Verantwortung abgeben

Warum Sie auch das Team entscheiden lassen sollten


Ute Jürgens

Kennen Sie das? Sie wissen vor lauter Aufgaben nicht mehr, wo Ihnen der Kopf steht? Und gleichzeitig „meutern“ Ihre Mitarbeiter, weil Sie mit bestimmten Regelungen in der Apotheke nicht zufrieden sind? Dann könnte es an der Zeit sein, Entscheidungen zu delegieren.

Als Apothekenleiter König seine Apotheke betritt, geht es hoch her. Die Mitarbeiter sind mitten in einem Streit über die von ihm geregelte Urlaubszeit. Eine PTA ist aufgebracht, weil sie in den Schulferien vor Ort bleiben muss. Die Approbierte bekommt dagegen frei, und zwar über die gesamten Sommerferien.

Das Team bemerkt kaum, dass der Chef schon da ist. Alle sind unzufrieden, es hat „schon wieder“ nicht geklappt mit einer gerechten Regelung. Allein in diesem Punkt herrscht Einigkeit. Momentan ist weder jemand arbeitsfähig noch willens, die Diskussion zu unterbrechen. König ärgert sich. Es ist immer das Gleiche! Was er auch entscheidet: Seine Angestellten sind undankbar, unzufrieden und unzugänglich.

Nun stellen Sie sich vor, Sie wären in Königs Situation. Wie sind Sie überhaupt dorthin gekommen? Und was können Sie tun, um den Status quo zu bessern?

Hierarchische Führung als Ursache für Unzufriedenheit?

Vielleicht haben Sie Ihre Mitarbeiter bislang zu hierarchisch geführt? Vielleicht haben Sie zu oft Entscheidungen allein getroffen, ohne Ihre Mitarbeiter einzubeziehen – auch wenn die Mitarbeiter vorrangig von diesen Entscheidungen betroffen waren? Das erzeugt schnell allgemeine Unzufriedenheit.

Deswegen sollten Sie sich überlegen, ob Sie bestimmte Entscheidungen nicht delegieren können. Nur weil Sie Führungskraft sind, heißt das nicht, dass Sie sich alle Aufgaben selbst „aufhalsen“ müssen. Übertragen Sie doch bestimmte Kompetenzen auf Ihr Team – gerade in Fällen, in denen das Team selbst betroffen ist. Dafür brauchen Sie natürlich das Vertrauen in die Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter. Aber in der Regel haben diese einen ausreichenden Überblick, um selbst qualifizierte Entscheidungen treffen zu können. Delegieren könnten Sie beispielsweise:

  • das Erstellen von Arbeits- und Urlaubsplänen,
  • die Organisation von Feiern, Geburtstagsgeschenken etc. oder auch
  • das Qualitätsmanagement.

Überlegen könnten Sie überdies, ob Sie Ihr Team nicht auch bei der Auswahl neuer Kollegen mitentscheiden lassen – nicht zuletzt, damit bei der späteren Zusammenarbeit die „Chemie“ stimmt.

Sinnvoll ist es, Beschlüsse im Konsens zu fällen – so also, dass alle damit zufrieden sind. In erster Linie gilt dies bei Themen mit langfristiger Auswirkung, wie z.B. bei Entscheidungen darüber, wo geraucht werden darf, oder ob Kollegen ohne schulpflichtige Kinder grundsätzlich nie in den Schulferien Urlaub nehmen dürfen.

In „kleineren Angelegenheiten“ ohne weitreichende Auswirkung genügt dagegen meist auch ein Mehrheitsentscheid. Das ist z.B. der Fall, wenn es darum geht, sich auf das Abschiedsgeschenk für den Praktikanten oder das Lokal für die diesjährige Weihnachtsfeier zu einigen.

Welche Vorteile hat es, Entscheidungen zu delegieren?

Es hat mehrere Vorteile, wenn Sie Ihrem Team Verantwortung übertragen. Grundsätzlich sparen Sie Zeit, Energie und Geld. Denn das Team steht eher hinter eigenen Beschlüssen als hinter solchen, die von außen „aufoktroyiert“ sind und die es manchmal nicht nachvollziehen kann.

Mehrere kluge Köpfe haben auch mehr Ideen als eine einzelne Person, die zudem häufig genug nur aus ihrer Perspektive denkt und mit anderen Dingen überlastet ist. In der engeren Zusammenarbeit erlebt die Gruppe das ganze Spektrum der verschiedenen Charaktere, ihre Stärken und ihre Schwächen. In der Literatur heißt es dazu: „Es sind gerade die Unterschiede zwischen unseren Sichtweisen, Anliegen und Perspektiven, die ein Spannungsfeld entstehen lassen, aus dem dann das wirklich Neue hervorgehen kann“ [1]. Als Gruppe können Ihre Mitarbeiter also kreative und maßgeschneiderte Lösungen finden. Man spricht dann auch von „kollektiver emotionaler Intelligenz“.

