Apotheken auf der Schattenseite

Den Absprung schaffen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Je nach Ausgangslage lassen sich temporäre Ertragsrückgänge ganz gut managen. Die Herausforderungen beginnen, wenn eine dauerhafte Abwärtsspirale in Gang kommt, der Sie hinsichtlich der Einnahmen und Kunden standortbedingt nicht mehr wirksam begegnen können.

Wenn Ihre Analysen ergeben, dass Sie auf einem lahmenden Gaul und demnächst womöglich auf einem toten Pferd reiten, gilt es, frühzeitig Papier und Bleistift zu zücken und möglichst den Rechner mit Programmen wie Excel zu bemühen, um den „Lebensabend der Apotheke“ zu planen, bevor der Betrieb auf der „wirtschaftlichen Palliativstation“ endet. Entscheidend ist hier schonungslose Ehrlichkeit. Machen Sie sich nichts vor – das holt Sie am Ende nur auf sehr schmerzhafte Weise ein.

Frühzeitig gilt es, „wirtschaftliche Leitplanken“ abzustecken:

  • den Mindestgewinn zur Deckung aller nicht weiter minimierbaren Verpflichtungen,
  • die unteren Kostengrenzen, die zum Betrieb der Apotheke nicht weiter unterschritten werden dürfen,
  • die Ertragsvorschau – welche Roherträge und Kundenzahlen sind zu erwarten?

Mögliche Verläufe zeigt Abbildung 1. Kritisch sind die Fälle, in denen das Aufschlagen auf dem „harten Boden“ der Mindestbetriebskosten bei weiter abnehmenden Erträgen in Reichweite kommt. Bei „Alleinapotheken“, die den Lebensunterhalt decken müssen, ist dies kritischer als bei Filialen, die notfalls bis zu ihrer „Beerdigung“ eine Weile „auf der Nulllinie“ oder knapp darunter laufen können – wenn anderweitig gut verdient wird.

Beginnen wir mit dem derzeitig notwendigen Gewinn auf Ebene des „Nettoeinkommens“ (Szenario A). Er errechnet sich bei einer „Alleinapotheke“ (und bei Filialen ggf. anteilig) aus:

  • Ihren minimalen Lebenshaltungskosten einschließlich Kapitaldienst (Zins und Tilgung), z.B. für Eigenheim, sonstige Privatimmobilien, Fahrzeuge etc.,
  • möglichen weiteren privaten und nicht minimierbaren Verpflichtungen (Unterhaltsleistungen, Ausbildung/Internat der Kinder usw.),
  • eigenen Vorsorgeleistungen (Rente, Krankenkasse, Lebens-/sonstige private Versicherungen, Sparpläne etc.),
  • betrieblichen Tilgungen und
  • ggf. Rücklagen für notwendige Investitionen, die nicht einfach ohne Gefährdung obiger benötigter Entnahmen aus dem laufenden Cash-Flow abgezweigt werden können.

Zählt man alles zusammen, kommen oft atemberaubende Beträge im hoch vier- bis teils fünfstelligen Bereich monatlich heraus. Bislang ist es gerne halbwegs „rund gelaufen“. Aber richtig viel übrig geblieben ist nicht, was zeigt, dass viele Apotheken auf recht schmalem Grat wandeln (wie die meisten Haushalte auch). In einer kontinuierlichen Abstiegsphase weht aber ein rauerer Wind!

Entwickeln Sie daher noch die weiteren Szenarien B („deutliches Abspecken“) sowie C („hartes, forciertes Abspecken“), aber noch kein Katastrophen-Szenario. Auf was lässt sich leichten Herzens verzichten? Was lässt sich „versilbern“, vielleicht gerade zu einem guten Preis (z.B. ein kaum genutztes Ferienhaus, das ein Klotz am Bein ist)? Damit kommen Sie zu drei Einkommen A, B und C mit A als angepasstem Wunschszenario, B als noch gut erträglicher und C als schmaler, gerade akzeptabler Variante jenseits der Armut.

Um auf diese Netto-Verfügungsbeträge zu kommen, muss der steuerliche Aspekt berücksichtigt werden. Es gilt, quasi eine Rückwärtsberechnung durchzuführen: Mit welchem Vor-Steuer-Ergebnis gelangen Sie zum entsprechenden Nettobetrag?

In ähnlicher Weise geht es nun an die betrieblichen Kosten, wobei wieder drei Szenarien A bis C von einer moderaten über eine deutliche bis zu einer maximal möglichen Einsparung (=der „Kostenboden“) erstellt werden. Obenan steht das Personal – in Filialen sind „Kürzungen“ kritischer als in Einzelapotheken, in denen mit der Inhaberleistung viel abgefangen werden kann. Sie werden jedoch auch hier zu einer nicht unterschreitbaren Grenze („Minimalbesetzung“) kommen. Wie schon letzthin (AWA 15/2018) erwähnt, müssen Sie aufpassen, den Niedergang nicht noch durch Sparen an der falschen Stelle zu beschleunigen.

Zuletzt kommt die Ertrags-Vorausschau. Mit welchen Einnahmen können Sie künftig mit Blick auf die Vergangenheit sowie auf Ihr Standortumfeld realistisch rechnen? Wieder bieten sich drei Varianten (Best, Expected und Worst Case) an. Zum „Best Case“ passt dann die milde Einkommens- und Kostenvariante, beim „Worst Case“ muss dagegen der Gürtel an allen Stellen viel enger geschnallt werden.

Zum Schluss gilt es, die Zeitachse mit Leben zu füllen: Wann werden gefährliche Grenzwerte hinsichtlich Einkommen und Lebensfähigkeit des Betriebs unterschritten? Das Beispiel in Tabelle 1 zeigt ein recht mildes Szenario. „Mild“ deshalb, weil immer noch ein ganz ordentliches Umsatzvolumen bleibt und zudem konsequent an der Kostenschraube gedreht wird; die Tilgungen sowie beträchtliche Fixkosten (z.B. Raumkosten) machen hier die Herausforderungen aus.

Dennoch: Auf die Sicht von vier Jahren wird es sogar hier eng; auslaufende Abschreibungen und steigende Vorsorgebeiträge funken zusätzlich dazwischen. Das auf den ersten Blick mit fast 90.000 € netto beachtliche, aber nachvollziehbare Mindesteinkommen zur Deckung aller Verpflichtungen wird erreicht – nun wird es schon ernster! Mit einer solchen „Vorausschau“ können Sie Ihren „Abstieg vom toten Pferd“ ggf. rechtzeitig vorbereiten. Andernfalls drohen Sie unsanft aus dem Sattel zu kippen ...

Vielleicht gelingt es, bevor die Schließung ein Thema wird, Ihren Umsatz noch zu verkaufen – warum nicht an einen Wettbewerber? Das kann durchaus klappen.

Andernfalls heißt es: Warenlager minimieren, Betrieb planvoll herunterfahren (Personal, langfristige Verträge sowie Rückbauverpflichtungen als Kernthemen) und Ausverkauf am Ende (Warenverkauf ist besser als Warenrückgabe mit Lieferantenabschlag). Die Abwicklung einer Apotheke ist in der Tat ein eigenes Thema!

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(16):4-4