Arzneimittelkriminalität

Drei Fragen an Heike Sürmann


Claudia Mittmeyer

Heike Sürmann ist Mitarbeiterin des Bundeskriminalamts und Autorin der Publikation „Arzneimittelkriminalität – ein Wachstumsmarkt?“.

?Welches Gefährdungspotenzial geht derzeit vom Handel mit gefälschten Arzneimitteln für die Verbraucher aus?

Um diese Frage korrekt zu beantworten, muss eine Differenzierung zwischen dem legalen Arzneimittelhandel und den illegalen Bezugsmöglichkeiten vorgenommen werden. Des Weiteren ist zu unter­scheiden zwischen „normalen“ Arzneimitteln und Mitteln zur Leistungssteigerung im Sport, also Dopingsubstanzen. Letztere dürften, so eine aktuelle Publikation, bei Einnahme möglicherweise weitreichen­de Organschädigungen nach sich ziehen.

Der legale Arzneimittelhandel, sowohl über Präsenzapotheken als auch über zugelassene Internetapotheken, ist in Deutschland aufgrund des engen Sicherheitsnetzes als relativ sicher zu bezeichnen. Experten sprechen hier von einem Anteil an gefälschten Arzneimitteln von weniger als 1 %. Auf dem illegalen Markt dürfte jedoch von einer anderen Situation auszugehen sein. Zum illegalen Markt sind beispielsweise der Straßenhandel sowohl im In- als auch im Ausland (beispielsweise an Urlaubsorten) sowie illegale Internetanbieter zu zählen. Bei Letzteren ist es für den Kunden – wenn der Internetauftritt ähnlich dem einer legal arbeitenden Internetapotheke gestaltet wurde – teilweise schwer zu unterscheiden, ob es sich um einen legalen oder illegalen Anbieter handelt. Daraus folgt, dass bei einem sensiblen Bezug über legale Anbieter nach den uns vorliegenden Informationen derzeit für den Verbraucher nur ein sehr geringes Risiko besteht, gefälschte Arzneimittel zu erhalten.

?Welche Rolle spielt hierbei der Arzneimittel-Versandhandel?

Das Internet nimmt eine spezifische Rolle in dem Zusammenhang ein – was auch darauf zurückzuführen ist, dass das Internet insgesamt ein schwer zu kontrollierender Raum ist. Jedoch muss darauf hingewiesen werden, dass von den zugelassenen, das heißt legal arbeitenden Internet-Apotheken generell kein Anstieg von Arzneimittelfälschun­gen zu erwarten ist. Die Internet-Apotheken in der legalen Verteilerkette sind grundsätzlich genauso sicher wie die physisch existenten Apotheken (Offizinapotheken).

Unabhängig von dem legalen Handel über Internet-Apotheken existiert aber ein illegaler Handel durch nicht autorisierte Personen im World Wide Web. Diese unseriösen Angebote von den seriösen zu unterscheiden, ist – wie bereits angeführt – teilweise schwierig. Im Rahmen der Studie „Arzneimittelkriminalität – ein Wachstumsmarkt?“ des Bundeskriminalamts, in die Informationen aus Strafverfolgung, Zoll, Pharmaindustrie, Universitäten, Behörden und Ver­bänden eingeflossen sind, wurde deutlich, dass der il­legale Handel mittels Internet seit der Öffnung des Versandhandels für Arzneimittel zugenommen hat. Die in diesem Kontext am häufigsten begangenen Delikte stehen im Zusammenhang mit der Herstellung und dem Inverkehrbringen von Anabolika und Dopingmitteln sowie von in Deutschland nicht zugelassenen Arzneimitteln.

?Wie kann aus Ihrer Sicht der Arzneimittelkriminalität wirkungsvoll begegnet werden?

Wirkungsvoll kann der Arzneimittelkriminalität nur im Rahmen eines gesamtgesellschaftlichen interdisziplinären Ansatzes begegnet werden – insofern stellen Maßnahmen der Strafverfolgung nur ein Instrument bei der Bekämpfung der Arzneimittelkriminalität dar, dessen generalpräventive Wirkung allerdings nicht unterschätzt werden sollte. Aus dem Grund wurden auch im Rahmen der Studie „Arzneimittelkriminalität – ein Wachstumsmarkt?“ zu den Themen Lage, Recht, Repression, Prävention, Kooperation und Spezialisierung zur Sen­sibilisierung aller tangierten Institutionen des öffentlichen und privaten Bereichs Handlungsempfehlungen mit dem Ziel des frühzeitigen Erkennens von Tendenzen, zur Aufhellung des Dunkelfeldes sowie zur Reduzierung der Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz formuliert.

Unabhängig davon erscheint mir persönlich die Aufklärung der Bevölkerung im Hinblick auf vertrauenswürdige Anbieter und Sicherheitsmerkmale von Arznei­mitteln und Umverpackungen ganz wesentlich. Aus meiner Sicht ist die Reichweite der wirksamsten Anstrengungen begrenzt, wenn der Verbraucher zu arglos mit dem Thema umgeht und beispielsweise auf Urlaubsreisen im Ausland anhand persönlicher „Medikamenten-Einkaufslisten“ auf fragwürdige Angebote eingeht, ohne sich des immanenten Risikos bewusst zu sein.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(02):3-3