Prof. Dr. Reinhard Herzog
Die Insolvenz von Lehman Brothers, aber auch die Schieflagen anderer Banken sorgten 2008 für erhebliche Turbulenzen am deutschen Rentenmarkt: Während die Renditesätze der als sicher geltenden und deshalb besonders gefragten Staatsanleihen im Herbst 2008 von durchschnittlich 4,5% auf nur noch rund 3,0% zum Jahreswechsel einbrachen, kletterten die Renditen von Bankschuldverschreibungen und – im besonderen Maß – Unternehmensanleihen oft in den zweistelligen Bereich. Mehr als 15% brachten z.B. Papiere des EADS-Konzerns, TUI-Titel wurden sogar mit Renditesätzen von über 20% p.a. gehandelt. Zu groß war die Furcht vor Ausfällen, als dass sich sicherheitsorientierte Rentenfans hier noch engagieren wollten. Trotz dieser Renditen galten viele Titel im Frühjahr 2009 als nicht mehr handelbar. Weiterhin groß war aber die Nachfrage nach Staatsanleihen, die ihrem Ruf als „sicherem Hafen“ wieder einmal gerecht wurden.
Ab Jahresmitte 2009 entspannte sich die Lage jedoch wieder deutlich. Ausschlaggebend waren hierfür zum einen die ersten Belebungstendenzen an der Konjunkturfront, zum anderen aber auch die nach wie vor enorme Liquidität durch staatliche Förderungsmaßnahmen. Als Folge näherten sich die Renditen von Unternehmensanleihen und Staatspapieren wieder deutlich an und heute liegt der „Spread“ – also die Differenz dieser beiden Sätze – in einem Bereich zwischen 0,75 und 1,5%-Punkten. Lediglich riskante Anleihen von Unternehmen, die sich in wirtschaftlicher Schieflage befinden, bringen noch nennenswerte Aufschläge. Mutige Anleger, die unserem Rat in der AWA -Ausgabe vom 15. Januar 2009 folgten und selektiv Unternehmenspapiere kauften, können sich jetzt freuen. Der Renditerückgang führte zu einem starken Kursanstieg und mit manchen Papieren konnten Investoren binnen weniger Monate Kursgewinne von mehr als 50% einfahren.
Normalisierte Zinsstrukturkurve
Normalisiert hat sich allerdings nicht nur die Differenz zwischen problemlosen und risikoreicheren Papieren, sondern auch zwischen unterschiedlichen Laufzeiten: Mitte 2008 lagen die Renditesätze für Anleihen erstklassiger Bonität nahezu einheitlich bei rund 4,5% – ob es sich nun um Kurzläufer oder Papiere mit mehr als 15 Jahren Restlaufzeit handelte. Inzwischen bietet der Rentenmarkt wieder eine „gesunde“ Differenzierung: Kurzläufer erster Adressen liegen bei durchschnittlich 2,0% Rendite, mit Titeln aus dem Laufzeitbereich zwischen vier und acht Jahren lassen sich 2,8% erzielen und Langläufer werfen um die 4,1% ab.
Nullsummenspiel
Das Problem dabei: Renditen von durchschnittlich 3,0% garantieren zwar aktuell selbst nach Abzug der Abgeltungssteuer zumindest den Werterhalt, sind aber kaum attraktiv genug, um damit ein angemessenes Vermögen aufzubauen. Sollte gar die Inflationsrate – wie von vielen Experten befürchtet – in den kommenden Jahren wieder anziehen, könnte die Geldanlage zum „Nullsummenspiel“ werden.
Die Kernfrage gilt daher jetzt der weiteren Entwicklung. Aus konjunktureller Sicht ist davon auszugehen, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen vorerst niedrig halten wird. Ein leichter Anstieg ab dem zweiten Quartal 2010 ist zwar nicht auszuschließen, bis zu den 2008 bezahlten Renditen ist jedoch noch ein weiter Weg. Zum gleichen Schluss kommt die Charttechnik, also die grafische Untersuchung der Zinskurven der vergangenen Jahre.
