Nebentätigkeit der Apothekenmitarbeiter

Vorrang des Hauptarbeitsverhältnisses


Jasmin Theuringer

Ein Arbeitgeber kann seinen Mitarbeitern nicht jegliche neben dem Hauptarbeitsverhältnis ausgeübte Nebentätigkeit verbieten. Allerdings muss er auch nicht alles dulden. Entscheidend sind immer die konkreten Umstände im Einzelfall.

Eine Nebentätigkeit ist jede Verwertung der Arbeitskraft außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses. Dazu gehört nicht nur der Zweitjob bei einem anderen Arbeitgeber, sondern auch eine selbstständige Erwerbstätigkeit. Selbst unentgeltliche Tätigkeiten wie die Übernahme eines Vereinsvorstands oder die Ausübung eines Ehrenamts zählen dazu.

Der Arbeitsvertrag bestimmt, in welchem Umfang der Mitarbeiter seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber schuldet. Außerhalb der darin geregelten Arbeitszeiten kann der Arbeitnehmer grundsätzlich das tun, was er möchte. Von diesem Grundsatz gibt es jedoch dann Ausnahmen, wenn durch die Ausübung einer Nebentätigkeit die berechtigten Interes­sen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden oder gegen ein Gesetz verstoßen wird.

Interessenkollision

Eine Vollzeitkraft, die nach der Arbeitszeit noch bis Mitternacht in der Gaststätte kellnert, kann nicht konzentriert am nächsten Morgen ihrer Haupttätigkeit nachgehen. Die­se Nebentätigkeit verstößt daher gegen berechtigte Interessen des Arbeitgebers. Zugleich verstößt sie gegen das Arbeitszeitgesetz, wenn bei Addition der Arbeitszeiten aus Haupt- und Nebenbeschäftigung eine tägliche Arbeitszeit von regelmäßig acht Stunden überschritten wird. Auch wenn die Mindestruhezeit von elf Stunden vor Aufnahme der Hauptbeschäftigung nicht eingehalten werden kann, ist die Nebentätigkeit unzulässig.

Während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses ist jede Ausübung einer Konkurrenztätigkeit verboten. Dies ist Ausfluss der Treuepflicht des Arbeitnehmers und gilt uneingeschränkt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag kein ausdrückliches Wettbewerbsverbot enthält. Kein Apotheker muss es daher dulden, dass seine PTA samstags in der Konkurrenzapotheke aushilft.

Eine Nebentätigkeit während des Urlaubs kann ge- gen § 8 Bundesurlaubsgesetz verstoßen. Danach ist eine (entgeltliche) Erwerbstätigkeit während des Urlaubs verboten, wenn sie dem Erholungszweck widerspricht. Dieses gesetzliche Verbot erstreckt sich jedoch nicht auf unentgeltliche Tätigkeiten wie das Ausüben eines Ehrenamts oder beispielsweise Renovierungsarbeiten, die im Rahmen einer Nachbarschaftshilfe erbracht werden, da es sich hierbei nicht um Erwerbstätigkeiten handelt. Ob eine Erwerbstätigkeit gleichzeitig Erholung verspricht, ist im Einzelfall zu beurteilen. Manch einer erholt sich, wenn er im Urlaub den Fußballverein seines Sohnes trainiert, eine Vollzeitbeschäftigung im Betrieb des Ehegatten hinge- gen widerspricht in der Regel dem Zweck des Erholungs­urlaubs.

Das Bundesurlaubsgesetz regelt nur den gesetzlichen Mindesturlaub von vier Wochen im Jahr. In Apotheken wird aber üblicherweise Urlaub auf Grundlage des Bundes­rahmentarifvertrags für Apo­thekenmitarbeiter gewährt. Dieser enthält ebenso wie das Bundesurlaubsgesetz ein Verbot der Erwerbstätigkeit während des Urlaubs, wenn dies dem Erholungszweck widerspricht. Ist der Tarifvertrag jedoch im Übrigen nicht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar, so darf der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaub auch für eine Nebentätigkeit genutzt werden, die den Arbeitnehmer ganztägig beansprucht.

