Apothekenrecht

2008 – das Jahr der juristischen Weichenstellungen


Dr. Bettina Mecking

Der Ausblick zum Jahresbeginn fällt insbesondere auf zwei gerichtliche Schau­plätze – auf den Europäischen Gerichtshof in Sachen Fremdbesitz und auf das Bundesverwaltungsgericht wegen des Bestell- und Lieferservices für Arzneimittel in dm-Drogeriemärkten.

Die aktuell sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene anstehenden wichtigen Richtungsentscheidungen betreffen systemtragende Regelungen des Apothekenrechts. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wird voraussichtlich Ende des Jahres klarstellen, ob das Verbot der gewinn­orientierten Einflussnahme Dritter auf die unabhängige heilberufliche Tätigkeit des Inhabers einer deutschen Apotheke mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist.

Keine umfassende Harmonisierungs­kompetenz der EU

Der Kampf um die Aufrecht­erhaltung des Fremdbesitzverbots ist keineswegs verloren. Schließlich hat der EuGH nur selten nationale Regelungen für unvereinbar mit den Grundfreiheiten erklärt, wenn diese in der Mehrheit der Mitgliedstaaten gelten. Laut einer Abfrage der Pharmaceutical Group of the European Union, Stand Oktober 2007, bestehen Fremdbesitzverbote an Apotheken in 15 von 27 EU-Mitgliedstaaten, hingegen haben nur sechs Länder eine Kombination aus erlaubtem Fremdbesitz und Niederlassungsfreiheit.

Zudem siedelt Artikel 152 Absatz 5 EG-Vertrag die alleinige Verantwortung für die Gesundheitspolitik sowie die Organisation des Gesundheitswesens bei den Mitgliedstaaten an. Dies eröffnet einen weiten nationalen Spielraum bei der Wahl des geeigneten Mittels zur Erhaltung der Funk­tionsfähigkeit und finanziellen Stabilität des jeweiligen Gesundheitssystems. Die eigenverantwortliche, von kurzfristigen Gewinninteressen Dritter freie heilberufliche Tätigkeit des Apothekers bietet die höchste Gewähr dafür, dass der Verbraucher präventiv vor den Gefahren einer Kommerzialisierung im Gesundheitswesen geschützt wird.

Die Frage, ob es denkbar wäre, als milderes Mittel Beteiligungsverbote bestimmter Akteure des Gesundheitswesens vorzusehen oder die Inhaberschaft an Apotheken auf juristische Personen, an denen Apotheker die Mehrheit der Anteile halten, zu beschränken, steht derzeit im Rahmen des ebenfalls beim EuGH anhängigen Vertragsverletzungs­verfahrens der Europäischen Kommission gegen Italien auf dem europarechtlichen Prüfstand. Jedoch dürften hier Probleme hinsichtlich der Transparenz bei finanziellen Beteiligungen auf der Hand liegen.

Selbst interessierten Kreisen ist bewusst, dass es bei einer Freigabe des Fremdbesitz­verbots zu einem verschärften Verdrängungswettbewerb durch übermächtige Kapitalgesellschaften kommen wird. Bemerkenswert ist, dass die­jenigen, die das Fremdbesitzverbot als Sonderrecht für Apothekerinnen und Apotheker abschaffen wollen, hier ihre Argumentationsschiene verlassen und zum eigenen Nutzen das hohe Lied der im Fall erlaubten Fremdbesitzes neu einzufügenden Sonderrechte, nämlich der Wiedereinführung von Niederlassungsbeschränkungen aufgrund geographischer oder demographischer Kriterien, singen. Allerdings dürfte feststehen, dass das Bundesverfassungsgericht dies wegen des Verstoßes gegen Artikel 12 Grundgesetz nicht dulden würde.

Umstrittene neue „Geschäftsideen“

Über die weitere bedeutsame Frage, nämlich ob ein Bestell- und Lieferservice für Arzneimittel in dm-Drogeriemärkten in Zusammenarbeit mit einer niederländischen Versand­apotheke mit dem Apothekenrecht zu vereinbaren ist, wird das Bundesverwaltungsgericht im Jahresverlauf entscheiden. Erfreulicherweise ist nach der Zulassung der Revision in diesem Verfahren aus rechtlicher Sicht wieder alles offen. Mit deutlichen Worten haben die höchsten Verwaltungsrichter Klärungsbedarf hinsichtlich der Aus­legung des Begriffs des „Versandes an Endverbraucher“ in § 73 Absatz1 Nr.1a Arzneimittelgesetz (AMG) formuliert.

