Im Tunnel der Trauer

Wie Sie mit betroffenen Mitarbeitern umgehen


Ute Jürgens

Sie haben gerade erfahren, dass ein naher Angehöriger eines Mitarbeiters schwer erkrankt oder verstorben ist. Wie reagieren Sie? Wie reden Sie mit Ihrem Angestellten? Was können Sie tun, um in dieser schwierigen Situation zu helfen?

Grundsätzliches voraus: Jeder Mensch trauert anders. Sie können also nicht von Ihren eigenen Erfahrungen ausgehen, wenn sich einer Ihrer Mitarbeiter im „ersten Schockzustand“ befindet.

Sei es, dass ein Kind schwer erkrankt oder der Ehepartner tödlich verunglückt ist – oft genug erscheinen die Angestellten erst einmal gewohnheitsmäßig pflichtbewusst bei ihrer Arbeit. Hier treffen sie auf das normale, oft hektische Alltagsgeschehen. Manch einem hilft es, sich aus seinem Zustand „herauszukatapultieren“ und den Schmerz einen Moment zu verdrängen, indem man sich konzentriert in die Arbeit stürzt. Andere wiederum sind nicht fähig, sich auf ihre Umgebung einzulassen. „Abgetaucht, wie gelähmt, im Trauertunnel ohne Kontakt nach außen“ – so oder ähnlich werden die Gemütszustände beschrieben.

Ebenfalls höchst unterschiedlich ist das Redebedürfnis: Während die einen gar nicht erst auf das Geschehene angesprochen werden möchten und sich dadurch gegebenenfalls auch vom Team isolieren, legen die anderen Wert darauf, wiederholt und ausführlich zu schildern, was Sie erlebt haben und noch erleben.

Wie aber reagieren Sie, wenn Sie den Betroffenen im Apothekenalltag begegnen? Unsensible Sprüche wie „Das geht vorbei!“, „Das ist nur jetzt schwierig!“ oder sogar – nach einigen Monaten – „Geht es Ihnen immer noch nicht besser?“ bleiben lieber ungesagt. Gut Gemeintes wie „Ihrem Vater geht es da, wo er jetzt ist, sicherlich besser!“ oder „Das war doch kein Leben mehr!“ negieren das Bedürfnis der Betroffenen zu trauern. Auch das ist natürlich unangebracht. Angemessen hingegen sind beispielsweise die Fragen „Wie geht es Ihnen heute?“ oder „Was brauchen Sie gerade?“

Wie Sie das Gespräch mit Betroffenen vorbereiten

Ein Arbeitsteam stellt eine soziale Gruppe dar. Folglich ist es die Aufgabe aller, sich dem betroffenen Mitarbeiter zuzuwenden. Gerade Sie als Chef sollten deshalb ein Gespräch anbieten.

Sie können Ihren Mitarbeiter gleich morgens früh bitten, auf ein Gespräch zu Ihnen ins Büro zu kommen, oder andernfalls auch einen Termin mit ihm vereinbaren. Um ihm eine eventuelle „Sorge“ vor den Inhalten zu nehmen, ist es wichtig, dass Sie den Sinn und Zweck des Gesprächs benennen: Es soll dazu dienen, dass sich beide Seiten in der bedauernswerten gegenwärtigen Situation orientieren können. Sie selbst benötigen – nicht zuletzt, um im Sinne des Mitarbeiters planen zu können – noch einige Informationen. Gleichzeitig möchten Sie auch Ihre Hilfe anbieten.

Wenn der Mitarbeiter Ihnen mitteilt, dass er das Gespräch nicht führen möchte, weil er gerade nicht dazu in der Lage ist, sollten Sie dies allerdings akzeptieren – ebenso auch, wenn er ein möglicherweise schon begonnenes Gespräch abbricht. So zeigen Sie, dass Sie Verständnis für seine schwierige Situation haben.

Bevor ein Gespräch stattfindet, sollten Sie es natürlich adäquat vorbereiten. Erkundigen Sie sich dazu bei den anderen Angestellten schon einmal vorab, wer den betroffenen Kollegen zu welchen Zeiten vertreten könnte. Informieren Sie sich außerdem über die persönlichen Umstände des Betroffenen, sofern Sie diese nicht kennen. Und fragen Sie Ihre Mitarbeiter auch, ob sie eventuell noch Ideen haben, wie man den Kollegen unterstützen könnte?

Einen Leitfaden für schwierige Gespräche bietet der Arzt und Schriftsteller Jalid Sehouli an [1]. Er empfiehlt, eine schriftliche Liste mit denjenigen Punkten zu erstellen, die Sie ansprechen wollen. Lassen Sie sich im Gespräch aber auch von Ihrer Intuition tragen: Sie werden schon merken, wenn etwas unpassend ist.

