Der feine Unterschied

Arbeit, Leistung, Produktivität und Mehrwert


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Was wird geklagt, dass Leistungen der Apotheke nicht adäquat honoriert werden! Viele dieser Leistungen werden seitens der Kunden, Kostenträger oder Ärzte nicht einmal wahrgenommen bzw. als sinnstiftend oder vorteilbringend erkannt. Vielmehr legt man sie unter der Rubrik "Selbstverständlichkeiten" ab oder sieht sie als sinnfreie, vermeintlich existenzsichernde Umstandskrämerei mit lediglich scheinbarer Relevanz. All dies deutet auf ein Kommunikationsproblem des Berufsstandes hin, der fatale Neigungen zur Selbstfesselung und Selbstverzwergung entwickelt hat.

Aus der Physik kennen wir noch den Unterschied zwischen Arbeit (=Kraft mal Weg) und Leistung. Letztere ist die Arbeit dividiert durch die Zeit, in der die Arbeit erbracht wurde. Verbucht z.B. PKA Mayer 60.000 Packungen, PKA Schulze hingegen 80.000, arbeitet Schulze ein Drittel mehr. Geschieht dies im jeweils gleichen Zeitraum (z.B. in einem Jahr), leistet sie auch entsprechend mehr. Wie sinnvoll das ist ("Mehrwert" bzw. Wertschöpfung), steht auf einem ganz anderen Blatt. Ähnlich der Vergleich zweier HV-Mitarbeiter, von denen der eine – bei gleichem Kundenertrag – zehn Kunden je Stunde bedient, der andere zwölf. Idealerweise honoriert man als Arbeitgeber Leistung oder gar Wertschöpfung – und nicht bloße Arbeit. So weit, so einfach.

Nach neuen Umfragen macht die große Mehrheit der Angestellten "Dienst nach Vorschrift", gut jeder Zehnte hat gar innerlich gekündigt. Mitarbeiter neigen also dazu, sich schlimmstenfalls nur die Anwesenheit, ansonsten gerne die Arbeit und nur selten die Leistung oder gar die Wertschöpfung honorieren zu lassen. Natürlich fehlt es nicht an Ansätzen, dem beizukommen: Friseure vermieten schon lange einen Teil ihrer "Stühle" an rechtlich selbstständige Kollegen. Das bringt kalkulierbare Einnahmen und hält Krankheits- und Leistungsrisiken klein. Das Pendant in der Apotheke wären vermietete HV-Tische, die Ware wird zu festgelegten Konditionen beim Inhaber bezogen. Fragen Sie doch mal im nächsten Bewerbungsgespräch, was der Bewerber für einen solchen Tisch zu zahlen gedenkt … (ja, sicher ein kleiner Scherz, aber doch mit einem wahren Kern). Selbst in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) und Großpraxen mit immer mehr angestellten Ärzten ist die "leistungsorientierte Honorierung" heute ein großes Thema und kein einfaches Unterfangen.

Auf Ebene des gesamten Betriebs zählt zudem die Produktivität, erst einmal recht schlicht definiert als "Output" geteilt durch "Input". Geeignete Größen für den Output wären die Kunden oder Packungen je Zeiteinheit. Der Input wären Größen wie die dafür aufgewandten Mitarbeiterstunden oder das eingesetzte Kapital.

Als Chef bezahlen Sie also tunlichst nach Leistung und achten in Ihrem Controlling auf die Produktivität. Das reicht aber nicht ganz. Kunden bzw. Kostenträger bezahlen idealerweise nur Leistung mit einem Mehrwert! Und der Mehrwert hat objektive wie subjektive Komponenten – deshalb ist er eine Frage der Perspektive. Kunden, Krankenkassen und Anbieter haben da ganz unterschiedliche Ansichten.

Dazu ein Gedankenexperiment – nämlich HV-Tische in der Apotheke mit und ohne Beratung, klar als solche gekennzeichnet. Ohne Beratung sollen Arzneimittel über einem gewissen Schwellenpreis von z.B. 10 € dann pauschal 3 € weniger kosten (3 € decken im Schnitt etwa die Kosten der Beratungszeit je Arzneimittelpackung). Einerseits würden Sie wahrscheinlich erschrecken, an welchen Tischen die Kunden dann mehrheitlich stehen werden. Andererseits würden Sie staunen, wie viel manche Kunden für eine hochwertige Beratung auszugeben bereit sind – weit über den heutigen Sätzen, weil eben der (und sei es nur gefühlte) Mehrwert da ist.

Erfolgreiche Zukunftskonzepte sollten sich genau auf solche Mehrwerte konzentrieren, die zum einen stets eine subjektive Komponente haben. In der Apotheke dürften das vor allem menschliche und verschiedene Wohlfühl-Faktoren sein. Zum anderen gibt es aber auch eine ganz objektive Ebene, wie eine messbare Verbesserung der Lebenssituation. Gelingt es, diese beiden Mehrwertebenen zu entwickeln sowie nach außen transparent und erlebbar zu machen, brauchen sich die entsprechenden Apotheken um ihre Zukunft wenig zu sorgen.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(19):19-19