spannende Fragen, ist immer schneller Schluss mit wirklich intelligenten Antworten.
Was ist mit unseren Kleinbetrieben? Wir haben kein „Apotheken-SAP“, welches alle Daten zusammenführt, also von der Warenwirtschaft bis hin zu all dem, was in den Steuerkanzleien und Finanzämtern aufläuft. Das ist ein echter strategischer Mangel, und es verwundert den Autor immer noch, warum nicht längst unsere etablierten Apothekensystemhäuser hier eingesprungen sind. Hier ließe sich enormer Mehrwert generieren – und womöglich manch wirtschaftliches Scheitern abwenden. Im Kleinteiligen haben wir zig durchaus pfiffige Lösungen und Apps für Dies und Das, aber der große „Adlerblick“ bleibt uns verwehrt. So müssen wir uns einstweilen mit eigenen Lösungen behelfen. Excel und nette Menschen, die Auswerteblätter dafür zur Verfügung stellen, machen es möglich, aber es ist lediglich ein der Angebotslage geschuldeter Behelf. Für SAP und Co. sind wir dann doch (noch) zu klein und zu zersplittert, aber wer weiß, was die Zukunft bringt.
Zuletzt gibt es die ganz großen Modell-Keulen, die ob ihrer Monstranz (und aufgrund ihrer Komplexität und insoweit Angreifbarkeit im Detail) Widerspruch geradezu herausfordern. Sicher am bedeutsamsten ist und bleibt das Thema der klimatischen und ökologischen Zukunft der Erde. Wie aus Modellen immer mehr Realität wird, erleben wir gerade wieder am eigenen Leib im Gefolge der Hitzewellen, die sicher nicht historisch einmalig, wohl aber statistisch soweit ungewöhnlich sind, dass sich die Vorhersagen einer sich deutlich verändernden (Klima-)Welt immer weiter erhärten und eben zunehmend spürbar werden. An dieser Stelle spaltet sich die Gesellschaft: Die einen suchen Ausflüchte, die anderen sehen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt und verfallen in panische Reaktionen. Nur wenige suchen nach pragmatischen Wegen, sowohl präventiver Art als auch im Umgang mit den Veränderungen.
So ist das mit den Modellen. Es sind wertvolle Werkzeuge, die man nicht nur zur rechten Zeit etablieren, sondern in ihrem Aussagewert zu bewerten wissen muss – mitsamt sinnhafter Handlungskonsequenzen. Das praktische Optimierungspotenzial ist offenkundig.

Prof. Dr. Reinhard Herzog
Apotheker
Apothekenexperte, Fachautor und seit 1993 Lehrbeauftragter an der FH Sigmaringen im Studiengang Pharmatechnik – und dort seit 2020 Honorarprofessor. Herausgeber und langjähriger Autor des AWA.