Außerdem sollten Sie bei der Vorbereitung noch an Folgendes denken:

  • Erkundigen Sie sich, an welche Adressen in Ihrer Umgebung man sich zu den Themen „Trauer“, „Selbsthilfegruppen“ etc. wenden kann. Erstellen Sie auch dazu eine Liste.
  • Direkt vor dem Gespräch empfiehlt sich eine kurze Pause, um selbst zur Ruhe zu kommen und sich innerlich auf das Kommende einzustellen.
  • Planen Sie genug Zeit für das Gespräch ein, und sorgen Sie überdies dafür, dass Sie nicht gestört werden.
  • Stellen Sie Getränke, Taschentücher und Schreibutensilien bereit.

Was im Gespräch wichtig ist

Sofern Sie der betroffenen Person nicht eng verbunden sind, wissen Sie in der Regel auch nicht, was ihr gerade wichtig ist. Deswegen bieten sich für die Gesprächsführung beispielsweise die folgenden Fragen an [1]:

  • „Was können das Team und ich für Sie tun? Und gibt es etwas, was Sie im Augenblick gar nicht gebrauchen können?“
  • „Ist es Ihnen lieber, etwas Ruhe zu haben? Oder möchten Sie abgelenkt werden?“
  • „Ist es jetzt das Richtige für Sie, sich auf den Handverkauf zu konzentrieren? Oder möchten Sie lieber etwas sortieren etc.?“

Sie sollten Ihrem Mitarbeiter überdies – im Rahmen des Möglichen – anbieten, Urlaub zu nehmen oder verkürzt zu arbeiten. Dann lässt sich auch darauf verweisen, dass sich das Team schon überlegt hat, wer wann einspringen könnte.

Es kann durchaus sein, dass Ihr Mitarbeiter während des Gesprächs von Emotionen „überwältigt“ wird und deswegen zu weinen beginnt oder sich gar vorwurfsvoll oder ärgerlich zeigt. Das ist allerdings für schwierige Lebenssituationen völlig normal. Insofern sollten Sie einen „Gefühlsausbruch“ unbedingt akzeptieren, ohne aber weiter darauf einzugehen.

Lassen Sie Gesprächspausen zu und formulieren Sie das gegebenenfalls auch: „Sie haben die Zeit, die Sie brauchen!“ Denn im gemeinsamen Schweigen liegen oft auch Unterstützung, Trost und Zuwendung.

Das Gespräch beenden können Sie beispielsweise mit folgender Formulierung: „Passen Sie jetzt bitte gut auf sich auf! Viele von uns tun sich schwer, Hilfe von anderen Menschen anzunehmen. Wir haben hier aber eine kleine Liste mit hilfreichen Adressen zusammengestellt, an die Sie sich bei Bedarf wenden können. Das Team und ich wollen Sie sicherlich nicht ‚belästigen’, aber wenn wir helfen können, geben Sie uns bitte Bescheid.“ Und bei der Verabschiedung erweist sich kleines unverfängliches Geschenk, wie z.B. Blumen, als nette Geste.

Übrigens: Wenn es sich im Verlauf des Gesprächs anbietet, können Sie Ihrem trauernden Angestellten den Tipp geben, das, was ihm durch den Kopf geht, schriftlich festzuhalten. Denn es hilft Trauernden, sich ihren Gefühlen und Gedanken zu stellen, ohne sie zu bewerten. Und das funktioniert beim Aufschreiben besser als beim bloßen Nachdenken [2, 3].

Und Sie selbst?

Seien Sie sich bewusst, dass Sie in einen Rollenkonflikt geraten können [1]: Wenn Ihr Angestellter z.B. wesentlich jünger ist als Sie, übernehmen Sie innerlich vielleicht eine Mutter- oder Vater-Rolle – und werden auch von Ihrem Gegenüber so wahrgenommen. Allerdings sollten sich Ihre Interessen, Gefühle und Handlungsweisen als Führungskraft von denen etwa eines guten Bekannten unterscheiden. Hier gilt es also immer, die Balance zwischen „geschäftlich“ und „persönlich“ zu wahren.

Schließlich kann es auch vorkommen, dass Sie sich an ähnliche eigene Lebenssituationen erinnern und unversehens von Trauer etc. überwältigt werden. Wichtig ist es dann, dass Sie diese Gefühle nicht überspielen, sondern sie vielmehr akzeptieren.

Service

Literatur:

[1] Sehouli, J.: Von der Kunst, schlechte Nachrichten gut zu überbringen. München: Kösel-Verlag 2018

[2] Kuby, C.: Gelebte Inkarnation – Meine unglaublichen Erfahrungen. München: Kösel-Verlag 2018

[3] Schulte, B.: Der Seele Trost – Mein Trauer-Tagebuch. Köln: Helmut Lingen Verlag 2017

hilfreiche Links:


Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(17):12-12