Letztlich geht es hierbei jedoch nur um eine von vielen Geschäfts­ideen, die als Folge der Einführung des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zutage getreten ist. Weitere Ideen reichen von Arznei-Ausgabe­automaten bis zur Schaffung beliebiger sonstiger Arzneimittelübergabestellen. Allen Ansätzen gemein ist, dass sie sich auf die vergleichsweise geringen Anforderungen an die Arzneimittelsicherheit beim Arzneimittel-Versandhandel berufen und vor diesem Hintergrund Strukturelemente der Arzneimittelversorgung infrage stellen.

Dieser Mechanismus muss durchbrochen werden. Denn es kann nicht sein, dass ständig neue Ideen Sorgen in der Apothekerschaft verbreiten. So müssen etwa die Aufsichtsbehörden den Betreibern eines Mitte November 2007 am Münchner S-Bahnhof Isartor eröffneten Apotheken- Kiosks klarmachen, dass es sich bei der Sammlung und Abwicklung von Rezepten an dieser Stelle nicht um eine von den apothekenrechtlichen Vorgaben umfassten Form der Versandtätigkeit handelt.

In Sachsen-Anhalt wurde laut über die Zulassung „mobiler Apotheken“ nachgedacht, um die Arzneimittelversorgung in dünn besiedelten Gebieten sicherzustellen. Wie solche fahrbaren Verkaufsräume, in denen apothekenpflichtige Arzneimittel ausgegeben werden, mit den geltenden Vor­gaben in der Apothekenbetriebsordnung (ApoBetrO) in Einklang gebracht werden sollen, bleibt ungeklärt.

Ein anderer Apotheker wurde in die Schranken verwiesen, da er entgegen dem in § 52 AMG und § 17 Absatz 3 ApoBetrO verankerten Verbot beharrlich OTC-Arzneimittel in der Selbstbedienung angeboten hatte. Der Apotheker fühlte sich angesichts der Zulassung des Arzneiversandhandels nicht mehr an das Selbstbedienungsverbot gebunden.

Das Landgericht Magdeburg hat mit Urteil vom 5. Dezember 2007 (Aktenzeichen 36 O 179/07) einem Apotheker in einem wettbewerbsrechtli­chen Verfahren untersagt, unter Umgehung von § 24 Apo­BetrO eine Rezeptsammel­stelle in einem Lotto-Shop zu betreiben. Der Apotheker war der Ansicht, angesichts der Zulassung des Versandhandels könne für eine Rezeptsammelstelle keine Genehmigung mehr verlangt werden, da nicht mehr von dem typi­schen Leitbild eines Präsenz­apothekers auszugehen sei.

Im Rahmen solcher Abwehrgefechte kann für die berufspolitischen Aufgabenstellungen lediglich ein temporärer Aufschub gewonnen werden. Auch gesetzgeberische Maßnahmen, die sich nur auf diese Auswüchse konzentrieren, reichen nicht. Es bedarf einer grundsätzlichen Klärung, denn die Apothekerinnen und Apotheker brauchen eine zuverlässige ordnungsrechtliche Absicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz.

Ausblick

Die Initiative des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Laumann will mit einer Wiedereinführung des Versandhandelsverbots für verschreibungspflichtige Arzneimittel den geschilderten Liberalisierungstendenzen Einhalt gebieten. Eine einmal geöffnete Tür lässt sich zwar sicher nicht ohne Weiteres schließen, aber nur auf diese Weise können die Apotheken die ihnen zugedachte Funktion an der wichtigen Schnittstelle zum Patienten erhalten. Auch die anstehende Novellierung der Apothekenbetriebsordnung muss diese Funktionalität der Apotheke stärken und ein deutliches Zeichen für die Beibehaltung der Apothekenpflicht bei OTC-Arzneimitteln setzen.

Dr. Bettina Mecking, Rechtsanwältin, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, 40213 Düsseldorf, E-Mail: mailto:bmecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(02):11-11