Steuer-Spartipp

Ersatzbeschaffung bei „höherer Gewalt“: Aufdeckung stiller Reserven vermeiden


Helmut Lehr

Die Grundregel

Eine Gewinnverwirklichung durch Aufdeckung stiller Reserven kann u.a. in bestimmten Fällen der Ersatzbeschaffung vermieden werden. Dies setzt Folgendes voraus:

  • Ein Wirtschaftsgut des An­lage- oder Umlaufvermögens scheidet infolge höherer Gewalt oder zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs gegen Entschädigung aus dem Betriebs­vermögen aus.
  • Innerhalb einer bestimmten Frist wird ein funktionsgleiches Wirtschaftsgut (Ersatzwirtschaftsgut) angeschafft oder hergestellt, auf dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden.
  • Das neue Wirtschaftsgut wird in ein besonderes Verzeichnis aufgenommen2), um die Abweichung der Steuerbilanz von der Handelsbilanz zu dokumentieren – schließlich existiert eine solche Übertragungsmöglichkeit im Handelsrecht nicht.

Hinweis: Wird eine erhaltene Entschädigung nicht in voller Höhe für die Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet, dürfen die aufgedeckten stillen Reserven auch nur anteilig übertragen werden.

Beispiel: Apothekerin Severin erleidet mit ihrem neuen Geschäftswagen (Buchwert zum Unfallzeitpunkt: 45.000€) einen unverschuldeten Unfall. Aufgrund des Totalschadens erhält sie von der Versicherung eine Entschädigung von 50.000€. Den Unterschiedsbetrag in Höhe von 5.000€ müsste sie eigentlich sofort als Gewinn versteuern.

Allerdings zählt auch ein unverschuldeter Verkehrsunfall nach neuerer Verwaltungsauffassung als „höhere Gewalt“3), sodass für Frau Severin die Möglichkeit besteht, die „stillen Reserven“ in Höhe von 5.000€ auf ein neues Fahrzeug (Ersatzbeschaffung) zu übertragen.

Erfolgt der Kauf des neuen Wagens noch im selben Kalenderjahr, kann der Buchgewinn (5.000€) direkt von den Anschaffungskosten des neuen Pkw abgezogen werden – eine sofor­tige Versteuerung unterbleibt!

Hinweis: Durch die Minderung der Anschaffungskosten ver-mindert sich auch die Abschreibung des Neuwagens, was aber im Ergebnis erst über einen Zeitraum von mehreren Jahren zur „Nachholung der Versteuerung“ führt.

Bildung einer Rücklage möglich

Wird ein Ersatzwirtschaftsgut erst im nächsten Veranlagungszeitraum angeschafft, können Steuerpflichtige die sofortige Versteuerung der stillen Reserven vermeiden, indem sie in der Bilanz eine steuerfreie Rück­lage (...für Ersatzbeschaffung) einstellen. Die Rücklage wird dann bei Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts aufgelöst und führt wiederum zu einer Minderung der Anschaffungskosten.

Die Rücklage wird nur anerkannt, wenn die Ersatzbeschaffung zum Bilanzstichtag bereits ernsthaft geplant war. Erfolgt innerhalb des nächsten Jahres keine Anschaffung, ist die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen. Im Einzelfall kommt bei beweglichen Wirtschaftsgütern eine Verlängerung der Frist auf vier Jahre in Betracht – bei Grund­stücken und Gebäuden gelten ohnehin Zeiträume von vier und sechs Jahren.

Entnahmen und Einlagen

Wird ein Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen entnommen und werden dadurch stille Reserven aufdeckt (Teilwert > Buchwert), kann die Gewinnverwirklichung nicht durch eine Ersatzbeschaffung vermieden werden, da es sich bei einer Entnahme nicht um ein „unabwendbares Ereignis“ handelt. Ebenso gilt die Einlage eines Wirtschaftsguts in das Betriebsvermögen nicht als Ersatzbeschaffung.

Beschädigung und Reparatur

Eine steuerfreie Rücklage kommt auch in Betracht, wenn ein betriebliches Wirtschaftsgut gar nicht aus dem Betriebsvermögen ausscheidet, sondern „lediglich“ aufgrund höherer Gewalt beschädigt wird. Zahlt die Ver­sicherung nämlich eine Ent­schädigung für die Reparatur, die erst im nächsten Jahr durchgeführt wird, kann der Unternehmer in der Bilanz zum Ende des Schadensjahres die Entschädigung als steuerfreie Rücklage verbuchen.

Hinweis: Dem Aufwand für die Reparatur im Folgejahr wird dann ein Gewinn/Ertrag aus der Auflösung der Rück- lage gegenübergestellt. Betrug die Entschädigung beispiels­weise 10.000€ und kostet die Repa­ratur lediglich 8.000€, entsteht bei Auflösung der Rück- lage unter dem Strich ein Gewinn von 2.000€.

Aufzeichnungspflichten

Die oben beschriebenen gesonderten Aufzeichnungspflichten sind nach Ansicht der Finanzverwaltung hinsichtlich der Rücklage bereits dann erfüllt, wenn die Rücklage für Ersatzbeschaffung in der Steuerbilanz ausgewiesen wird. Es ist nicht erforderlich, die Rücklage selbst noch in ein gesondertes Verzeichnis einzutragen. Erst bei Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts muss dieses zusätzlich zum Bilanzausweis in das besondere Steuerverzeichnis aufgenommen werden.

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2014; 39(11):18-18