Erbschaft- und Schenkungsteuer

So weisen Sie einen niedrigeren Grundstückswert nach


Helmut Lehr

Grundstücke werden für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer vom Finanzamt „bewertet“. Halten Sie den so ermittelten Wert für zu hoch, können Sie ein eigenes Gutachten in Auftrag geben. Was Sie dabei beachten sollten, zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH).

Wenn Sie eine werthaltige Immobilie erben oder im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge geschenkt bekommen, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie Sie den steuerlichen Wert zutreffend ansetzen. Die Finanzverwaltung wendet in der Regel ein typisierendes (Ertrags- oder Sachwert-)Verfahren an, weil sie die einzelnen Grundstücke aus praktischen Gründen bislang nicht individuell bewerten kann. Erscheint Ihnen der so festgestellte Grundbesitzwert zu hoch, haben Sie die Möglichkeit, einen niedrigeren „aktuellen Wert“ nachzuweisen (vgl. AWA 17/2013).

Hinweis: Möchten Sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, sollten Sie ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Grundstücksbewertung vorlegen, das den Grundsätzen der Immobilienwertermittlungsverordnung entspricht.

Beispiel

Herr Adler bekommt von seiner Mutter ein Grundstück geschenkt, auf dem sich ein um das Jahr 1900 erbautes Miethaus mit 24 Wohneinheiten befindet. Eine durchgreifende Sanierung oder Modernisierung hat seit der Errichtung nicht stattgefunden. Das Finanzamt ermittelt zunächst einen Grundbesitzwert von 800.000 €, setzt diesen allerdings nach einer Besichtigung des Objekts wegen Renovierungsbedürftigkeit auf 700.000 € herab. Herr Adler erhebt Einspruch und klagt später vor dem Finanzgericht, weil ein privat eingeholtes Gutachten einen Wert von 630.000 € ausgewiesen hat: Die Minderung des Wertansatzes um 70.000 € könnte bei einem Steuersatz von 19% immerhin zu einer Ersparnis von 13.300 € führen.

Schlechter Gebäudezustand ist zu berücksichtigen

Über einen vergleichbaren Fall hat der BFH kürzlich entschieden und dabei grundsätzlich zugunsten der Steuerpflichtigen bestätigt, dass Instandsetzungskosten durch Abschläge zu berücksichtigen sein können (Urteil vom 24.10.2017, Aktenzeichen: II R 40/15). Dies setze aber voraus, dass dem schlechten Zustand des Gebäudes im Rahmen der Bewertung bei den Erträgen, Bewirtschaftungskosten und der Restnutzungsdauer nicht ausreichend Rechnung getragen worden ist.

Im Streitfall war die Klage allerdings nicht erfolgreich: Offenkundig hatte der Gutachter nur eine (leerstehende) Wohnung in Augenschein genommen und sich ansonsten auf die Aussage seines Auftraggebers verlassen, dass die übrigen Wohnungen noch in unsaniertem Zustand seien – was als „schwerer Fehler“ gewertet wurde. Denn nach Ansicht des BFH ist der „Nachweiswert“ eines Gutachtens umso geringer, je weniger unmittelbare tatsächliche Erkenntnisse dem Sachverständigen vorliegen.

Keine „Gefälligkeitsgutachten“

Das Urteil des BFH setzt sich ausführlich mit den Anforderungen an Gutachten auseinander, die einen niedrigeren „aktuellen Wert“ nachweisen (sollen) – insbesondere bei stark renovierungsbedürftigen Objekten (vgl. Checkliste). Diese Grundsätze müssen Sie unbedingt beherzigen, weil Sie andernfalls die (zum Teil nicht unerheblichen) Kosten für ein privat in Auftrag gegebenes Gutachten womöglich vergeblich aufgewendet haben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Ausgaben für das Gutachten bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer nicht „abgesetzt“ werden können. Und bei der Einkommensteuererklärung bleiben solche Aufwendungen ebenfalls außen vor.

Es versteht sich von selbst, dass ein Gutachten auch nur dann in Auftrag gegeben werden sollte, wenn eine realistische Chance besteht, dass die Kosten für das Gutachten deutlich unter der möglichen Steuerersparnis liegen. Gegebenenfalls sollten Sie dies vorab kurz mit Ihrem steuerlichen Berater erörtern.

Hinweis: Der BFH teilt ganz offenbar auch die Einschätzung des Finanzgerichts in erster Instanz, wonach Verkehrswertgutachten nach der richterlichen Erfahrung in nicht wenigen Fällen „unschlüssig“ und damit mangelhaft sind. Bereits aus diesem Grund muss hier sehr gründlich gearbeitet werden.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(16):16-16