Jasmin Theuringer
Beispiel: In der Apotheke des A sind erhebliche Urlaubsansprüche der Mitarbeiter aufgelaufen, die A möglichst noch im laufenden Jahr erfüllen möchte. Er bittet daher seine Mitarbeiter, sich in eine ausgelegte Urlaubsliste einzutragen. Jede seiner drei PTAs trägt ihren Urlaub für die zweite Hälfte im Dezember ein. A lehnt alle drei Urlaubswünsche ab.
Variante: A erteilt seinen PTAs nacheinander in alphabetischer Reihenfolge ihrer Nachnamen ab November Urlaub.
Kollidieren die Urlaubswünsche mehrerer Mitarbeiter, so hat der Arbeitgeber abzuwägen, welchem Mitarbeiter unter sozialen Erwägungen der Vortritt zu lassen ist. Es handelt sich hierbei nicht um die gleichen sozialen Erwägungen, die bei einer notwendigen betriebsbedingten Kündigung anzustellen sind. So spielt bei der Urlaubserteilung zum Beispiel die Dauer der Betriebszugehörigkeit nur eine untergeordnete Rolle.
Es ist vielmehr zu berücksichtigen, ob eine der PTAs zum Beispiel wegen ihrer schulpflichtigen Kinder auf die Ferien angewiesen ist oder ob eine andere nur in der gewünschten Zeit Urlaub gemeinsam mit ihrem Partner machen kann. Auch Gerechtigkeitserwägungen haben in die Erteilung des Urlaubs mit einzufließen, so kann nicht jedes Jahr die gleiche Mitarbeiterin zwischen Weihnachten und Neujahr zur Arbeit verpflichtet werden.
Übertragung des Urlaubs
Beispiel: PTA P möchte ihren Urlaub nicht in der nasskalten Jahreszeit nehmen und bittet A, den Resturlaub doch einfach ins nächste Jahr zu verschieben, sie könne dann im Sommer länger Urlaub machen. A ist damit nicht einverstanden.
Nach §7 Absatz 1 Satz 1 muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Das Gesetz stellt hier klar, dass es grundsätzlich keinen Anspruch des Arbeitnehmers gibt, den Urlaub in das Folgejahr zu verschieben. Die Übertragung nicht genommenen Urlaubs in das Folgejahr ist eine Ausnahme, die begründet werden muss. Liegen keine hinreichenden Gründe vor, so verfällt nicht genommener Urlaub am Jahresende. Die Gründe, die eine Übertragung von Resturlaubsansprüchen in das Folgejahr rechtfertigen, sind im Gesetz ebenfalls geregelt. So heißt es in §7 Absatz 1 Satz 2 BUrlG: „Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen.“ Ein in der Person des Arbeitnehmers liegender Grund ist keinesfalls der Wunsch des Arbeitnehmers, Urlaub lieber bei Sonnenschein zu genießen. P sollte ihren Resturlaub noch im laufenden Jahr nehmen, andernfalls verfällt er.
Variante: P fügt sich und trägt ihren Resturlaub für November ein. Anfang November, noch vor Urlaubsantritt, erkrankt sie und bleibt bis Mitte Dezember arbeitsunfähig. Nun weigert sich A, den wegen Krankheit nicht angetretenen Urlaub noch im Dezember zu erteilen, da er in der umsatzstarken Vorweihnachtszeit auf jede helfende Hand angewiesen sei.
Ein Grund, der einen Urlaubsantritt tatsächlich verhindert, ist vor allem die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Kann der Resturlaubsanspruch wegen Krankheit des Arbeitnehmers nicht erfüllt werden, kann er in das Folgejahr übertragen werden. Wird der Arbeitnehmer aber rechtzeitig – wie im Beispiel – wieder gesund und entfällt dadurch der Übertragungsgrund, so ist ihm der Urlaub möglichst im laufenden Jahr zu gewähren. P hat daher grundsätzlich Anspruch auf Erteilung des Resturlaubs noch im Dezember, soweit A sich nicht auf dringende betriebliche Gründe im Sinne des §7 BUrlG berufen kann.
