Prof. Dr. Reinhard Herzog
Letzthin ging es darum, Potenziale sowie Mitarbeiterstärken und -schwächen zu erkennen, um dann Personalressourcen neu zu verteilen und Lohnspielräume zu umreißen. Das mündet gern in den Begriff „leistungsgerechte Vergütung“ – vielfach nur eine Standardformel. Allzu häufig zahlt sich überragende Leistung aus Mitarbeitersicht nur ungenügend aus, weil die Anreize einfach zu schwach sind. Wer rackert das ganze Jahr Tag für Tag, um am Ende einige hundert Euro zusätzlich und vielleicht ein müdes „Danke“ zu erhalten?
Das führt zur ersten Erkenntnis: Die erreichbaren Belohnungen und Prämien sollen lukrativ sein und die Mühe lohnen! Es muss nicht (nur) Geld sein. Ihre soziale Intelligenz und Menschenkenntnis sind gefragt, noch andere Belohnungselemente zu installieren, welche speziell für Ihre Mitarbeiter erstrebenswert erscheinen. Indes dürfen Sie nicht den Fehler machen, von sich auf andere zu schließen. So sind 1.000 € für eine PKA eine ganz andere „Hausnummer“ als für die Approbierte mit gut verdienendem Ehepartner oder für Sie. Wirksame Anreize zu setzen bedeutet erst einmal, seine Mitarbeiter in ihrer Tiefe und ihrem Wesen zu erfassen: Ein Kaninchen locken Sie mit einer Möhre, den Hund nicht! Und eine Katze lässt sich nur auf nochmals andere Weise anspornen!
Mit Führungsstärke und attraktiven Anreizen, verpackt in eine Mischung aus Druck und eben Belohnung, kann man die meisten Mitarbeiter in alle möglichen Richtungen lenken, auch in völlig unsinnige. Beispiele dafür gibt es genug, von totalitären Militärregimen bis in die Welt der Konzerne. Wozu „falsche“ Anreize führen, sehen Sie auch in unserem Gesundheitswesen: Welche ärztlichen Leistungen bevorzugt erbracht werden, richtet sich beispielsweise vor allem nach der Gebührenordnung.
Nachhaltige Ziele setzen
Konzerne sind ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine „leistungsabhängige“ Komponente von Managervergütungen (die auf der Top-Ebene gerne mehr als die Grundvergütung ausmacht) nicht selten an wenig nachhaltigen Kennzahlen ausrichtet. Kurzfristiger Gewinn und „Bilanzkosmetik“ werden belohnt, während die langfristige und strategische Unternehmensentwicklung auf der Strecke bleibt. Auch fördern solche falschen Anreize das „Job-Hopping“: Schnelle „Erfolge“ und schöne Zahlen generieren – und dann nichts wie weg, bevor die negativen Seiten sichtbar werden!
In der Apotheke wird dies alles auf viel kleinerer Flamme gekocht, doch ganz frei von solchen Überlegungen können Sie sich nicht machen. Denken Sie nur an Filialleiter oder Top-Kräfte im Handverkauf, die Ihnen ganz rasch wunderbare Zahlen auf den Tisch zaubern. Aber mit welchen Langfrist-Auswirkungen?
Optionen abstecken
Bevor Sie über Prämienmodelle nachdenken, überlegen Sie:
- Gibt der Markt überhaupt prämienwürdige Steigerungen her (Marktpotenzial im Konkurrenz- und Einwohnerumfeld)? Welchen Marktanteil können Sie anstreben? Wie viel Luft nach oben entspricht dies in Form von Umsatz und Rohertrag? Vor allem daraus speist sich ja der „Prämientopf“. Ohne Steigerungspotenzial droht nur die Umverteilung der heutigen Verkaufsleistung zwischen den Mitarbeitern. Die Motivierten legen einen Zahn zu und werden extra belohnt. Ohne Zusatzerträge, die der Markt nicht hergibt, fallen die Schwächeren dann weiter zurück. Kürzen Sie bei ihnen entsprechend? Wohl kaum (es sei denn, Sie ziehen die „harte“ Option – siehe unten – in Betracht). Unter dem Strich hätten Sie somit gar Gewinn eingebüßt!