Auf wenig Verständnis darf derjenige hoffen, der seiner Nebentätigkeit nachgeht und gleichzeitig seinem Hauptarbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein­reicht. Dies legt den Verdacht nahe, die Arbeitsunfähigkeit sei nur vorgetäuscht. Bevor hier aber vorschnell mit einer fristlosen Kündigung reagiert wird, ist zu prüfen, ob sich Arbeitsunfähigkeit und Nebentätigkeit tatsächlich ausschließen. So kann die Approbierte mit einem gebrochenen Fuß ihrer Tätigkeit in der Apotheke nicht nachgehen, gleich­zeitig aber z. B. zu Hause Nachhilfestunden geben. Während einer Arbeitsunfähigkeit ist alles erlaubt, was die Genesung nicht verzögert, das gilt auch für eine entgeltliche Nebentätigkeit.

Vertragliche Beschränkungen

In den meisten Arbeitsverträgen findet sich eine Klausel zur Regelung von Nebentätigkeiten. Ein absolutes Verbot jeder Nebentätigkeit ist unwirksam, denn es verstößt gegen die grundgesetzlich geschützte Berufsfreiheit des Arbeitnehmers. Nach der geltenden Rechtsprechung kann aber ein Genehmigungsvorbehalt vereinbart werden. Heißt es im Arbeitsvertrag, dass jede Nebentätigkeit der vorherigen Genehmigung des Arbeitgebers bedarf, muss der Arbeitnehmer vor Auf­nahme einer Nebentätigkeit seine Absicht dem Arbeitgeber anzeigen und um dessen Genehmigung bitten. Der Arbeitgeber darf aber nicht jede Nebentätigkeit ungeprüft verbieten. Die Genehmigung darf nur dann versagt werden, wenn die Nebentätigkeit aus den oben genannten Gründen unzulässig ist.

Möglich ist auch eine vertragliche Regelung, wonach eine Nebentätigkeit grundsätzlich erlaubt ist, der Arbeitgeber sich aber vorbehält, im Einzelfall eine Nebentätigkeit zu verbieten. Die Nebentätigkeit ist dann anzuzeigen und darf auch ohne ausdrückliche Genehmigung ausgeübt werden, solange der Arbeitgeber diese nicht aus berechtigtem Interesse verbietet.

Ebenfalls zulässig sind Klauseln, wonach der Arbeitnehmer die Ausübung jeder weiteren Beschäftigung dem Arbeitgeber anzeigen muss. So hat der Arbeitgeber z. B. ein berechtigtes Interesse daran zu wissen, ob die bei ihm als 400-€-Kräfte beschäftigten Mitarbeiter noch weitere Tätigkeiten ausüben.

Wird eine weitere gering­fügige Beschäftigung ausgeübt, werden dadurch meist keine Arbeitszeitgrenzen überschritten. Es werden jedoch beide Beschäftigungsverhältnisse voll sozialversicherungspflichtig. Dies ist zwar kein Grund, die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung zu versagen. Der Arbeitnehmer ist aber verpflichtet, die Aufnahme der weiteren Tätigkeit dem Arbeitgeber anzuzeigen, damit dieser die Sozialversicherungspflicht beachten kann. Unterbleibt die Anzeige der zweiten Beschäftigung, kann dies Schadens­ersatzansprüche des Arbeitgebers nach sich ziehen, wenn dieser wegen einer unrichtigen Abrechnung von den Sozialversicherungsträgern in Anspruch genommen wird.

Konsequenzen einer unzulässigen Nebenbeschäftigung

Die Ausübung einer unzulässigen Nebenbeschäftigung kann eine Abmahnung oder sogar eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen. Eine Abmahnung dürfte im Einzelfall gerechtfertigt sein, wenn durch eine Nebentätigkeit z. B. Arbeitszeitgrenzen überschrit­ten werden oder wenn eine an sich zulässige Nebentätigkeit nicht angezeigt worden ist. Eine verhaltensbedingte Kündigung kann – meist nur nach vorangegangener Abmahnung – dann gerechtfertigt sein, wenn eine unzulässige Nebentätigkeit nicht aufgegeben wird. Eine fristlose Kündigung kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, so bei der Ausübung einer Neben­tätigkeit während einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Hier ist aber nicht die Aus­übung der Nebentätigkeit der Grund für die Kündigung, sondern der mit der Vortäuschung einer Krankheit verbundene Vertrauensbruch.

Fazit: Eine Nebentätigkeit kann nur dann untersagt werden, wenn sie gegen berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder gegen Gesetze verstößt. Hält der Arbeitnehmer sich nicht an ein Verbot, riskiert er damit eine Abmahnung oder sogar den Verlust seines Arbeitsverhältnisses.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(01):10-10