Steuer-Spartipp

Außergewöhnliche Belastung: Aktuelle Rechtsprechung


Helmut Lehr

Besondere Ausgaben können Steuerpflichtige als außer­gewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen. Dazu gehören typischerweise Krank­heitskosten, sofern die Aufwendungen medizinisch notwendig sind. Die Frage, wann im Einzelfall außergewöhnliche Belastungen vor­liegen, lässt sich vielfach jedoch nicht problemlos be­antworten. Vor diesem Hintergrund werden nachfolgend einzelne aktuelle Entscheidungen der Gerichte zur steuerlichen Abzugsfähig­keit außergewöhnlicher Belastungen dargestellt, die für Steuerpflichtige mitunter von großer Bedeutung sein können.

Abmagerungskur wegen Adipositas

In einem nicht amtlich ver­öffentlichten Beschluss vom 29. Mai 2007 1) hat der Bundesfinanzhof nochmals ganz ausdrücklich Folgendes klargestellt: Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme, die nicht stets und eindeutig allein der Linderung oder Heilung einer Krankheit dient, muss ein vor Behandlungs­beginn ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest vorgelegt werden. Aus diesem muss sich eindeutig ergeben, dass der Steuerpflichtige krank und die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung medizinisch indiziert ist 2) .

Hinweis: Die Klägerin litt unter hochgradiger Adipositas und hatte in speziellen The­rapiezentren an einem so genannten Optifast-Programm teilgenommen. Weil die ärztlichen Atteste im Streitfall erst nachträglich ausgestellt wurden, scheiterte die Klage. Übrigens: Aufwendungen für reine Diätverpflegung sind generell nicht abzugsfähig – auch dann nicht, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise an Zöliakie erkrankt ist.

Allergieauslösende Bäume

Das Finanzgericht Düsseldorf hatte bereits mit Urteil vom 2. März 2006 3) entschieden, dass die Kosten für das Fällen von allergieauslösenden Bäumen außergewöhnliche Be­lastungen sein können. Das Finanzamt hatte die Auf­wendungen im Streitfall nicht berücksichtigt, weil der Steuerpflichtige kein amtsärztliches Attest vorlegen konnte, das vor der Baumfällaktion ausgestellt worden war. Der Bundesfinanzhof hat die Entscheidung des Finanzgerichts mittler­weile bestätigt 4) .

Hinweis: Entscheidend war ganz offenbar, dass zumindest ein klarer ärztlicher Befund bereits vorlag, bevor die Bäume gefällt wurden. Grundsätzlich gilt aber, wie oben dargelegt, dass die Kosten vor Verausgabung als me­dizinisch notwendig eingestuft werden müssen. Kann ein (amts-)ärztliches Attest in vergleichbaren Fällen nicht rechtzeitig besorgt werden, sollten zumindest vorherige objektive Befunde vorliegen, die nachträglich noch geprüft werden können.

Künstliche Befruchtung

Der Bundesfinanzhof hat jetzt erstmals die Aufwendungen einer nicht verheirateten emp­fängnisunfähigen Frau für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung anerkannt 5) . Bislang wurden entsprechende Klagen von den obersten Steuerrichtern zurückgewiesen, weil sich nur eine verheiratete emp­fängnisunfähige Frau in einer entspre­chenden Zwangslage befände und das Wohl des Kindes in einer Ehe besser gewährleistet wäre als in einer nicht ehelichen Beziehung. Diese „althergebrachte“ Recht­sprechung wurde nun aufgegeben.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof machte allerdings eine sehr wichtige Einschränkung, die in der Praxis zu beachten ist. Der Abzug als außergewöhnliche Belastung setzt voraus, dass die Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin mit den Richtlinien der von den Landesärztekammern erlassenen Berufsordnungen für Ärzte in Einklang stehen. Nach den derzeit geltenden Richt­linien genügt es offenbar, dass der behandelnde Arzt der Meinung ist, die Frau lebe mit einem Mann in einer festen Partnerschaft und dieser Mann werde die Vaterschaft anerkennen. Grundsätzlich darf aber nur der Samen des Partners verwendet werden.

Detektivkosten bei Unterhalts­abänderungsprozess

Wenn ein geschiedener Ehemann einen Detektiv einschaltet um herauszufinden, ob seine frühere Frau eine neue Beziehung eingegangen ist, sind die Aufwendungen hierfür laut Finanzgericht Rheinland-Pfalz nicht abzugsfähig 6) . Im Streitfall wollte der Ehemann eine Unterhaltsabänderungsklage anstreben. Er vertrat die Auffassung, dass die Detektivkosten als Scheidungsfolgekosten abzugsfähig sein müssten. Die Finanzrichter stellten hingegen klar, dass es sich hierbei um eine völlig andere Angelegenheit handelt, die außerhalb des Scheidungsverfahrens geregelt werden könnte.

Hinweis: Der Bundesfinanzhof berücksichtigt die Kosten für die Einschaltung eines Detektivs in Scheidungsverfahren nur in ganz wenigen Ausnahmefällen, z. B. wenn ein konkreter Anlass befürchten lässt, dass eine Partei ihren rechtlich begründeten Standpunkt mit den üblichen Mitteln der Beweisaufnahme nicht durchsetzen kann.

Wassereintritt beim Neubau

Wer beim Bau seines Hauses auf eine unterirdische Quelle trifft und diese nicht mit baulichen Maßnahmen „absperren“ kann, bleibt auf den Kosten für die Anschaffung von Wasserpumpen sitzen. So entschied zumindest das Finanzgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 9. Oktober 2007 7) .

Hinweis: Die Richter betonten, dass zahlreiche Steuerpflich­tige besondere Bauvorkehrungen treffen müssten, wenn sie in Gebieten mit proble­matischem Baugrund bauen. Entschließt sich der Bauherr dennoch für den Bau und nimmt er die höheren Kosten damit in Kauf, sei dies nicht außergewöhnlich.

1) Aktenzeichen III B 37/06.

2) Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Juni 2007, Aktenzeichen III R 48/04.

3) Vgl. AWA -Ausgabe Nr. 11 vom 1. Juni 2006, Steuer-Spartipp Nr. 2, Seite 19.

4) Urteil vom 15. März 2007, Aktenzeichen III R 28/06.

5) Urteil vom 10. Mai 2007, Akten­zeichen III R 47/05.

6) Urteil vom 28. August 2007, Aktenzeichen 3 K 1062/04.

7) Aktenzeichen 3 K 2646/05.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(02):18-18