- Wie hoch liegt heute das Leistungsniveau Ihrer Mitarbeiter? Wer sich bereits über tolle Werte bei Kundenerträgen, Zusatzverkäufen und bedienten Kunden je Stunde bei gleichzeitig hoher Kundenzufriedenheit und Auslastung der Mitarbeiter freuen kann, wird sich schwer tun, noch „eine Schippe draufzulegen“. Nur auf Steigerung ausgelegte Prämienmodelle werden wenig fruchten, die Möglichkeiten sind ja bereits ausgereizt. Hier geht es eher um den Erhalt dieses hohen Niveaus und die behutsame Weiterentwicklung (z.B. Erschließung neuer Märkte, Spezialisierung, Projekte, deren Erfolg prämiert werden kann). Die Zielrichtung der Prämien verschiebt sich dann eher weg vom reinen Verkauf hin zu anderen Leistungen, allgemeinen Betriebskennzahlen und dem Thema Betriebsklima.
Es gibt eine weitere Option, an der US-Manager ihre Freude hätten: Sie stellen schlicht die schlechtesten Mitarbeiter „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung“ und verteilen – das ist das Entscheidende! – einen guten Teil des eingesparten Geldes an die verbliebenen, starken Kräfte in Form sehr lukrativer Prämienmodelle. Weniger Köpfe auf höherem Leistungslevel bedeuten viel weniger Reibungsverluste. Die positive Motivation steckt an und beflügelt das ganze Team. In diesem Zusammenhang sei an die 20/70/10-Philosophie eines Jack Welch, ehemals CEO von General Electric, erinnert: Belohne die besten 20 % („Stars“), fördere die mittleren 70 % und wirf die schlechtesten 10 % (die „Lemons“) raus!
Beteiligungsformen
Woran können Sie nun Mitarbeiterprämien festmachen? Die Umsatzbeteiligung ist der Klassiker. Falls die Margen recht konstant und kaum vom Mitarbeiter zu beeinflussen sind, hat dieses Modell seine Berechtigung. Umsatz und der wichtigere Rohertrag verlaufen dann ja proportional.
Die Beteiligung am individuell erwirtschafteten Rohertrag (Ertragsprämie) ist natürlich wesentlich zielgenauer, setzt aber die exakte Erfassung im EDV-System voraus.
Grundsätzlich freuen sich Mitarbeiter eher über öfters ausgeschüttete Prämien. Somit bietet sich eine quartalsweise Abrechnung an. Statistisch günstiger ist jedoch die Jahresabrechnung (Glättung von Saisoneffekten!).
Prämienmodelle können wachstumsbasiert ausgestaltet sein (nur für Umsatz- bzw. Ertragszuwächse gibt es etwas) oder auch Bestandskomponenten enthalten („Bestandsprämien“). Auf den ersten Blick spricht Vieles für ein rein wachstumsorientiertes Modell, vor allem bei nicht ausgeschöpftem Marktpotenzial in einem dynamischen Umfeld. Doch was passiert, wenn Sättigungsgrenzen erreicht werden? Ein rasches Versiegen der Prämien demotiviert Mitarbeiter, wenn sie trotzdem ihr Bestes gegeben haben. Ein „Flügel-hängen-Lassen“ und Rückschritte drohen.
Es gilt somit, den „Spannungsbogen“ zu verlängern. Sie können dazu die Erfolgsprämie splitten: Die eine Hälfte wird am Ende des jeweiligen Abrechnungszeitraums ausgeschüttet, die andere „vorgetragen“. Rückläufige Erträge werden damit verrechnet. Geht es weiter aufwärts, verfahren Sie im nächsten Zeitraum wieder so: Ein Teil gleich, der andere wieder „vorgetragen“. Der Glättungseffekt ist erheblich.
„Einzelprämien“ honorieren dagegen gezielt von einzelnen Mitarbeitern erfolgreich beendete, wichtige Projekte und Aufbauleistungen. Diese Prämien werden erfahrungsgemäß noch unterschätzt.
Allgemeine Betriebsprämien
Am unverfänglichsten und einfachsten zu handhaben sind allgemeine Betriebsprämien, an denen alle Mitarbeiter partizipieren.
- „Erfolgsprämie“: Diese orientiert sich an der Steigerung des Betriebsgewinns, Sie schütten einen Anteil des Zuwachses an das gesamte Team aus. Allerdings möchten viele Inhaber ihre Gewinne nicht offenlegen. Hier hilft die Index-Methode: Ausgehend von der Vorperiode (= 100%) kommunizieren Sie nur die relative Veränderung und rechnen sich vorab einen Schlüssel aus, z.B. 1 % mehr Gewinn entsprechen 1.000 € Ausschüttungssumme. Diese wird arbeitszeitanteilig verteilt.
