Burnout

Leistungsdruck bis zur Erschöpfung


Klaus Hölzel

Die Gesellschaft erwartet von den Beschäftigten im Gesundheitswesen jederzeit erreichbare Bereitschaft zur Hilfe, etwa bei Krankheit oder in der Pflege. Wie aber steht es um die Gesundheit der Menschen in Gesundheitsberufen?

Apotheker Müller hat kaum noch Zeit für seine Freunde. Die administrative Arbeit in der Apotheke „frisst“ ihn auf. Dauernde Müdigkeit, ständig das Gefühl überfordert zu sein, Konzentrationsstörungen – und das schon, bevor er mit der Arbeit begonnen hat. Nachts liegt er oft wach und überlegt, was am nächsten Tag unbedingt zu erledigen ist.

Als Herr Müller vor fünf Jahren die Apotheke übernahm, stellte er sich seine Arbeit anders vor. Ausführlich wollte er seine Kunden beraten, dem Team dabei ein Vorbild sein und so seine Apotheke als kunden­orientierte Gesundheitseinrichtung profilieren. Heute überkommt ihn öfter die Frage, ob die damalige Entscheidung wirklich richtig war. Aus der Freude am Beruf ist teilweise Frustration geworden.

In den vergangenen 20 bis 30 Jahren hat sich die Situation am Arbeitsmarkt – auch in der Apotheke – stark verändert. Die Aspekte der Globalisierung und der Wandel von Technologien, Werten und Arbeitsverhältnissen haben die Menschen vor neue Herausfor­derungen gestellt. Der ständig wachsende Leistungsdruck sorgt dafür, dass immer mehr Menschen an Burnout leiden.

Überlastungen, zu hohe persönliche Erwartungen an eige­ne Leistungen, das Nichterreichen gesteckter Ziele, ständige Frustration können einen Menschen erschöpfen. 1974 verwendete der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger erstmals den Begriff Burnout oder „Ausgebranntsein“ für eine berufsbezogene oder auch familiäre chronische Erschöpfung. Die Symptome sind dabei vielfältig und individuell unterschiedlich: Es kann zu physiologischen Beschwerden wie Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magen­problemen, aber auch zu Depressionen kommen. Typisch sind ebenfalls Schuldgefühle oder Versagensängste.

Hilfe wird abgelehnt

Ein „Ausgebrannter“ erlebt seine Umwelt im allgemeinen als nicht mehr kontrollierbar und zieht sich eher in sich zurück, ohne Hilfe von Freunden, Kollegen oder Verwandten anzunehmen. Völlig ausgelaugt, kann er sich nach getaner Arbeit nicht einmal mehr in seiner Freizeit dazu aufraffen, etwas zu unternehmen.

Das Burnout-Syndrom ist keine wirklich anerkannte Krankheit, sondern mehr eine Beschreibung für eine komplex entstandene Situation, die sich in verschiedenen Facetten zeigen kann. So unterscheidet Dr. med. Vinzenz Mansmann, langjähri­ger Anti-Stress-Experte und Buchautor von „Total erschöpft“, zehn verschiedene Formen – von depressiver Schwäche über Hormonstörungen bis zu chronischen Erkrankungen.

Eine Studie von Arbeitswissenschaftlern der Ruhr-Uni­ver­sität Bochum ergab, dass 71% von 600 befragten Betriebsinhabern angaben, ihnen fehle die Zeit, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Viele litten unter Stress, weil sie zunehmend auch außerhalb der regulären Schichten für die Kunden da sein und auf immer neue Bedürfnisse eingehen „müssten“.

Gesundheitsberufe stark anfällig

Rund vier Millionen Menschen in Deutschland arbeiten im Gesundheitswesen, weit mehr als die Hälfte von ihnen mit direktem Kontakt zu Patienten. Die Gesellschaft erwartet von ihnen jederzeit erreichbare Bereitschaft zur Hilfe bei Unfällen und Krankheit, in der Pflege, der Rehabilitation und auch in der Apotheke. Die Tätigkeit in Gesundheitsberufen birgt gesundheitliche Risiken, die – je nach Arbeitsbereich – physikalische, chemische, bio­logische und psychische Einflüsse umfassen können. Das oft körperlich und seelisch sehr anstrengende Engagement vieler Menschen in Gesundheitsberufen zeigt, dass sie sich für andere einsetzen, trotz eigener Belastungen.

Der persönliche Turnaround

Die eigentlichen Ursachen für Burnout liegen nur bedingt in äußeren Faktoren, sondern meist im Betroffenen selbst. Daher gibt es auch kein Standardrezept zum Umgang mit Belastungen, Hektik oder Druck. Die Bewältigung des Burnouts ist ein komplexer Prozess, bei dem es zunächst darum geht, eine Distanz zu der Situation zu schaffen. Da sich Burnout schleichend über einen längeren Zeitraum einstellt, brauchen Bewältigungsmaßnahmen auch ihre Zeit.

Die emotionale Erschöpfung ist ein Kernelement des Burnouts, daher beginnt der erste Schritt mit einer korrekten Selbstwahrnehmung. Hier geht es darum, die ei­genen Neigungen, Fertigkeiten, Talente und Potenziale optimal mit den Möglichkei­ten in der Praxis zu verzahnen. Die Selbsterkennung ist ein Schlüsselfaktor zur emotionalen Kompetenz – und damit zur inneren Bereitschaft und Fähigkeit, Erwartungen und Ansprüche auf ein normales Niveau zu bringen.

Die überwiegende Mehrheit der Apothekeninhaber und -mitarbeiter dürfte eher selten mit dem Zustand der totalen Erschöpfung konfrontiert sein. Geregelte Arbeitszeiten, auch für Beschäftigte in Center-Apotheken mit langen Öffnungszeiten, die Möglichkeit, die Kundenberatung gegen die Rezepturanfertigung zu tauschen oder der flexible Einsatz des Chefs können vor Burnout bewahren – müssen es aber nicht (siehe unten stehende Checkliste).

Erfolgreich delegieren

Apothekenleiter, die am liebs­ten alles selbst machen, sind meist diejenigen, die sich beklagen, wie viel sie doch zu tun hätten. Durch erfolgreiches Delegieren von Aufgaben lässt sich Verantwortung effektiv auf Mitarbeiter übertragen. Überlastun­gen können so abgewendet werden.

Apotheker Müller hat es mit Hilfe eines externen Beraters geschafft, seinen Arbeitsalltag durch erfolgrei­ches Delegieren zu entzerren. Er hat gelernt, Altes loszulassen, das eigene Anspruchs­ni­veau zu reduzieren und ein „Commitment“ mit sich selbst einzugehen. In einem Anti-Burnout-Vertrag hat er folgen­de Jahresziele mit sich vereinbart:

  • mit Präsenz, Spaß und Bewusstsein das machen, was mir wirklich entspricht,
  • Ansprüche und Erwartun­gen relativieren und
  • die eigene Gesundheit fördern.

Dipl.-Volkswirt Klaus Hölzel,

Apotheken Management-

Institut GmbH,

65375 Oestrich-Winkel

E-Mail: sekretariat@apothekenzukunft.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(01):8-8