Das äußere Erscheinungsbild der Apotheken-Mitarbeiter

Was Sie zum Kopftuchverbot wissen sollten


Dr. Britta Bradshaw

Durch sein Weisungsrecht darf ein Apothekenleiter seinen Angestellten grundsätzlich auch Anweisungen zur Arbeitskleidung geben. Geht es bei der Bekleidung jedoch speziell um das glaubensbedingte Tragen eines Kopftuches, wird es kompliziert.

Zum Thema "Kopftuchverbot" gab und gibt es zahlreiche Diskussionen in Politik und Medien. Im AWA wurde das Thema ebenfalls bereits aufgegriffen (vgl. AWA 17/2016). In diesem Beitrag sollen nun die deutsche Rechtslage dargestellt und zwei Entscheidungen berücksichtigt werden, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im März 2017 gefällt hat.

Arbeitgeberrechte versus Arbeitnehmerrechte

Durch Ihr Direktionsrecht sind Sie als Arbeitgeber berechtigt, Ihren Arbeitnehmern Weisungen bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit zu erteilen (vgl. AWA 11/2018). Sie dürfen dabei insbesondere auch Anweisungen zum äußeren Erscheinungsbild Ihrer Mitarbeiter geben. Sinn und Zweck ist es, dass Sie frei über die Gestaltung Ihres Betriebes sowie über seine Außenwirkung verfügen können. Dieser Ausdruck der freien Ausübung der Unternehmerschaft ist durch Ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht als Arbeitgeber gemäß Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie durch Ihr Recht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 GG geschützt (Landesarbeitsgericht [LAG] Nürnberg, Urteil vom 27.03.2018, Aktenzeichen: 7 Sa 304/17).

Beschränkt wird Ihr Direktionsrecht zum einen durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, zum anderen durch die Religionsfreiheit gemäß Art. 4 GG, soweit diese das Tragen von religiösen Symbolen oder Kleidungsstücken betrifft. Während bei Kleidungsvorschriften, die das Recht des Arbeitnehmers auf freie Persönlichkeitsentfaltung nur allgemein berühren, auch Argumente wie die "Corporate Identity" für die Zulässigkeit eines Verbotes sprechen können, ist die Rechtslage bei Anweisungen, die die Religionsfreiheit betreffen, komplexer. Hier sind nämlich der Gleichbehandlungsgrundsatz bzw. das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 3 GG gegen Ihr Recht auf unternehmerische Freiheit abzuwägen.

Diskriminierungsverbot

Im Rahmen der Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien (RL) ist in Deutschland im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) das Benachteiligungsverbot detailliert geregelt worden. Bei der Anwendung des AGG sind sowohl die deutschen Grundrechte als auch die Auslegung des EuGH bezüglich derjenigen RL zu beachten, die im Rahmen des AGG umgesetzt wurden.

Im AGG wird zwischen einer unmittelbaren Benachteiligung und einer mittelbaren Benachteiligung unterschieden. Gemäß §3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person z.B. wegen ihrer Religion eine weniger günstige Behandlung erfährt, als sie eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung liegt dagegen gemäß §3 Abs. 2 AGG dann vor, wenn Personen durch dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren z.B. wegen ihrer Religion gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden können. Eine unmittelbare Benachteiligung aufgrund der Religion lässt sich nur schwer rechtfertigen, bei einer mittelbaren Benachteiligung ist dies schon etwas leichter.

Entscheidungen des EuGH

Der EuGH musste sich in zwei Fällen mit der Zulässigkeit eines Kopftuchverbotes durch den Arbeitgeber auseinandersetzen. Im ersten Fall wurde die Mitarbeiterin eines französischen Unternehmens mit häufigem Kundenkontakt nach mehreren Kundenbeschwerden angewiesen, während der Arbeitszeit kein Kopftuch mehr zu tragen. In seiner Entscheidung bestätigte der EuGH, dass die Anweisung und die sich an die Weigerung anschließende Kündigung unwirksam seien (Urteil vom 14.03.2017, Aktenzeichen: C-188/15). Denn in der Kündigung, die sich nur auf individuelle Kundenwünsche stütze, liege eine unmittelbare Benachteiligung gemäß Art. 4 Abs. 1 der RL 2000/78/EG vor, die nur ausnahmsweise durch wesentliche, entscheidende berufliche Anforderungen gerechtfertigt werden könne. Dem EuGH zufolge können nun aber lediglich objektive berufliche Anforderungen (z.B. Sicherheitsgründe) – und nicht subjektive Wünsche des Arbeitgebers – eine solche unmittelbare Benachteiligung rechtfertigen.

