Entwicklung des Berufs

Die Konsolidierung klug gestalten!


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Fast noch schlimmer als die Lüge sind das Taktieren mit Teilwahrheiten sowie der Versuch einer Beeinflussung durch Verschweigen wesentlicher Tatsachen. Grüßen lässt das Phänomen des „weißen Elefanten“, der im Raum steht, aber geflissentlich übersehen wird. Die letzten Jahre waren eine Lehrstunde darüber, wie die Bevölkerung durch Teilwahrheiten unter bewusstem Weglassen von Wesentlichem beeinflusst werden kann.

Leider ist unsere Branche ebenfalls nicht ganz frei von solchen Phänomenen. Denkverbote sind auch bei uns verbreitet. Streng faktenbasierte, bisweilen sehr ernüchternde Auseinandersetzungen und vorbehaltlose, wirklich ergebnisoffene Diskussionen stoßen nicht unbedingt auf Gegenliebe. Das Verlassen der ehemals „golden-pharmazeutischen Echokammer“ fällt schwer. Lieber versuchen wir, diese „gute alte Zeit“ in die Zukunft hinüberzuretten und verwenden viel Mühe darauf, selbst allerlei Schrulligkeiten krampfhaft zu konservieren – ungeachtet ihres tatsächlichen Nutzwertes für Kunden wie Gesellschaft. Das nimmt teils groteske Züge an, so z.B. hinsichtlich der Digitalisierung oder der Entwicklung eigener Zukunfts- und Honorarvorstellungen. Und das, obwohl die politischen Entscheider sogar explizit zu neuen Ideen ermuntern.

Schon die gegenwärtige Zustandsbeschreibung fällt vielen schwer, ohne in alte Denkmuster abzugleiten. So herrscht oft noch der Glaube vor, dass Apotheken die Zukunfts- und Einkommenssicherheit sowie den Wachstumspfad quasi auf ewig für sich gepachtet haben. Real zeichnen die Apotheken aber nur mit Verzögerung und immer noch deutlich abgemildert eine Entwicklung nach, die quer durch die Wirtschaft schon lange grassiert: Konsolidierung, Konzentration und der Drang zu größeren, kapitalstärkeren und leistungsfähigeren Strukturen wie auch Betrieben: „No country for little companies!“

Apotheken sind somit ebenfalls eine sich konsolidierende Branche geworden, und das übrigens erstaunlich unabhängig vom Honorarniveau. Denn es spielen neben dem Geld noch weitaus mehr Faktoren in eine Antwort auf die Frage hinein, warum immer mehr Apothekenbetriebe keine gedeihliche Zukunft mehr haben, analog anderen (Einzelhandels-)Branchen: Diverse negative Standortfaktoren, mehr Auflagen und Bürokratie, anspruchsvollere Mitarbeiter, die disruptiven Einflüsse der Digitalisierung und des Internets bei knapperen Margen sowie eine immer heterogenere und verwöhntere Kundschaft.

Es ist daher ein Irrglaube, dass politisch vertretbare Aufbesserungen der Apothekenhonorare den Prozess grundlegend umkehren könnten. Dies würde nämlich irrational teuer werden und in keinem Verhältnis zum Nutzen stehen, zumal es im Gesundheitswesen an vielen anderen Stellen weitaus stärker klemmt. Nebenbei, und hier sind wir wieder bei so einem „weißen Elefanten“: Wünschen Sie sich wirklich steigende Apothekenzahlen? Dass Makler erneut ihre Musterkoffer packen und bei Ihnen mit „alternativlosen“ Angeboten für den Standort gegenüber aufschlagen? Seien wir also ehrlich – die „Friedhofsdividende“ zu vereinnahmen ist allemal angenehmer als sich mit zunehmender Konkurrenz in einem eben auch abseits des schnöden Mammons schwieriger gewordenen Umfeld auseinanderzusetzen.

Daher gilt es, diesen Konzentrations- und Konsolidierungsprozess klug zu gestalten, daraus neue Chancen zu entwickeln und soziale Härten abzumildern. So ist es kein Geheimnis, dass starke Betriebe eine höhere Attraktivität auf Mitarbeiter ausüben. Zudem gestatten sie es den Inhabern, eine bessere „Work-Life-Balance“ zu finden. Damit sollte der Weg klar sein: Statt jede Schließung in Klein-Kleckershausen oder der Dieselstraße Nr. 148a zu bejammern, wäre es an der Zeit, zum einen eine berufsstandsinterne „Entschlackungskur“ zahlreicher nicht direkt dem Kundenwohl dienender Auflagen vorzunehmen, zum anderen aber Zusammenschlüsse von Kollegen analog den Gemeinschaftspraxen und medizinischen Versorgungszentren (MVZ) der Ärzte zu fördern. Wir haben weit mehr Gestaltungsoptionen, als nur nach mehr Geld und Schutz zu rufen. Wir sollten sie nutzen! Denn sie sind im Rahmen des unvermeidlichen Konsolidierungsprozesses die einzige realistische Chance, den verbleibenden Betrieben eine auch auf längere Sicht noch gute Zukunft zu ermöglichen.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(13):19-19