Dringende betriebliche Gründe sind vor allem unvorhersehbare Gründe, also etwa der Ausfall mehrerer Arbeitnehmer wegen Krankheit. Jeder Arbeitgeber muss sich aber darauf einstellen, genügend Personal vorzuhalten, um sämtliche Urlaubsansprüche der Mitarbeiter wie auch die durchschnittlich zu erwartende Ausfallzeit wegen Krankheit aufzufangen. Das alles ist vorhersehbar und kein hinreichender Grund für eine Übertragung des Urlaubs in das Folgejahr. Die Rechtsprechung erkennt jedoch branchenspezifische Besonderheiten als Übertragungsgrund an, so z.B. die umsatzstarke Vorweihnachtszeit im Einzelhandel wie auch die Erkältungszeit im Gesundheitswesen. Das ist auf Apotheken übertragbar, sodass die umsatzstarke Zeit der Apotheken in der Erkältungs- und Vorweihnachtszeit – auch wenn sie jährlich wiederkehrt und somit vorhersehbar ist – durchaus geeignet ist, eine Übertragung des Resturlaubs in das Folgejahr zu rechtfertigen. A muss den Resturlaub also nicht mehr im Dezember erfüllen.
Variante: P möchte nun den in das Folgejahr übertragenen Resturlaub – wie ursprünglich geplant – für eine längere Auszeit im Sommer nutzen. A drängt darauf, dass der Resturlaub noch bis Ende März vollständig zu nehmen ist, da gerade in den Sommermonaten aufgrund der vielen Urlaubswünsche seiner Mitarbeiter häufig Personalmangel besteht.
Wird der Urlaub in das Folgejahr übertragen, so muss er nach §7 Absatz 3 BUrlG in den ersten drei Monaten vollständig gewährt und genommen werden, andernfalls verfällt er endgültig. Nimmt P das Angebot des A, ihren Urlaub bis Ende März vollständig zu nehmen, nicht wahr, so verliert sie ihren Anspruch.
Variante: P erkrankt Anfang November und bleibt bis Mitte April des Folgejahres arbeitsunfähig. Nach ihrer Genesung bittet sie A, ihr den Resturlaub aus dem Vorjahr zu erteilen. Dieser beruft sich auf das BUrlG, wonach der Urlaub mit dem 31. März endgültig verfallen sei.
Die Auffassung des A entspricht sowohl dem Text des Bundesurlaubsgesetzes als auch der dazu bis 2010 ergangenen Rechtsprechung, wonach Resturlaubsansprüche auch dann verfallen sollten, wenn der Arbeitnehmer seinen Urlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnte. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs widerspricht dies jedoch der EU-Richtlinie, die jedem Arbeitnehmer den gesetzlichen Mindesturlaub garantiert. Dem hat sich zwischenzeitlich auch die deutsche Rechtsprechung angeschlossen mit der Folge, dass der Resturlaub dann nicht am 31. März des Folgejahres verfällt, wenn er wegen andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers nicht angetreten werden konnte.
Beispiel: Zu Jahresanfang reicht PTA C einen Urlaubsantrag für März ein und erklärt, sie nehme ihren Resturlaub aus dem Vorjahr. A entgegnet, dieser sei verfallen, da kein Grund für eine Übertragung ins Folgejahr vorgelegen habe. C verweist auf ihre Dezember-Lohnabrechnung, in der noch 8 Resturlaubstage aufgeführt seien.
Die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes gelten zwingend nur für den gesetzlichen Mindesturlaub von 24 Werktagen. Ein darüber hinaus gewährter sogenannter Mehrurlaub unterliegt diesen Regelungen nur, wenn die Parteien keine abweichende Vereinbarung getroffen haben. Eine solche trifft häufig der Arbeitsvertrag, so zum Beispiel durch die Formulierung, dass der Urlaub in das Folgejahr übertragen werden kann und bis zum 31. März zu nehmen ist.