Im zweiten Fall wurde einer Rezeptionistin in einem belgischen Unternehmen verboten, ihr Kopftuch bei der Arbeit zu tragen. Diese Anweisung stützte sich auf eine interne Regelung, die das sichtbare Tragen jeglichen politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz generell betraf: Es war untersagt, sowohl eine Kette mit Kruzifix-Anhänger als auch eine jüdische Kippa oder ein islamisches Kopftuch zu tragen. Deswegen lässt sich nach Ansicht des EuGH in der Regelung keine unmittelbare Benachteiligung sehen (Urteil vom 14.03.2017, Aktenzeichen: C-157/15).

Führe eine entsprechende Regelung jedoch dazu, dass Personen mit bestimmter Religion und Weltanschauung in besonderer Weise benachteiligt würden, könne eine mittelbare Benachteiligung entstehen. Diese lasse sich jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich rechtfertigen, wenn die Mittel zum Erreichen dieses Ziels angemessen und erforderlich seien. Der EuGH hat ausgeführt, dass solch ein rechtmäßiges Ziel dann vorliege, wenn der Arbeitgeber eine umfassende Neutralität verfolge. Die darauf gestützte Kündigung sei gerechtfertigt, wenn

  • die intern geltende Regelung zuvor klar definiert worden ist,
  • direkter Kundenkontakt besteht,
  • die Regel kohärent und systematisch umgesetzt wird und
  • es für die betroffene Beschäftigte keine alternative Beschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt gibt (vgl. Brors, C., Arbeit und Recht 3/2018, S. 112ff.).

Der EuGH sah diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt und hat die Anweisung dementsprechend für wirksam erklärt.

Folgen in der deutschen Rechtsprechung

Die deutschen Gerichte müssen sich bei der Auslegung der in deutsches Recht umgesetzten RL grundsätzlich an den EuGH halten. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das an eine Rechtsreferendarin erteilte Verbot, während einer Sitzungsleitung im Gerichtssaal ein Kopftuch zu tragen, wegen des staatlichen Neutralitätsgebots für gerechtfertigt erklärt (Beschluss vom 27.06.2017, Aktenzeichen: 2 BvR 1333/17). Abgestellt hat es dabei jedoch auch auf die besondere Situation bei Gericht, in der die Beteiligten keine "Wahlmöglichkeit" hätten, da sie mit der Referendarin als Teil des Rechtssystems konfrontiert würden.

Das LAG Nürnberg hat jüngst die Weisung eines Arbeitgebers, eine Arbeitnehmerin dürfe ihre Arbeit aufgrund des umfassenden Neutralitätsgebotes im Unternehmen nur ohne Kopftuch ausüben, für unwirksam erklärt (vgl. das erwähnte Urteil vom 27.03.2018). Da das LAG jedoch in seiner Begründung von den Maßstäben des EuGH abgewichen ist, liegt der Fall auf Betreiben der Arbeitnehmerin nun dem Bundesarbeitsgericht vor (Aktenzeichen: 10 AZR 299/18).

Bedeutung für Apotheken

Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit eines Kopftuchverbotes in Apotheken ist demnach zunächst, dass eine Regelung zur religiösen, philosophischen und politischen Neutralität existiert, die auch stringent umgesetzt wird. Einzelne Kundenwünsche dürfen nicht berücksichtigt werden. Vielmehr ist der Arbeitgeber ohne Vorhandensein einer solchen Regelung verpflichtet, seine Arbeitnehmerin vor Anfeindungen zu schützen.

Gerade in Apotheken, in denen fast alle Mitarbeiter auch Kontakt zum Kunden haben und in denen die Beratungssituation ja eine besondere ist, besteht die Chance, dass die Anweisung, ein Kopftuch abzulegen, zulässig sein könnte. Wie letztlich die Gerichte im Einzelfall entscheiden werden, ist jedoch ungewiss. Grundsätzlich ist es allerdings sinnvoll, eine Arbeitsanweisung für Kleidung und Kopfbedeckung zu erlassen.

Dr. Britta Bradshaw, Rechtsanwältin, Kanzlei Winterstein, 22926 Ahrensburg, E-Mail: bradshaw@kanzlei-winterstein.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(19):12-12