Wenn Sie Verantwortung abgeben, heißt das auch, dass Sie sich nicht länger mit Kleinigkeiten verzetteln, sondern sich stattdessen auf die zur Apothekenführung notwendigen Aufgaben konzentrieren können. Reduzieren Sie also das, was Sie selbst erledigen, auf das Wesentliche und verschwenden Sie Ihre Willenskraft nicht auf zu viele Dinge. Das führt letztlich auch dazu, dass Sie sich weniger verausgaben und mit „vollem Akku“ arbeiten können [2].

Übrigens: Wenn Sie sich überlegen, ob Sie eine Aufgabe delegieren oder nicht, sollten Sie natürlich auch Ihre persönlichen Vorlieben nicht außer Acht lassen: Sofern Sie für eine bestimmte Tätigkeit „brennen“, sollten Sie diese natürlich auch selbst erledigen.

Worauf sollten Sie als Chef achten?

Damit das Team engagiert an Diskussions- und Entscheidungsrunden teilnimmt, sollten Sie den einzelnen Mitarbeitern anbieten, eventuell notwendige Überstunden zu bezahlen. Außerdem können Sie bei solchen Sitzungen Pizza oder Ähnliches spendieren. Das steigert die Motivation ebenfalls.

Vielleicht bevorzugt es das Team auch, nicht in der Apotheke, sondern zeitlich flexibel und von zu Hause aus zu diskutieren, z.B. via Skype oder über eine Mitarbeiter-App? Dann erfüllen Sie ihm diesen Wunsch. Erwarten Sie das Ergebnis und lassen Sie das Team über den Weg dorthin bestimmen.

Bleiben Sie zudem stets offen für Nachfragen und helfen Sie gerade in schwierigen Prozessen weiter – allerdings ohne dem Team die Entscheidung abzunehmen. Vielmehr sollten Sie lediglich moderieren.

Grundsätzlich sollten Sie es nicht zulassen, dass einer Ihrer Mitarbeiter im Rahmen der Entscheidungsfindung einfach nur „dagegen“ ist. Wer einen Vorschlag ablehnt, sollte vielmehr zumindest einen Gegenvorschlag unterbreiten.

Zur Moderation kann es auch gehören, in Fällen, die keine sofortige Lösung erfordern, „Lösungslosigkeit“ zu akzeptieren. Notwendig – wenn auch leider sehr unbefriedigend – ist das eventuell, wenn alle mit einer Situation unzufrieden sind, aber auch keine Einigung erlangen, weil sich jeder in seiner Position festgebissen hat. Dann bleibt zunächst einmal alles, wie es ist. Sie können anschließend gelegentlich nachfragen, ob nicht vielleicht doch jemand bereit ist, von der vormaligen Position abzuweichen, und dann eine neue Teamsitzung einberufen.

Fazit

Auf welche Weise profitiert die Apotheke somit von einem selbstständigen Team?

  • Gemeinsame Entscheidungen werden von allen mitgetragen statt abgelehnt oder ausgebremst.
  • Konflikte und Probleme schwelen nicht mehr unter der Oberfläche: Sie werden dort gelöst, wo sie entstanden sind. Und im besten Fall treten sie gar nicht erst auf.
  • Alle sind auf die eigentliche Arbeit konzentriert, statt sich mit Lästereien aufzuhalten oder endlos über vermeintliche Ungerechtigkeiten zu klagen. Und auch Sie selbst können sich auf Ihre wesentlichen Aufgaben fokussieren.
  • Die Zufriedenheit der Angestellten und die Produktivität steigen, während die Anzahl der Krankheitstage sinkt.

Sie als Apothekenleiter fahren also in vielen Fällen besser damit, Teamfragen nicht selbst zu lösen. Vertrauen Sie doch ruhig auch einmal auf Ihre fähigen Angestellten.

Literatur

[1] Dittmar, V.: Gefühle @work – Wie emotionale Kompetenz Unternehmen transformieren kann, Edition Est: München 2017

[2] Keller, G., Papasan, J.: The One Thing – Die überraschend einfache Wahrheit über außergewöhnlichen Erfolg, Redline Verlag: München 2018

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(15):10-10