Eine anspruchsvolle Managementaufgabe

Der Umgang mit Stagnation und Rückgängen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Alle reden über Erfolg. Nur leider ist es nicht jedem vergönnt, stets im Wachstumsexpress zu reisen. Hierfür sind nicht selten Standortgegebenheiten ursächlich, denen Sie wenig entgegensetzen können. Da sind Managementqualitäten gefragt, um das Beste aus der Lage zu machen.

Mit der Statistik ist es so eine Sache: Auch wenn die Zahlen Jahr für Jahr ein Branchenwachstum signalisieren, gibt es eine beachtliche Zahl an Apotheken mit stagnierenden oder rückläufigen Ergebnissen, darunter auch größere Betriebe. Ursächlich sind – neben individuellen Mängeln in der Unternehmensführung – schwer bis gar nicht beeinflussbare Umfeldfaktoren, wie Einwohnerentwicklung, Ärzteversorgung, Veränderungen der Einzelhandelslandschaft, Verkehrsführung, Passantenfrequenzen u.a.m. Diese Lage gilt es zu erkennen und zu beschreiben: Die Apotheke kann entweder noch das Rennpferd sein oder der zuverlässig trabende Ackergaul, aber auch ein lahmendes oder gar totes Pferd. Von Letzteren sollten Sie rechtzeitig absteigen. Denn das Management solcher „Pflegefälle“ teils im Betriebs-Endstadium erfordert weitaus höhere Fähigkeiten als das Handling von Wachstum. Allzu schnell nähern Sie sich nämlich kritischen Grenzen.

Die wichtigsten Größen

Abseits der Feinheiten des Controllings, die schon vielfach erörtert wurden, sind Umsatz und Rohertrag, Cashflow und Kostenaufteilung in Personalkosten, nicht änderbare Fixkosten sowie beeinflussbare Kosten nebst der Kundenzahl schon eine gute Basis, auf der man aufsetzen kann.

Abbildung 1 sowie beispielfallbezogen Tabelle 1 zeigen verschiedene Varianten eines möglichen Rückgangs: Im Beispielfall einer an und für sich „ganz guten“ Apotheke der 2,5-Mio.-€-Klasse ist der Umsatz um jeweils 4% (entsprechend 100.000 €) zurückgegangen, aber auf unterschiedliche Weise:

  • durch unterschiedlich starken Kundenschwund mit oder ohne Veränderung der Bonumsätze (Szenarien A, C).
  • durch alleinigen Rückgang der Bonumsätze (Szenario B).

Szenario A ist die Variante eines noch relativ milden Rückgangs der Kundenzahl um 2.500 p.a. bzw. 4% bei ansonsten unveränderten Einnahmen je Kunde.

Obwohl in Szenario C der Umsatz je Kunde bei etwa gleichem Ertrag sogar gestiegen ist, führt hier der starke Kundenzahlrückgang um 5.000 p.a. (8%) bei schwindenden Margen (z.B. durch Hochpreiser) zum stärksten Rohgewinnrückgang.

Etwas überraschend ist Szenario B: Gleiche Kundenzahlen, sogar steigende Spannen, aber am Ende etwas weniger Gesamt-Rohertrag. Möglicher Grund: Weniger Hochpreis-Präparate.

Ein Controlling-affiner Apothekenleiter würde sich jetzt noch die Packungsanzahl je Kunde sowie die Packungswerte anschauen, um obige Thesen zu untermauern. Es liegt auf der Hand, dass man auf diese Sachlagen unterschiedlich – nämlich ursachengerecht – reagieren sollte.

Woran (nicht) sparen?

Starken Kundenzahlrückgängen, sofern nicht umkehrbar, sollten Sie mit einer Anpassung der Personalkosten begegnen. Ziel ist es, die Personalaufwendungen je Kunde konstant zu halten, wie in Tabelle 1 zu sehen.

Ansonsten gilt der alte Beraterspruch: „10% gehen immer!“ – jedenfalls für die anpassbaren Sachkosten und Dienstleisterhonorare abseits der kaum veränderbaren Fixkosten wie Mieten, sonstigen vertraglich fixierten Kosten etc. Tabu sollten alle Einsparungen sein, die direkt auf die Kunden durchschlagen und von diesen negativ aufgenommen werden.

In den Szenarien A bis C sind die anpassbaren Kosten um etwa 10% gekürzt worden, sogar diejenigen für das Marketing. Geschickt angegangen, ist hier meist ebenfalls Luft, ohne die Kunden zu vergraulen. Ebenso sind die zahlreichen Berater- und Dienstleisterhonorare nicht in Stein gemeißelt. Verhandeln und Abspecken ergibt regelhaft ebenfalls die erwähnten 10% oder mehr.

Am Ende des Tages zählt, was unter dem Strich „netto“ bleibt. Einbußen auf Ebene des Cashflows machen sich nach Steuern oft gar nicht so dramatisch bemerkbar. Dies ist mittels Szenario-Rechnungen (siehe Zahlenbeispiel) vorher abzuklären – unter Berücksichtigung der privaten Lebenshaltungskosten, der Vorsorgebeiträge sowie der noch zu leistenden Tilgungen.

Mit einer solchen Vorschau fällt es viel leichter, die Spar- und Kürzungsmaßnahmen sachgerecht anzusetzen. Das Beispiel zeigt, dass selbst das schlechteste Szenario C mit noch einigermaßen erträglichen Netto-Einbußen von knapp 1.000 € monatlich gemeistert werden kann. Würden Sie jedoch die Kosten einfach „laufen lassen“, drohten teils herbe Einbußen, wie die unterste Zeile in Tabelle 1 lehrt.

Generell gilt bei zurückgehenden Erträgen: Ohne Aussicht auf perspektivische Besserung sollten Sie die noch halbwegs guten Zeiten nutzen, um Schulden sowie Zukunftsverpflichtungen möglichst rasch zu reduzieren. Beim Eingehen langfristiger neuer Verpflichtungen und Verträge ist besondere Vorsicht geboten – Miet-, Leasing- und EDV-Verträge stehen ganz oben auf der Liste.

Doch wann ist „Ende im Gelände“ und nichts mehr einzusparen? Wann gilt es auszusteigen? Das beschäftigt uns beim nächsten Mal.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(15):4-4