Mit deutlich höheren Renditen ist erst wieder zu rechnen, wenn sich die konjunkturelle Lage soweit erholt hat, dass die Wirtschaftskrise für „beendet“ erklärt werden kann. Zinssteigernd dürfte sich dabei zum einen die Rückführung staatlicher Fördermittel und die damit verbundene Einschränkung der Liquidität auswirken, zum anderen aber auch der prognostizierte Anstieg der Inflationsrate. Analysten erwarten eine solche Entwicklung jedoch frühestens im zweiten Halbjahr 2010, möglicherweise sogar erst 2011. Und auch dies erscheint noch keineswegs sicher: Manche Experten stufen die aktuellen Erholungstendenzen an der Konjunkturfront lediglich als „Intermezzo“ in einem nachhaltigen Abwärtstrend ein, selbst eine Deflation wird für die kommenden Jahre nicht ausgeschlossen. In diesem Fall dürften die Zinsen auf dem ak-tuell niedrigen Niveau verharren oder sogar weiter sinken.
Entsprechend schwierig ist die Lage für Anleger. Noch relativ einfach ist die Entscheidung, wenn das Geld auf Sicht von zwei bis drei Jahren benötigt wird. Hier sind nach wie vor Tages- und Festgeldkonten von Interesse, die in der Spitze immer noch um die 2% Zins abwerfen. Außerdem bieten sich entsprechende Kurzläufer vom Rentenmarkt an, wobei hier jedoch die anfallenden Spesen zu berücksichtigen sind. Keine Alternative sind die Anteile von Geldmarktfonds, die gerade in der jüngsten Krise oft erhebliche Verluste eingefahren haben.
Breite Streuung
Schwieriger wird die Geldanlage bei einem voraussichtlichen Kapitalbedarf in vier bis sieben Jahren: Hier sollten Sie Papieren den Vorzug geben, deren Fälligkeit sich entweder mit dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Verfügung deckt oder die maximal zwei Jahre länger laufen. Auf diese Weise lässt sich eine sichere Rendite erzielen, auch die Kursrisiken sind überschaubar. Bei grundsätzlich unbefristeter Anlagedauer, etwa in Verbindung mit der eigenen Altersvorsorge, sollten Sie Ihr Kapital über verschiedene Laufzeiten streuen. Wählen Sie dabei als Schwerpunkt Papiere mit mittleren Laufzeiten, denen Sie zu jeweils gleichen Teilen Kurz- und Langläufer beimischen. Auf diese Weise ist sowohl eine relativ gute Durchschnittsverzinsung als auch eine solide Liquidität der Geldanlage sichergestellt.
Die Auswahl der Papiere sollten Sie nach Ihrer persönlichen Mentalität vornehmen: Wollen Sie alle Risiken meiden, sind Sie mit deutschen Staatsanleihen gut bedient. Zur Depotbeimischung eignen sich dabei auch Euro-Titel aus dem Ausland, ist zumindest momentan doch nicht davon auszugehen, dass ein EU-Mitgliedsland insolvent wird. Wer im Interesse höherer Zinsen bereit ist, auch gewisse Risiken auf sich zu nehmen, wird bei Bank- und Unternehmensanleihen weiterhin fündig. Hier sollten Sie einen Blick auf die Bonität, aber auch den Chart des jeweiligen Papiers werfen. Interessant sind Titel, die sich zuletzt vergleichsweise gut behaupten konnten. Meiden Sie hingegen Anleihen, die in der Krise von 100% auf nur noch 70% oder gar 50% eingebrochen waren und mittlerweile wieder gestiegen sind: Hier ist die Gefahr groß, dass es im Fall einer Fortsetzung der Wirtschaftskrise zu vergleichbaren Rückschlägen kommt.
Vorsicht ist weiterhin bei allen nachrangigen Papieren geboten, etwa bestimmten Bankschuldverschreibungen sowie Genussscheinen. Da hier die Gefahr besteht, dass Anleger eventuelle Verluste des Unternehmens mittragen müssen, kommt diese Kategorie erst wieder in Betracht, wenn von der Konjunkturseite keine Gefahren mehr drohen.
Alternative US-Dollar
Durchaus überlegenswert ist hingegen die Beimischung von Fremdwährungspapieren, etwa auf den US-Dollar. In den vergangenen Monaten ist der Euro gegenüber den meisten Anlagewährungen deutlich gestiegen und letztlich dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis eine Gegenbewegung einsetzt. Im Übrigen stellen Fremdwährungsengagements auch ein Sicherungsinstrument für Anleger dar, die dem Euro und seinem Höhenflug in letzter Zeit nicht so recht vertrauen.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2010; 35(02):13-13