Prof. Dr. Reinhard Herzog
Novo Nordisk macht 80 % des Umsatzes und 72 % des Profites mit der Indikation Diabetes, überwiegend mit Insulinen bzw. Analoga. Ein Fünftel wird mit Biotechnologika im Bereich Hämophilie (Faktor VIII/IX-Präparate), Wachstumshormonen (u. a. Somatropin) sowie Hormonersatztherapien umgesetzt.
Die Diabetes-Story beeindruckt: Die Zahl der Diabetiker weltweit betrug 2015 etwa 415 Mio., sie soll bis 2040 auf 640 Mio. wachsen (= 1,8 % p.a.). Noch wichtiger: Nur 50 % der Diabetiker sind als solche diagnostiziert, davon die Hälfte hat Zugang zu medizinischer Versorgung, davon wiederum die Hälfte wird adäquat behandelt, und nur die Hälfte der Therapierten erreicht die wünschenswerten Ziele. Das spricht für enormes Wachstumspotenzial. Novo Nordisk ist Marktführer bei modernen Insulinen (45 % Marktanteil weltweit), vor Sanofi (35 %) und Eli Lilly (19 %).
Über viele Jahre hat Novo Nordisk eine beeindruckende Performance hingelegt: Regelhaft mehr als 10 % Umsatzwachstum pro Jahr, die Gewinne wuchsen noch deutlich stärker. Das erfreut jeden Aktionär und hat zu einer regelrechten Kursexplosion geführt (siehe unten stehenden Chart). Aber die Aktie ist auch enorm teuer geworden. Erste Probleme sind in den USA (dem wichtigsten Einzelmarkt) aufgekommen. Die Preise geraten dort unter Druck, generische Insuline kommen zudem weltweit stärker auf. Die Reaktion der Börse: 30 % Kursrutsch seit Anfang 2016.

Der Reiz: Einkauf bei einem Marktführer hinsichtlich Qualität und Kosten mit prinzipiell guten Wachstumsaussichten. Beeindruckende Kennzahlen, u. a. über 30 % Netto-Gewinnrendite. Und 30 % Kursrutsch bei einem solchen Wert gibt es nicht alle Tage. Mit der Novo Nordisk Foundation (eine Stiftung, hält 75,2 % der Stimmrechte und 27,5 % des Kapitals) besteht ein stabiler Anker. Geringe Verschuldung. Dividendenrendite gut 2,5 %.
Die Risiken: Trotz Kursrutsch immer noch mit etwa 6 Jahresumsätzen (!) sehr hoch bewertet, oder etwas zahmer mit 12,5 mal dem geschätzten 2016er EBITDA. Die starke Diabetes-Fokussierung kann bei therapeutischen Umbrüchen gefährlich werden. Wichtige Trendlinien wurden nach unten durchbrochen („greife nie in ein fallendes Messer“). Und: Hillary Clinton hat der Hochpreispolitik der Pharmaindustrie den Kampf angesagt.
Fazit: Mutige steigen schon um 35 € ein; mögliche Gewinnenttäuschungen verträgt dieses Bewertungsniveau jedoch nicht!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2016; 41(20):16-16