Damit es nicht zur Eskalation kommt

Fair-Streit-Regeln für das Apothekenteam


Dr. Andreas Nagel

In Apothekenteams kann es immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten kommen, weil Mitarbeiter mit unterschiedlichen Denk- und Verhaltensweisen aufeinandertreffen. Mit dem richtigen Vorgehen gelingt es zumeist, solche Probleme konstruktiv zu lösen.

Auslöser von Streitigkeiten sind in den meisten Fällen fachliche oder persönliche Differenzen zwischen einzelnen Mitarbeitern. Der Konflikt zeigt sich in kontroversen Diskussionen, persönlichen Angriffen und Sticheleien, manchmal aber auch in Verleumdungen oder Intrigen.

Wo Menschen zusammenarbeiten, werden sich solche Situationen nie völlig vermeiden lassen. Betrachten Sie daher gelegentliche Meinungsverschiedenheiten unter Ihren Mitarbeitern nicht als „zwischenmenschliche Katastrophe“, sondern eher als „normale Begleiterscheinung“ des Berufslebens. Die Beteiligten sollten allerdings möglichst zeitnah miteinander reden, um eine Eskalation ihrer Streitigkeiten zu vermeiden.

In vielen Apotheken hat es sich bewährt, im Team verbindliche Vereinbarungen für einen konstruktiven Umgang mit Streitigkeiten zu erarbeiten. Ihre Aufgabe als Apothekenleiter ist es dabei vor allem, die Moderation zu übernehmen.

Die „Fair-Streit-Regeln“ werden schriftlich fixiert und von allen Teammitgliedern unterschrieben. So geraten sie nicht wieder in Vergessenheit und können auch jedem neuen Mitarbeiter sofort kommuniziert werden. Derartige „Streitregeln“ werden natürlich für jede Apotheke individuell unterschiedlich sein.

Wenn es wirklich einmal „hart auf hart“ kommt, können die Regeln in vielen Fällen zu einem konstruktiven Ergebnis führen oder sogar dazu, dass der Streit vollständig beigelegt wird.

Wie jeder den anderen besser verstehen kann

Wie können diese Regeln nun aussehen (s.a. das Beispiel im Kasten)? In einem ersten Schritt sollten die Beteiligten versuchen, die Sichtweise ihres jeweiligen Gegenübers zu verstehen. „Verstehen“ heißt in diesem Fall nicht, der Meinung des anderen zuzustimmen. „Verstehen“ bedeutet hier lediglich, die Meinung und Denkweise des Gesprächspartners nachvollziehen zu können. Dies ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, dass man sich später einigt.

Vereinbaren Sie, dass „Ich-“ statt „Du-Botschaften“ verwendet werden, um die eigenen Sichtweisen darzustellen. Denn Gesprächspartner empfinden „Du-Botschaften“ oft als Angriff oder Vorwurf. Der Wechsel vom „Du“ zum „Ich“ nimmt dagegen die Schärfe aus den Aussagen. Statt: „Ständig informierst Du (!) mich nicht rechtzeitig!“, ist es besser zu sagen: „Damit ich rechtzeitig reagieren kann, finde ich (!) es wichtig, dass neue Informationen immer sofort weitergegeben werden.“

Vereinbaren Sie außerdem, dass die Beteiligten nicht unterbrochen werden dürfen, wenn sie ihre Sichtweisen darstellen: Der Gesprächspartner hört zunächst nur zu und kann sich bei Bedarf Notizen machen. Anschließend darf er seine eigene Sichtweise darstellen.

Ausufernde Monologe können vermieden werden, wenn Sie eine Begrenzung der Redezeit vereinbaren und durch einen Timer sichtbar machen. Sobald die vorgegebene Redezeit abgelaufen ist, muss die betreffende Person ihre Ausführungen zunächst beenden. Auf diese Weise können die Gesprächspartner im Wechsel z.B. jeweils drei Minuten ununterbrochen reden. Bei Bedarf kann dieser Wechsel mehrfach wiederholt werden. Erfahrungsgemäß sind in den meisten Fällen nach einem dreimaligen Wechsel alle wichtigen Argumente genannt worden. Dies ist meist daran erkennbar, dass Redepausen eintreten oder Aussagen mehrfach wiederholt werden.

