Was können Sie ändern?

Erfolgsgeheimnis Bonertrag


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Der Rohertrag je Kundenbesuch, kurz Bonertrag, stellt eine der wichtigsten Kennzahlen im Einzelhandel allgemein und damit auch in den Apotheken dar. Wie setzt er sich zusammen, wie lässt er sich beeinflussen, und welche sonstigen Konsequenzen resultieren daraus?

Am Ende des Tages zählt, was jeder einzelne Kunde in der Kasse lässt. Der Umsatz je Bonkunde (Bon- oder auch Korbumsatz) ist somit die erste, exakt in jedem Kassensystem erfassbare Kennzahl. Etwas schwieriger ist der relevantere Bonertrag zu ermitteln, denn meist wird der Rohertrag aus einer Vielzahl von Gründen (u.a. Verbuchung von Rabatten, Gutschriften etc.) nur näherungsweise von den Kassensystemen errechnet. Deshalb ist es in der Regel zielführender, den unter Berücksichtigung der Warenbestände zutreffend vom Steuerbüro ermittelten Rohgewinnsatz heranzuziehen und durch Multiplikation mit dem Bonumsatz den Ertrag je Kunde zu berechnen.

Doch wie erklären sich die ganz enormen Spannbreiten dieser Kennziffer? Da haben wir Center-Apotheken mit rund 20 € Bonumsatz und 6 € bis 6,50 € Bonertrag, andere hingegen erreichen an solchen Lauflagen-Standorten 30 € Bonumsatz und über 9 € Bonertrag. Im Schnitt werden in den alten Bundesländern jedoch 40 € bis 45 € Bonumsatz bei reichlichen 10 € Bonertrag erzielt, in den neuen Bundesländern liegen diese Werte jeweils nochmals etwa 15% bis 20% darüber (höhere Verordnungsanteile sowie eine ältere Bevölkerung). Ärztehaus-Apotheken erzielen bisweilen Bonumsätze von 60 €, 70 € und mehr – bei Erträgen teils jenseits der 15-€-Marke!

Wie kommen nun diese stark divergierenden Werte zustande, und welche Einflussmöglichkeiten haben Sie darauf? Betrachten wir die Komponenten, aus denen sich der Bonertrag zusammensetzt:

1. Rezepte und Rezepterträge

Ohne Zweifel sind, wie vielfach dargelegt, Rezepte die Ertragsbringer. Klassische Privatrezepte erbringen nochmals etwa 2 € bis 3 € höhere Erträge als GKV-Rezepte, die aber auch – ab 10 € aufwärts – im Schnitt 12 € bis 14 € abwerfen. Das entspricht etwa dem drei- bis vierfachen Rohgewinn eines durchschnittlichen Barverkaufs.

Im Jahr 2017 wurden 464 Mio. GKV-Verordnungsblätter (23.500 je Apotheke) ausgestellt – im Wert von je 95 € brutto mit Mehrwertsteuer, Zuzahlungen und vor allen Abschlägen sowie einschließlich der teuren Spezialversorgung. Betrachtet man nur die Fertigarzneimittel, sinkt der Rezeptwert auf 80 € brutto. Dazu kommen knapp 100 Mio. klassische Privatrezepte (5.000 je Apotheke) sowie immerhin 45 Mio. grüne Rezepte (2.300 je Apotheke). Die grünen Rezepte stellen eine Art Mittelding zwischen stringenter Verordnung und „Arztempfehlung“ dar und sollen hier bei den weiteren Rezeptbetrachtungen außen vor bleiben.

Somit „marschieren“ pro Jahr fast 29.000 Rezepte in die Durchschnittsapotheke; da etliche Kunden mehr als ein Rezept vorlegen (der Faktor liegt bei etwa 1,1 bis 1,15), beträgt die Zahl der Rezeptkunden nur rund 26.000.

Angesichts von etwa 53.000 Apothekenkunden insgesamt im Schnitt (alte Bundesländer) kommt tatsächlich nur etwa jeder zweite Kunde mit einer Verordnung (ohne grüne Rezepte; das wären dann noch einmal etwa 4% der Kunden). Die andere Hälfte sucht die Apotheke also nicht „zwangszugeführt“ durch einen „roten oder blauen Schein“ auf. Das ist eine wichtige Erkenntnis! In den neuen Bundesländern überwiegen indes die Rezepte deutlich. Je nach Standort kann jedoch in West wie Ost der Rezeptkundenanteil ganz erheblich niedriger sein – in Center- und Lauflagen liegt er oft nur bei einem Viertel bis einem Drittel –, in Ärztehäusern oder auf dem Land lassen sich aber auch 60% bis über 70% erreichen. Hier ist der reine OTC-Kunde dann eine eher seltene Spezies.