Knüpft der Arbeitsvertrag an die Übertragung keine weiteren Bedingungen, so kann der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaub noch in den ersten drei Monaten des Folgejahres genommen werden, auch wenn kein Übertragungsgrund im Sinne des Bundesurlaubsgesetzes vorliegt. Diese Vereinbarung kann auch stillschweigend erfolgen, häufig entspricht die grundlose Übertragung des Resturlaubs einer betrieblichen Übung und es werden zudem noch in der Lohnabrechnung Resturlaubsansprüche ausgewiesen. C kann daher im Beispielsfall für ihren im März geplanten Urlaub noch auf ihren Resturlaub zurückgreifen.
Variante: A entgegnet C, sie könne ihren Urlaub nicht nehmen, da er ihren Resturlaub aus dem Vorjahr mit ihren Minusstunden aus dem Arbeitszeitkonto verrechnet habe.
Nach dem Gesetzeszweck dient der Urlaub der Erholung und kann nur dadurch gewährt werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu diesem Zweck unter Fortzahlung der Vergütung freistellt. Diese Freistellungserklärung hat stets vor Urlaubsantritt zu erfolgen. Eine nachträgliche Verrechnung des Urlaubs mit sog. Minusstunden oder mit Zeiten unentschuldigten Fehlens des Arbeitnehmers kann weder den Urlaubszweck noch den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers erfüllen. Minusstunden im Rahmen eines Arbeitszeitkontos sind daher vom Arbeitnehmer auszugleichen. Für unentschuldigte Fehltage schuldet der Arbeitgeber keine Vergütung. Eine Verrechnung mit nicht erfüllten Urlaubsansprüchen ist daher auch nicht notwendig.
Variante: A bittet C, ihren Resturlaub nicht anzutreten, er würde die noch offenen Urlaubstage auch finanziell abgelten. C ist damit einverstanden.
Das Bundesurlaubsgesetz sieht in §7 Absatz 4 eine finanzielle Abgeltung des Urlaubs nur für den Fall vor, dass der Urlaub ganz oder teilweise wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden kann. Im Übrigen ist das „Abkaufen“ von Urlaubsansprüchen auch dann nicht möglich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darüber geeinigt haben. Trotz dieser Einigung könnte ein Arbeitnehmer es sich also anders überlegen und seinen Urlaub doch noch verlangen.
Auch hier gilt, dass diese strengen Regelungen nur für den gesetzlichen Mindesturlaub gelten. Handelt es sich um tariflichen Mehrurlaub, so kann der Tarifvertrag eine Abgeltung vorsehen. In §11 Ziffer 12 des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter ist eine Abgeltung von bis zu drei Urlaubstagen im Jahr erlaubt. Handelt es sich dagegen um ein nicht tarifgebundenes Arbeitsverhältnis und somit um arbeitsvertraglich vereinbarten Mehrurlaub, so kann dieser einvernehmlich finanziell abgegolten werden, soweit durch diese Vereinbarung der gesetzliche Mindesturlaub von 24 Werktagen im Jahr unangetastet bleibt.
Beispiel: PTA D möchte zwischen Weihnachten und Neujahr Urlaub nehmen, hat aber ihren Urlaub aus dem laufenden Jahr bereits verbraucht. Sie bittet A, ihr dennoch Urlaub zu geben, diesen könne er dann ja von ihrem Urlaub aus dem Folgejahr abziehen.
Auch hier gilt: Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaubsanspruch entsteht nicht nur für ein Kalenderjahr, sondern auch erst im Kalenderjahr. Der Urlaubsanspruch für das Folgejahr entsteht erst im Folgejahr und kann auch nur dann erfüllt werden. Er kann weder vorgezogen noch mit versehentlich zu viel erteiltem Urlaub verrechnet werden. A und D werden eine Lösung finden müssen, die keinen Vorgriff auf den Urlaub für 2014 beinhaltet.
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2013; 38(21):9-9