An den Kundenbedürfnissen vorbei?

Wie Sie das anbieten, was Ihre Kunden wollen


Karin Wahl

Die Situation für Apotheken ist alles andere als sicher. Deshalb ist es zentral, dass Sie sich fit für die Zukunft machen. Eine wichtige Stellschraube dazu bietet Ihr Angebot. Wie Sie richtig an dieser Schraube drehen, erfahren Sie im folgenden Beitrag.

Die drohenden Zukunftsprobleme für Vor-Ort-Apotheken sind leicht auszumachen. Dazu zählen beispielsweise der Versandhandel, der zunehmende Einfluss von Digitalisierung und Globalisierung sowie der Mangel an Fachkräften. Bei all diesen Problemen weiterhin erfolgreich bestehen zu können, mutet beinahe wie die Quadratur des Kreises an – vor allem wenn Sie bemerken, wie allein Sie unter Umständen dastehen. Denn schließlich vertreten die Politik, der Großhandel, die Industrie und die Krankenkassen ebenso wie die Ärzteorganisationen nicht unbedingt die Interessen des Einzelunternehmers Apotheker.

Also ist Hilfe zur Selbsthilfe angesagt. Das bedeutet nun aber nicht zwangsläufig, dass Sie (eventuell horrende) Honorare für einen Berater zahlen müssen. Vielmehr ist es auch möglich, mit dem eigenen Team Abhilfe zu schaffen. Dafür bedarf es allerdings gut ausgebildeter Mitarbeiter, die beispielsweise dank der EDV heutzutage viele Listen leicht selbst erstellen und auch Erhebungen selbst durchführen können. Derartige Möglichkeiten nehmen Apotheken nur leider häufig nicht wahr.

Zentral muss es immer sein, dass Sie erkennen, was Ihre Kunden wünschen – und dass Sie Ihr Angebot daran ausrichten. Denn schließlich sind es die Kunden, die Ihnen Ihren Umsatz sichern – und die es deswegen an die Apotheke zu binden gilt.

Den eigenen Standort kennen

Möglich ist dies etwa über das angebotene Sortiment. Allerdings haben viele Apotheken daran während der letzten fünf Jahre nichts Wesentliches geändert – abgesehen davon vielleicht, dass außer Handel genommene Artikel "verbannt" und Novitäten aufgenommen wurden. Hierdurch allein erfüllen Sie jedoch die Wünsche Ihrer Kunden nicht. Damit das gelingt, sollten Sie Ihr Sortiment genau an den Bedürfnissen ausrichten – und dafür z.B. die folgenden Standortfaktoren stets im Blick behalten:

  • das Verhältnis von Privat- und Laufkunden zu reinen GKV (gesetzliche Krankenversicherung)-Rezeptkunden,
  • das Verhältnis der entsprechenden Umsätze,
  • Schwerpunktpraxen (wie z.B. Dermatologen, Zahnärzte ohne eigenen Dentalshop oder auch Heilpraktiker) in der Nähe,
  • Kundencharakteristika (Geschlecht, Alter etc.),
  • die häufigsten Indikationen nach neutraler Analyse der Rezepte unter Beachtung des Datenschutzes und
  • die örtliche Kaufkraft, die Sie oft schon auf der Homepage der Gemeinde finden.

Wenn Sie etwa wissen, dass die Kaufkraft in Ihrer Umgebung eher gering ist, sollten Sie z.B. Kosmetika sowie Körper- und Zahnpflegeprodukte auch für den "kleinen Geldbeutel" anbieten.

Ein Beispiel

Dass Sie aber nicht nur das Sortiment an Ihren Kunden ausrichten sollten, mag das reale Beispiel einer Apotheke verdeutlichen, die sich bislang nicht sonderlich von der ortsansässigen Konkurrenz abgehoben hatte. Als der Apothekeninhaber allerdings einen Vortrag zur "Zukunftsfähigkeit einer Apotheke in sich wandelnden Zeiten" hörte, wurde er aufgerüttelt.

Gemeinsam mit dem Team begann er, EDV-Daten auszuwerten: Man filterte die meistverordneten wie auch -verkauften Artikel heraus und listete die am häufigsten vorkommenden Krankheiten auf. Zudem wurden mögliche neue externe Kooperationspartner ermittelt. Von der Gemeinde erhielt man weiterhin Informationen über die Anzahl der Single- und Familienhaushalte, über die ethnische Zusammensetzung der ansässigen Bevölkerung sowie auch über die örtliche Kaufkraft. Und schließlich führte man eine Befragung durch, um zu evaluieren,

  • was die Kunden gut fanden,
  • was sie vermissten,
  • welche ganz konkreten Angebote sie sich wünschten,
  • welche Angebote an Dienstleistungen sie nutzten bzw. nicht nutzten und welche Dienstleistungen sie noch vermissten sowie
  • wie die Kunden das Preis-Leistungs-Verhältnis einschätzten.