Weiterhin unterscheiden sich die Rezeptwerte standortabhängig deutlich. Allerdings sind die Ertragsunterschiede bedingt durch die Fixkomponente des Kombimodells nicht ganz so groß wie die Umsatzdifferenzen, aber immer noch beachtlich (Abbildung 1). Insbesondere die Zahl der verordneten Packungen macht „die Ente fett“, wie der Unterschied zwischen 1,2, 1,5 oder gar 1,8 Rx-Packungen je Rezept (farblich unterschiedliche Balken!) beweist.

Tabelle 1 zeigt beispielhaft verschiedene „Umsatz-Mixturen“, die zum jeweiligen Bonumsatz, -ertrag sowie dem Rohgewinnsatz („Spanne“) führen. Es fällt auf, wie stark die Ergebnisse je nach Standort differieren. Der Hauptfaktor dafür ist der Mix aus Rezept- und reinen OTC-Kunden, was sich wieder aus der Lage der Apotheke erklärt. Ebenfalls exemplarisch wurde der Einfluss einer stärkeren oder weniger intensiven Zusatzverkaufsaktivität berechnet. Diese zeigt sich in den Anteilen der Zusatzverkäufe bezogen auf die Rezeptkunden (bei wie viel Prozent der Rezeptkunden gelingt ein Zusatzverkauf?) sowie den unterschiedlich hohen Zusatzverkaufswerten.

Die Daten sind eher ernüchternd: Selbst doppelt so hohe Quoten bei zudem höheren Barerträgen (4 € statt 3,50 € je Zusatzverkauf) verändern die summarischen Werte je Kunde unter dem Strich nur marginal. Man muss also aufpassen, nicht zu viel teure Personalzeit in diese Aktivitäten zu investieren (siehe weiter unten).

2. „Normale“ OTC-Umsätze

Knapp jeder zweite Kunde ist somit statistisch ein reiner OTC- bzw. Freiwahlkunde. Wir verzeichnen hier etwa 7,50 € Netto-Verkaufswert je Packung mit einem Ertrag von um oder etwas über 3,00 € (Mix aus Frei- und Sichtwahl). Mehrfachkäufe erhöhen dann den üblichen „OTC-Bar-Bonumsatz“ auf etwa 8 € bis 12 € mit einem Ertrag meist um 3,50 € bis gut 5 €. Exponierte Apotheken erzielen auch einmal Bar-Bonerträge von 7 €, 8 € oder mehr, aber das sind höchst lageabhängige Ausnahmen. Mehrheitlich bestätigt sich somit die alte Regel: Für einen Rezeptertrag braucht man drei bis vier OTC-Kunden!

3. Spezialumsätze

Hochgradig und typischerweise nach oben beeinflusst werden kann der Bonertrag durch Laborleistungen, Heim- und Institutionsversorgung oder andere spezielle Dienstleistungen, die Anfertigung von Individualmischungen (z.B. traditionelle chinesische Medizin, TCM), eine Homecare- und Sanitätsabteilung und anderes mehr. Da diese Umsätze und Erträge anderen Gesetzmäßigkeiten unterliegen und vom klassischen Offizinbetrieb („Straßenumsatz“) auch hinsichtlich der Kundengewinnung und -betreuung deutlich abweichen, sollen sie bei unseren Betrachtungen hier außen vor bleiben.

Ertragssteigerung mit überschaubarem Aufwand

Die Herausforderung lautet gerade in Zeiten des Personalmangels: Haushalten mit den Ressourcen, und den Aufwand im Rahmen halten! Wie gelingt es also, den Bonertrag „auf schlankem Fuß“ zu steigern?

