Gesetzliche Krankenversicherung

Drei Fragen an Dr. Jens Baas


Dr. Christine Ahlheim

Dr. Jens Baas ist Vorsitzender des Vorstands der Techniker Krankenkasse (TK).

Kassenindividuelle Beitragssätze, verbunden mit der Situation, dass bereits ab dem nächsten Jahr der Kostendruck auf die Kassen spürbar steigen wird, werden meiner Ansicht nach dazu führen, dass es wieder vermehrt Zusammenschlüsse von Krankenkassen geben wird. An eine Fusionswelle auf breiter Front glaube ich aber zunächst nicht.

AWA: Bekanntlich startet derzeit in Thüringen und Sachsen ein erstes Modellprojekt zum ABDA/KBV-Konzept; können Sie sich vorstellen, dass die TK in absehbarer Zeit auch auf diesem Gebiet aktiv wird?

Baas: Konkret seit dem 1.Juni 2014! Mit dem Deutschen Apothekerverband haben wir einen Vertrag abgeschlossen, der die Stammapotheke des Patienten in das TK-Arzneimittelcoaching zum Diabetes mit einbezieht. Das ist ein echter Meilenstein.

Um einen reibungslosen Ablauf der intensiveren Betreuung durch die Stammapotheke zu ermöglichen, vereinbart der betreuende TK-Coach einen Termin in der Stammapotheke für den Versicherten. Die Apotheke überprüft im Rahmen des Coaching-Prozesses die Arzneimitteltherapie des Patienten und doku­mentiert die Medikation, damit auch bei späteren Änderungen eine Intervention durch den Apotheker erfolgen kann. Dafür bekommt sie eine gesonderte Vergütung. Die Teilnahme ist natürlich freiwillig: für den Patienten ebenso wie für die Apo­theke.

AWA: Wie sollte sich aus Ihrer Sicht das derzeitige zweigliedrige Krankenversicherungssystem in Deutschland fortent­wickeln?

Baas: Wir sollten die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung aufgeben und einen vernünftigen Übergang hin zu einem in­tegrierten Versicherungsmarkt schaffen. Dass ein Mensch nach anderen Regeln versichert wird als ein anderer, lässt sich heute nur noch historisch erklären. Die Menschen haben dafür kein Verständnis. Das Meinungsforschungsinstitut Forsa hat in unserem Auftrag die Menschen in Deutschland dazu repräsentativ befragt. 69% sprachen sich dafür aus, die Zweiteilung in PKV und GKV abzuschaffen. Und auch in den Gesprächen mit Po­litikern höre ich immer häufiger, dass viele hier Reformbedarf sehen.

Wenn ich ein neues System entwerfen könnte, würde ich sagen: Wir schaffen einheitliche Rah­men­bedingungen, an die sich alle halten müssen, die auf dem Krankenversicherungsmarkt ihre Leis­tungen anbieten wollen – egal ob sie auf dem Markt als Aktiengesell­schaft oder etwa als Körperschaft öffentlichen Rechts auftreten.

Die PKV und ihre Versicherten wird das Problem der steigenden Beiträge im Alter immer mehr treffen, hier muss eine Lösung gefunden werden. Ein Einstieg in einen einheitlichen Versicherungs­markt wäre daher vernünftig. Auf keinen Fall darf es sein, dass ein nicht zukunftsfähiges System wie die PKV von der Politik zwang­haft am Leben erhalten wird.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(11):3-3