Die Apotheker vor neuen Herausforderungen

Drei Fragen an Heinz-Günter Wolf


Claudia Mittmeyer

Heinz-Günter Wolf ist Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Vorsitzender des Landesapothekerverbandes Niedersachsen und Inhaber der Rathaus-Apotheke in Hemmoor.

?Welche Erwartungen kön­nen die Apothekerinnen und Apotheker an den be­vorstehenden Deutschen Apothekertag in München haben?

Der Deutsche Apothekertag ist jedes Jahr eine Standort­bestimmung. Man schaut zurück, was man erreicht hat, und blickt nach vorne, was noch getan werden muss. So haben uns die Rabattverträge, der Versandhandel sowie das Fremd- und Mehrbesitzverbot in den vergangenen Monaten beschäftigt – und werden es weiterhin tun. Das spiegelt sich auch in den Anträgen der ABDA-Mitgliedsorganisationen wider. Die Diskussionen dar­über werden sich in der Plenarsitzung fortsetzen und hoffentlich mit klaren Abstimmungsergebnissen enden. Die Arbeitskreise beziehen sich dagegen auf den langfristiger ausgerichteten, aber mindestens ebenso wichtigen Gesichtspunkt der Arzneimittelversorgung. So ergeben sich zahlreiche Herausforderungen für die Apotheker, die durch die demographische Entwicklung bedingt sind und gelöst werden müssen. Auch wird es um die Frage gehen, inwieweit Apotheken als Teil des Gesundheitswesens in unterschiedlichen Staaten eine unabhängige Beratung und einen präventiven Verbraucherschutz leisten können.

Insgesamt bietet der Deutsche Apothekertag natürlich eine sehr gute Möglichkeit für Apothekerinnen und Apotheker, mit anderen Pharmazeuten und Gesundheitsexperten ins Gespräch zu kommen. Dass wir nicht immer alle einer Meinung sind, ist ein erträglicher Nebeneffekt, der jedoch dazu führen sollte, uns standespolitisch voranzubringen. Letztlich müssen wir uns bewusst sein, dass wir Apotheker als Heilberufler immer auch Verbraucherschützer sind.

?Wie bewerten Sie die neue Ausschreibung des AOK-Bundesverbandes über Rabattverträge für die Jahre 2009 und 2010?

Die Apotheken haben die Rabattverträge seit ihrer „Scharfschaltung“ am 1. April 2007 nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt. Leider haben sich jedoch viele Befürchtungen in den ersten Monaten bewahrheitet. So gab es erhebliche Lieferengpässe mancher kleiner Hersteller, die offenbar große Probleme damit hatten, ihre Produktion einem höheren Bedarf anzupassen. Später führten Klagen und Gerichtsurteile dazu, dass die AOK nur einen Bruchteil ihrer für 2008 geplanten Rabattverträge tatsächlich abschließen konnte.

Die neue Ausschreibung für 2009 und 2010 soll in den kommenden Wochen zu Ende geführt werden. Bei 64 Wirkstoffen und einem jährlichen Umsatzvolumen von 2,3 Mrd. € muss man von einer erheblichen Dynamik im Pharmamarkt ausgehen. Doch selbst wenn die europaweite Ausschreibung mit fünf Gebietslosen ohne allzu große juristische Probleme das Licht der Welt erblickt, sind die Forderungen der Apotheker damit keineswegs erfüllt: Patienten und Apotheker müssen unserer Ansicht nach rechtzeitig über die Neuregelungen informiert werden. Beim Über­gang von einem zum anderen Rabattvertrag braucht es sinnvolle Übergangsfristen. Die erzielten Einsparungen müssen transparent gemacht werden. Letztlich sind es schließlich die Patienten, die über den Erfolg der Rabattverträge entscheiden. Ihre Therapietreue muss gewährleistet sein.

?Wie können sich die Apotheken im Vorfeld des Urteils des Europäischen Gerichtshofs zum Fremd- und Mehrbesitzverbot positionieren?

Die mündliche Verhandlung vor dem EuGH am 3. Sep­tember in Luxemburg wurde zwar von den Medien aufmerksam beobachtet und zuweilen scharf kommentiert, hat jedoch keine wirklich neuen Argumente in die öffentliche Diskussion gebracht. Nun bleibt abzuwarten, wie der Generalanwalt sich positioniert und ob das Gericht seinem Plädoyer letztlich folgen wird. Ich bleibe bei meiner Meinung, dass man eine wohlüberlegte und sensible Entscheidung der höchsten Richter Europas erwarten darf. Schließlich ist es unbestritten, dass die Arzneimittelversorgung kein wirklicher Markt ist, weil sie unter Verbraucherschutzaspekten streng reguliert sein muss. Auch wissen die Richter, dass die EU-Verträge von Anfang an das Gesundheitswesen in nationaler Kompetenz belassen und somit den Binnenmarktprinzipien entzogen haben. Die Apotheken positionieren sich jedoch keineswegs nur durch juristische Argumente, sondern vor allem im Alltag in der Offizin. Bei vier Millionen Kunden pro Tag ist eine patientenindividuelle und kon­zern­unabhängige Beratung das beste Argument für das Fremd- und Mehrbesitzverbot, das man sich vorstellen kann. Oder welcher Patient möchte in einer Kettenapotheke nach Schema F mit denjenigen Medikamenten versorgt werden, die die Konzernzentrale für wirksam befunden hat?

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(18):3-3