  • An erster Stelle stehen offenkundig Maßnahmen zur Steigerung des Rezeptanteils. Das Spektrum reicht von entsprechendem Marketing, Intensivierung der Kooperation mit den Ärzten bis hin zu einer klugen Angebotspolitik mit Sonderangeboten, die wenig Rohertrag kosten, aber viele Menschen ansprechen und somit manches Rezept zusätzlich „anziehen“.
  • Das Denken in „Problemlösungs-Paketen“ statt Einzelprodukten steigert ebenfalls den Bonertrag. Insbesondere Kunden mit hohem Leidensdruck bzw. chronischen Beschwerden erhalten dabei nicht nur das Präparat X, sondern ein ganzes Set an sinnvollen und aufeinander abgestimmten Produkten, Verhaltensratschlägen und Zusatzinformationen. Ziehen Sie dazu einfach die zehn häufigsten OTC-Indikationen heran und begeben Sie sich mit Ihrem Team in die Ideenschmiede!
  • Die Preispolitik ist eine weitere Stellschraube. 5% Preiserhöhung über das gesamte OTC-Sortiment sind regelhaft realisierbar. Ausgenommen werden bekannte Indikatorartikel bzw. Sonderangebote. Selbst eine durchschnittliche Apotheke kann hier leicht ein Ertragspotenzial um 10.000 € pro Jahr realisieren.

Die gerne angeführten Zusatzverkäufe als probate Ertragssteigerungsmaßnahme haben jedoch bei näherer Betrachtung oft ein unbefriedigendes Aufwand-Nutzen-Verhältnis. Dies mögen einige Zahlen illustrieren.

Chimäre „Zusatzverkauf“?

Machen wir dazu einfach einmal ein Gedankenexperiment und nehmen einen durchschnittlichen Rohertrag je Zusatzverkauf von 4,00 € an, was typischerweise auf einen Endkundenpreis von etwa 10 € bis 12 € brutto hinausläuft.

Weiterhin wollen wir im Schnitt über alle Kunden eine Minute für Ansprache, Vorstellung des Produktes, gegebenenfalls Holen und Vorführen des Artikels sowie eventuell eine vertiefte Beratung ansetzen. Eine Minute im HV-Betrieb koste 0,50 €.

Dann muss immerhin jeder Achte „zuschnappen“, um allein diese HV-Personalkosten zu decken. Damit sind übrigens weder sonstige Betriebskosten bezahlt noch Gewinne erwirtschaftet. Bei 200 Kunden am Tag müssen dennoch bereits rund 25 Zusatzverkäufe allein für die Deckung der reinen „Quassel- und Laufzeit“ erfolgen. Um in eine vernünftige Gewinnzone zu kommen, dürfte eher die doppelte Anzahl vonnöten sein.

Eine Minute je Kunde (das sind knapp dreieinhalb Stunden bei 200 Kunden täglich) mag auf den ersten Blick für die Zusatzverkaufsaktivitäten sehr hoch erscheinen. Wenn man allerdings ehrlich hinschaut und tatsächlich fast alle Kunden zu erreichen wie auch zu überzeugen versucht, ist es das aber nicht. In der Praxis geschieht diese stringente Zusatzverkaufsaktivität nur eben regelhaft nicht – offenkundig vernünftigerweise!

Umgekehrt ist es schon eine Herausforderung für die durchschnittliche Apotheke, täglich 20, 30 oder mehr echte Zusatzverkäufe über die sowieso bestehende OTC-Nachfrage hinaus zu tätigen. Diese Fakten illustrieren das begrenzte Potenzial – und um wie viel es doch schöner und bequemer ist, wenn einfach ein paar mehr „rote und blaue Scheine“ auf zwei Beinen hineinkommen ...

Sind nun Zusatzverkäufe allesamt „für die Katz“? Nein! Die Lösung heißt: Flexible Verkaufs-Aktivitäten je nach Auslastung und Kundenansturm! Bei hoher Auslastung fährt man die Aktivitäten herunter, bei geringer Kundenzahl hoch. In Stoßzeiten muss vorrangig verhindert werden, dass Kunden (womöglich mit Rezepten) die Apotheke wieder verlassen, insbesondere in kompetitiven städtischen Lagen. Hier ist also eine rasche, trotzdem freundliche und kompetente Bedienung gefragt – aber eben kein wirtschaftlich grenzwertiger, zusätzlicher Zeitfresser.

Dieses „Umschaltspiel“ muss man den Mitarbeitern aber erst einmal vermitteln und ihnen ein entsprechendes Rüstzeug mit auf den Weg geben. Allzu gerne macht nämlich jeder „seinen Stiefel“ unabhängig von tatsächlichem Bedarf und Auslastung.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(13):7-7