Nachdem beide Beteiligten die Sichtweise des Gesprächspartners im Detail gehört haben, wird sich in einigen Fällen bereits das Gesprächsklima verbessern und gegenseitiges Verständnis einstellen. Oft ist es hilfreich, wenn jeder Beteiligte die Aussagen des Gesprächspartners mit eigenen Worten zusammenfasst. Auf diese Weise entsteht beim anderen das Gefühl, vollständig und richtig verstanden worden zu sein.

Gelegentlich hört man die Empfehlung, bei Streitigkeiten die Sach- von der Beziehungsebene zu trennen und das Gespräch auf die Sachebene zu konzentrieren. Das allerdings funktioniert in der Praxis häufig nicht. Denn Differenzen in Sachfragen führen meist auch dazu, dass die zuständige Person indirekt angegriffen wird. Verständnis, Respekt und Akzeptanz sind deswegen in der Regel die wichtigsten Voraussetzungen, um Streitigkeiten beilegen zu können – auch wenn es vordergründig um Sachfragen geht.

Eine wichtige Gesprächsregel lautet daher: „Verstehen statt Verurteilen: Jeder hat das Recht auf seine individuelle Meinung – egal wie abwegig mir selbst diese Meinung auch erscheinen mag.“ Die Gesprächspartner sollten sich demzufolge verpflichten, Sichtweisen und Emotionen des jeweils anderen nicht abzuwerten oder zu bagatellisieren. Beleidigungen und persönliche Angriffe verbieten sich damit ebenfalls von selbst.

Wie sich eine Einigung herbeiführen lässt

Im nächsten Schritt können die Beteiligten nun ihre Wünsche und Erwartungen nennen, indem sie die beiden folgenden Fragen besprechen:

  • „Was wünsche ich mir von meinem Gesprächspartner?“
  • „Was bin ich selbst bereit zu tun?“

Die Antworten helfen den Beteiligten, durch Zusagen und Zugeständnisse aufeinander zuzugehen. Sollte es nicht sofort zu einer Einigung kommen, können sich die Parteien am nächsten Tag erneut treffen, um eine Lösung zu finden. Tenor: „Ich schlage vor, dass jeder einmal in Ruhe darüber nachdenkt und wir morgen über eine Lösung sprechen.“ Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich manche Themen leichter und weniger emotional besprechen lassen, wenn man „eine Nacht darüber geschlafen“ hat.

Ein besonders positiver Gesprächsabschluss ergibt sich, wenn beide Gesprächspartner aussprechen, welche konstruktiven Aspekte sie aus dem Gespräch mitgenommen haben, und das Gespräch dann mit einem Händedruck beenden. Der Händedruck ist nämlich für die meisten Menschen ein positives Signal und ein Zeichen guten Willens.

Wie Sie schlichten können

Als Apothekeninhaber gehört es auch zu Ihren Aufgaben, in Streitigkeiten zwischen Mitarbeitern schlichtend einzugreifen. Ansonsten risikieren Sie, dass die Stimmung im gesamten Team beeinträchtigt wird.

Führen Sie zunächst jeweils ein Einzelgespräch mit den betreffenden Mitarbeitern, um die subjektiven Sichtweisen zu erfahren. Ergreifen Sie dabei aber nicht spontan Partei für einen der Beteiligten, sonst verlieren Sie sofort das Vertrauen und die Akzeptanz des anderen. Versuchen Sie nach den Einzelgesprächen, in einem Gespräch mit beiden Beteiligten eine einvernehmliche Lösung zu finden.

In diesem Gespräch müssen Sie nicht unbedingt selbst eine Lösung erarbeiten. Vielmehr sind Sie auch hier eher für die Moderation zuständig; die Lösung sollten idealerweise die streitenden Parteien finden. In schwierigen Fällen kann es auch sinnvoll sein, einen externen Mediator hinzuzuziehen, der von beiden Seiten als „neutral“ akzeptiert wird.

Natürlich kann es in Einzelfällen vorkommen, dass sich trotz des Gesprächs keine einvernehmliche Lösung finden lässt. Dann könnten Sie darüber nachdenken, die zerstrittenen Mitarbeiter räumlich zu trennen. So ließe sich z.B. vereinbaren, dass beide Mitarbeiter Aufgaben übernehmen, bei denen sie sich so selten wie nur möglich über den Weg laufen, oder auch, dass einer der Mitarbeiter in eine andere Filiale wechselt.

Dr. Andreas Nagel, Diplom-Ökonom, Akademie für Apothekenmanagement, 31535 Neustadt am Rübenberge, E-Mail: dr.andreasnagel@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(16):12-12