Versandhandel und Pick-up-Stationen

Drei Fragen an Annette Widmann-Mauz


Dr. Christine Ahlheim

Annette Widmann-Mauz, Mitglied des Deutschen Bundestages, ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Gesundheit sowie gesundheits­politi­sche Sprecherin der CDU/CSU- Bundestagsfraktion.

? Warum wollen Sie am Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten festhalten?

Der Versandhandel von Arzneimitteln wurde 2004 im Rahmen des GKV-Moderni­sierungsgesetzes (GMG) in Deutschland eingeführt. Die Ermöglichung des Versandhandels trägt geänderten Verbraucherinteressen auch im Gesundheitswesen Rechnung. Sein Marktanteil beträgt bisher zirka 1%. Dabei wird der Versandhandel sowohl von zirka 1.500 Präsenzapotheken in Deutschland als auch von ausländischen Apotheken durchgeführt und muss ein gesetzlich vorgeschriebenes Höchstmaß an Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit erfüllen.

Ein Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln hätte auf die in der Presse immer wieder zitierten Arzneimittelfälschungen oder auf unreflektierten Arzneimittelkonsum keine durchschlagende Wirkung. Bei entsprechenden Arzneimittelfälschungen handelt es sich in der Regel um Importe aus Drittstaaten, die für dieses Verfahren nicht zugelassen sind. Gefahren durch unsachgemäßen und übermäßigen Konsum sind überwiegend bei rezeptfreien OTC-Präparaten zu beobachten. Die­se vom Versandhandel auszuschließen, widerspräche aber den Vorgaben der EU.

Zudem führen die meisten Versandapotheken ein Güte­siegel, das vom Bundesverband Deutscher Versandapotheker vergeben wird. Hierdurch erhalten die Versicherten die Sicherheit, dass es sich um Apotheken handelt, die dem Standard einer Präsenz­apotheke entsprechen.

? Wie stehen Sie zu den Pick-up-Stellen für Arz­neimittel in Drogeriemärkten und sehen Sie Möglichkeiten, diese zu verbieten?

Diese Variation des Versandhandels war zum Zeitpunkt der Gesetzgebung nicht vorgesehen und auch nicht absehbar. Arzneimittel sind keine beliebigen Konsumgüter und dürfen ihnen auch nicht gleichgestellt werden. Pick-up-Stellen drohen, den Gebrauch verschreibungspflichtiger Arzneimittel in den Augen der Verbraucher zu verharmlosen. Auch die immer stärker stattfindende Werbung mit Niedrigpreisen kann die Verbraucher verleiten, mehr Arzneimittel als nötig zu verwenden. Beides könnte den Arzneimittelmissbrauch för­dern. Zudem wird die aus Verbraucherschutzgründen notwendige Beratung durch Apotheker geschwächt.

Zuletzt entschied das Bundesverwaltungsgericht, dass aufgrund der generellen Zulassung des Versandhandels mit allen apothekenpflichtigen Arzneimitteln die Abgabe über so­genannte Pick-up-Stationen rechtlich nicht zu be­anstanden sei. Das Urteil wirft allerdings wichtige Fragen auf: Während die Präsenzapotheken an die umfassenden Anforderungen der Apothekenbetriebsordnung gebunden sind, soll diese offenbar für Pick-up-Statio­nen nicht gelten. Dies stellt aus meiner Sicht eine ungerechtfertigte verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Präsenz­apotheken dar.

? Mit welchen Maßnahmen will die Union die Existenz der inhaberge­führten Apotheke langfristig sichern?

Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist es vor dem Hintergrund der genannten Probleme, die Arzneimittelabgabe über Pick-up-Sta­tionen einzudämmen, den Versandhandel in der klas­sischen Form des Direktversandes an den Endverbraucher unter den strengen gesetzlichen Regeln aber weiter zu ermöglichen. Erste Vorstöße für ein Verbot von Rezeptsammelstationen wurden bereits von den Ländern Bayern und Sachsen im Bundesrat angekündigt. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion prüft gegenwärtig, wie der Entwicklung, die Geltung der Apo­thekenbetriebsordnung unter Verweis auf die Versandhandelsvorschriften zu umgehen, rechtlich Einhalt geboten werden kann, als auch welche Maßnahmen dazu gesetzgeberisch geeignet und erforderlich sind. Für uns besteht kein Anlass, die Eigenver- antwortung und Selbstständigkeit der Apotheken zu lockern. Die ausstehende Rechtsprechung des EuGH zum Fremdbesitzverbot bleibt abzuwarten. Inwieweit nach dem Urteilsspruch überhaupt politischer Handlungsbedarf entsteht oder bestehende Rahmenbedingungen neu justiert werden müssen, lässt sich derzeit nicht absehen. Wir werden dem jedenfalls nicht vorgreifen.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2008; 33(19):3-3