Lohnerhöhung

Fröhliches Umverteilen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

3% mehr – das ist das Ergebnis der diesjährigen Lohnrunde in den Apotheken, gültig für die meisten Regionen. Bei einer Bruttolohnsumme aller Offizin-Apotheken (ohne Versand und Spezialversorgung) von rund 4 Mrd. € und Lohngesamtkosten mit Nebenkosten, Umlagefinanzierung und Berufsgenossenschaftsbeiträgen von fast 5 Mrd. € bedeutet das an die 150 Mio. € mehr Lohnaufwand.

Das sind etwa 7.500 € je Durchschnittsapotheke oder 1,4% des Rohertrages. Letzterer muss erst einmal entsprechend wachsen. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass diese Lohnerhöhung durchgehend gewährt wird. Daran bestehen Zweifel. Nicht alle Apotheken sind an Tarifverträge gebunden, und bei übertariflichen Gehältern kann je nach Vertragsgestaltung eine Anrechnung auf den übertariflichen Anteil erfolgen, die Erhöhung also möglicherweise unterbleiben oder abgeschwächt ausfallen. Selbst wenn also das Lohnplus etwas geschmälert ankommt – es ist bundesweit in jedem Falle eine Summe, wie sie z.B. im Nacht- und Notdienstfonds insgesamt steckt.

Doch was bleibt dem einzelnen Mitarbeiter unter dem Strich? Dazu zwei Beispiele.

Eine PTA ohne Kinder mit 2.500 € Bruttogehalt hat bisher bei 1,1% GKV-Zusatzbeitragssatz und ohne Kirchensteuer in Steuerklasse I etwa 1.667 € netto, in Steuerklasse III 1.898 € zur Verfügung. 3% mehr Lohn, entsprechend 2.575 € brutto monatlich, bedeuten netto 1.707 € bzw. 1.943 € – eine Differenz von rund 40 € bzw. 45 €. Etwa 15,50 € von der Lohnerhöhung fressen auf der Arbeitnehmerseite die Sozialversicherungen, den Rest die Lohnsteuer.

Pro gearbeitetem Jahr erhält unsere Beispiel-PTA daraus bislang etwa 26,30 € monatlichen Rentenanspruch in der allgemeinen Rentenversicherung, nach der Lohnerhöhung werden daraus 27,10 € im Westen und ohne 13. Gehalt. Für den Arbeitgeber werden aus den 75 € Lohnplus knapp 90 € Mehrbelastung, noch ohne Umlage (U1/U2) und Berufsgenossenschaftsbeitrag.

Das 13. Gehalt sei an dieser Stelle unterschlagen – hier schlägt der Abgabenhammer nochmals stärker zu, was bekanntlich durch den Lohnsteuerjahresausgleich wieder gemildert werden kann.

Das zweite Beispiel: Eine kinderlose Approbierte mit bislang 4.000 € brutto geht mit rund 2.436 € in Steuerklasse I bzw. 2.758 € in Steuerklasse III nach Hause. Mit nunmehr 4.120 € werden daraus rund 2.494 € bzw. 2.825 €, also 58 € bzw. 67 € mehr. Etwa 25 € nehmen wiederum die Sozialversicherungen vom Lohnplus in Beschlag, der Rest ist der Lohnsteuer geschuldet. Der Arbeitgeber muss mindestens 143 € monatlich mehr entrichten – und somit für einen einzigen Euro netto zusätzlich zugunsten seiner Mitarbeiterin je nach deren Steuerklasse fast 2,50 € bzw. etwa 2,15 € in die Hand nehmen. Das trägt schon groteske Züge, die sich bei höheren Gehältern und Abzügen (z.B. Kirchensteuer, höhere GKV-Beiträge) noch verstärken.

Doch damit nicht genug: Vom vermeintlichen „Netto“ gehen bei jedem Einkauf, jedem Tanken oder schlicht nur fürs Dasein weitere Abgaben wie Mehrwertsteuer, Energiesteuern, die Rundfunkgebühr (ja eine Quasi-Zwangsunterhaltungssteuer) und vieles mehr ungefragt ab. Wir sind damit schon längst in einer „Taschengeldgesellschaft“ angekommen.

48 Mrd. € Überschüsse im ersten Halbjahr 2018 in den Steuer- und Sozialkassen werden so erklärlich: Sie sind weniger der guten Konjunktur geschuldet (so toll ist die gar nicht), sondern einer höchst ausdifferenzierten und effizienten „Melkmaschine“ mit zig Stellschräubchen. Und es wird immer mehr gemolken, siehe nur die Jagd auf die Barkassen samt Kassennachschau und vieles mehr.

Umso mehr erstaunt, dass verstärkt nach Umverteilung gerufen wird, auch von uns. Oder erstaunt es gerade nicht, weil man ein wenig an den Umverteilungsorgien teilhaben möchte, und sei es nur mit einem kleinen Kuchenstück? Langfristig werden jene Gesellschaften große Probleme bekommen, welche die Eigenverantwortung sowie wettbewerbs- und leistungsorientierte Ansätze zunehmend konterkarieren. Unser Umverteilungsparadies ist keine isolierte Insel fern der Weltrealitäten.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(18):19-19