Auf dieser Basis stellte das Team schnell fest, dass das vorhandene Angebot alles andere als auf die Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten war. Gemeinsam entwickelte man daraufhin einen Plan, um diesen Missstand sukzessive zu beheben.

Welche Maßnahmen "eingeläutet" wurden

Aus der Kundenbefragung hatte sich unter anderem ergeben, dass die immer noch praktizierte Preisbildungsmethode "Einkaufspreis plus 40% plus Mehrwertsteuer" nicht mehr zeitgemäß war und dazu führte, dass viele Kunden ihre Präparate nicht in der Apotheke kauften. Insofern passte man die Preise an, indem man differenziert kalkulierte: Indikatorartikel, die jeder Kunde kennt, wurden günstig angeboten. Die Verkaufspreise für weniger bekannte Produkte hingegen setzte man etwas höher an. In der Folge empfanden die Kunden die Apotheke nicht mehr als zu teuer, und der Ertrag "stimmte" dennoch.

Weil viele Patienten mit onkologischen Erkrankungen Kunden der Apotheke waren, versuchte man herauszufinden, welche besonderen Bedürfnisse diese Patienten hatten. Zu diesem Zweck fanden Gespräche mit Spezialanbietern von enteraler Ernährung statt. Außerdem hielt eine erfahrene Krankenschwester aus der nahegelegenen Klinik vor dem Apothekenteam mehrere Vorträge darüber, was in puncto Ernährung, Hautpflege und Hygiene bei onkologischen Patienten wichtig ist. Anschließend konnten dann in der Nähe der Handverkaufstische einige Regale mit entsprechenden Präparaten bestückt werden. Die Hersteller unterstützten mit Materialien, Kennenlern-Mustern und praktischen Tipps.

Im Laufe der Zeit entstanden Synergieeffekte: Denn auch Patienten mit dermatologischen Erkrankungen benötigen schließlich spezielle Kosmetika und Hautpflegeprodukte. Ebenso haben Patienten mit Diabetes häufig sowohl Probleme mit ihrer Ernährung als auch mit ihrer Haut.

Um sich besser an den Bedürfnissen dieser und weiterer Patientengruppen ausrichten zu können, erwarben einzelne Mitarbeiter – unterstützt von der Apothekenleitung – immer mehr Spezialwissen. Sie boten dann im Laufe der Zeit sogar Sprechstunden für einzelne Patienten an. Denn es wäre zu zeitaufwendig gewesen, diese Patienten während des laufenden Betriebs zu beraten.

Hierbei bewährte sich auch der frisch sanierte Beratungsraum: Er verfügte über eine EDV, die sich beispielsweise auch für unterstützende Präsentationen nutzen ließ. Zudem konnten die Mitarbeiter mit diversen Geräten etwa den Blutdruck, den Blutzucker sowie weitere Blutwerte messen und die Patienten anschließend kompetent beraten.

Wie die Apotheke profitierte

In der Folge all dieser Maßnahmen "explodierten" die Umsätze regelrecht. Denn die Apotheke bediente damit die wahren Bedürfnisse der Patienten: Man half ihnen gezielt, die Nebenwirkungen ihrer Therapien zu lindern und trug somit zur Lebensqualität bei (vgl. auch AWA 18/2018). Die positiven Erfahrungen der Patienten sprachen sich überdies herum – das virale Marketing funktionierte hervorragend.

Die benachbarte Ärzteschaft übrigens zeigte sich anfänglich zwar misstrauisch. Allerdings war die Apotheke zertifiziert, und zudem sprach sich die dazugewonnene hohe pharmazeutische Kompetenz auch bei den Medizinern herum. So kooperierte man schließlich gerne mit der Apotheke, die somit sogar zum Vermittler zwischen Patient und Praxis wurde.

Da man nach dem Motto "Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden" vorging und alle Schritte aufeinander aufbaute, litten weder der laufende Betrieb noch das Budget für die betrieblichen Veränderungen. Zudem waren die Kunden neugierig und begeistert: Sie fragten immer wieder, was denn als nächstes anstünde. Schließlich war das ganze Team von einem Pioniergeist erfasst und voller Tatendrang. All dies bestätigt somit letztlich das altbekannte Sprichwort: "Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg!" Und wann fangen Sie an?

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(19):10-10