- „Challenge-Prämie“: Obgleich vielleicht der Betriebsgewinn nicht gestiegen ist, stand das Team vor großen Herausforderungen, z.B. Umbau, neue Heimbelieferung oder Veränderungen am Standort. Wenn alles gut gemeistert wurde, können Sie für das gesamte Team einen bestimmten Betrag reservieren, den Sie dann arbeitszeitanteilig ungeachtet der jeweiligen Funktion ausschütten.
- Darüber hinausgehend sollten Sie für wirklich herausgehobene Positionen (Chefvertreter, Filialleiter) stets eigene „Leiter-Prämien“ mit einem betont erfolgsorientierten Ausschüttungsschlüssel entwickeln.
Incentives
Unterschätzen Sie nicht die Wirkung von Anreizen abseits des „schnöden Mammons“. Prägende Gemeinschaftserlebnisse (Ausflüge, sportliche Ereignisse etc.), auf die Person zugeschnittene Aufmerksamkeiten, Fortbildungen und anderes mehr sind hier zu erwähnen. Offene Leistungsvergleiche können ungemein motivieren und den innerbetrieblichen Wettbewerb positiv verstärken. Zeichnen Sie den „Mitarbeiter des Monats“ aus, die „Kosmetik-Queen“ oder die „Rezeptur-Königin“. Gestalten Sie eine „HV-Olympiade“, bei der die besten Mitarbeiter mit Gold, Silber und Bronze belobigt werden. So etwas funktioniert gut bei einer stabilen, fröhlich-sportlichen Belegschaft.
Modellfall
Nehmen wir eine 2,20-Mio.-€-Apotheke, die beim Umsatz schön auf 2,40 Mio. € zugelegt hat und weiteres Potenzial verspricht. Der Rohertrag sei um 50.000 € gestiegen, die allgemeinen Kosten um 10.000 €. Nun überlegen Sie: Sind vor allem bessere Mitarbeiterleistungen ursächlich oder „externer Rückenwind“ („windfall profits“), wie neue Arztpraxen, Frequenzbringer, Struktureffekte des Marktes („Hochpreiser-Invasion“), oder auch Ihr eigener verstärkter Einsatz?
Dazu schauen Sie sich Kennwerte wie Kundenzahlen (absolut, je Mitarbeiter, je Stunde) und die Erträge je Mitarbeiter an. Bei einem hohen externen Einfluss werden Sie den zu verteilenden Kuchen entsprechend kleiner ansetzen.
Nehmen wir im Beispielfall an, 10.000 € des Rohertragszuwachses stehen auf Ihrem Bedienerkonto als Chef. 10.000 € kommen aus Heimen und Rezeptur, 30.000 € aus der Verkaufsleistung der Mitarbeiter. Insgesamt haben Sie fünf prämienwürdige Angestellte (4,75 Vollzeitstellen). Die 30.000 € Mehrertrag im HV bilden die Grundlage für die Ertragsprämie, 25 % sollen verkaufsleistungsabhängig ausgeschüttet werden (= 7.500 €). 4.750 € sehen Sie als allgemeine Betriebsprämie vor (1.000 € je Vollzeitkraft) und 1.500 € für individuelle Sonderleistungen. Das ergibt einen „Topf“ von insgesamt 13.750 €. Ihnen bleibt noch ein Plus von 26.250 € (50.000 € mehr Rohertrag – 10.000 € Kostenzuwachs – 13.750 € Prämien).
Diesen „Topf“ können Sie, wie in der Beispielrechnung dargestellt, ausschütten. Sicher ist dieser Fall recht luxuriös, doch sind solche Summen eben auch echte Lockmittel und Antriebe, vor allem bei ansonsten niedrigeren Grundgehältern.

Gesamtpaket schnüren
Gestalten Sie ein motivierendes Gesamtpaket, das für die Mitarbeiter verständlich und schlüssig ist. Damit können Sie auch in Stellenanzeigen punkten („Keine Gehaltsperspektive? Nicht bei uns! Top-Kräfte – Top-Leistung – Top-Einkommen!“). Die Zielrichtungen sollten klar benannt sein und die Prämien nachvollziehbar mit dem individuellen bzw. Betriebserfolg korrelieren. Ob Sie dafür transparente Formeln aufstellen oder den Verteilungsschlüssel lieber selbst in der Hand behalten: Prämien sollten stets einen positiven Anreiz darstellen und keinesfalls zu Missgunst und gefühlten Ungerechtigkeiten führen. Deshalb: Diskutieren Sie dieses Thema ganz offen mit Ihren Mitarbeitern!
Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2017; 42(18):4-4