Eine Apotheke zum Anfassen

Welchen Einfluss die Berührung auf das Kaufverhalten Ihrer Kunden hat


Andreas Kinzel

Was unterscheidet Vor-Ort- von Internet-Apotheken? So gefragt, werden Sie vermutlich zuerst die persönliche Beratung nennen. Nicht vergessen sollten Sie allerdings auch, dass der Kunde vor Ort mit allen Sinnen einkaufen kann. Der Berührung kommt dabei eine wichtige Rolle zu.

Internet-Apotheken und auch so manche Ihrer Mitbewerber bleiben häufig anonym. Davon können Sie sich absetzen, indem Sie Ihren Kunden ein wahrlich sinnliches Einkaufserlebnis bieten. Dazu tragen die Räumlichkeiten bzw. die Einrichtung der Apotheke, die angebotenen Produkte und nicht zuletzt das Verhalten des Verkaufspersonals ihren Teil bei.

Doch worauf sollten Sie in Bezug auf die einzelnen Sinne achten? Denkanstöße dazu können Ihnen die Fragen im Kasten "Einkaufen mit allen Sinnen" geben. Die Antworten erschließen sich teils von selbst, teils auch ausgehend von den Vorlieben und Gepflogenheiten Ihrer Kundschaft.

Den Tastsinn nicht unterschätzen

Einen oft unterschätzten Anteil am Verkaufserfolg hat dabei der Tastsinn. Denn an verschiedenen "Touchpoints" in der Apotheke "berührt" der Kunde etwas. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn er sich auf einen Stuhl setzt, sich an einem Geländer festhält oder sich während des Beratungsgesprächs auf dem Handverkaufs (HV)-Tisch abstützt. Hier spielen die verbauten bzw. verwendeten Materialien eine wichtige Rolle. Deswegen sollten Sie in jedem Fall darauf achten, dass sich jegliche Einrichtungsflächen und -gegenstände in der Apotheke, mit denen Ihre Kunden wahrscheinlich in Berührung kommen, angenehm anfühlen.

Der Kunde berührt allerdings auch die von Ihnen angebotenen Verpackungen bzw. Produkte. Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten und bei den Präparaten aus der Sichtwahl mag das zwar eher eingeschränkt der Fall sein. Beim Griff ins Freiwahl-Regal oder in eine Schütte hingegen findet eine Berührung regelhaft statt.

Berührt ist halb gekauft

Wenn ein Kunde ein Produkt in die Hand nimmt, ergreift er schon einmal "Besitz" davon. Es entsteht eine Art unbewusstes Zusammengehörigkeitsgefühl. Dieses wiederum führt dazu, dass der Kunde einen möglichen Verlust vermeiden möchte. Schon hierdurch steigt in vielen Fällen seine Kaufbereitschaft.

Folglich erweist es sich als sinnvoll, dem Kunden mögliche Alternativen nicht nur verbal, sondern auch "physisch" anzubieten. Zu diesem Zweck können Sie am Ende des Beratungsgesprächs zwei bis drei Produkte auf den HV-Tisch legen und den Kunden dann dazu auffordern, sie in die Hand zu nehmen (vgl. Kasten "Durch Berühren zum Verkaufserfolg"). Denn schließlich wird er das, was er schon einmal in der Hand hatte, mit höherer Wahrscheinlichkeit kaufen.

Grundsätzlich sollten Sie allerdings eine nicht zu große Auswahl an Alternativen anbieten. Denn ansonsten muss der Kunde zu viele verschiedene Packungen "ertasten" und dann seine Eindrücke interpretieren. Damit überfordern Sie ihn in der Regel noch schneller, als wenn Sie ihm verbal dieselbe große Anzahl an Präparaten vorstellen würden.

Verkaufsargument "Berührung"

"Was gut aussieht und sich überdies noch gut anfühlt, kann nicht schlecht sein!" Das denken sich viele Kunden meist unbewusst. Die Verpackung und häufig auch das Produkt selbst geben damit ein Qualitätsversprechen – nicht nur, wenn sie angesehen, sondern auch, wenn sie berührt werden.

Zu dem Qualitätsversprechen trägt die Beschaffenheit der Packungsoberfläche wesentlich bei. Was bei der Optik beginnt, setzt sich hier fort. Raue Oberflächen und erhabene Schriften steigern nicht nur den Wiedererkennungswert, sondern lassen die Packungen auch besser in der Hand liegen. Dahingegen wirken glänzend-glatte Oberflächen edler.

Auf die Packungsgestaltung durch die Hersteller haben Sie zwar in der Regel keinen Einfluss. Allerdings können Sie bei qualitativ gleichwertigen Alternativen entscheiden, was Sie dem Kunden anbieten. Und das wäre somit idealerweise eine Packung mit vornehmlich glatt-glänzender Oberfläche, die aber auch raue Elemente und einen erhabenen Schriftzug aufweist. Geben Sie dem Kunden solch eine Packung in die Hand, erhöht das zum einen seine Kauf- und zum anderen sogar seine Zahlungsbereitschaft: Schließlich schreibt er dem Produkt ja eine höhere Wertigkeit zu.

Übrigens: Auf das Qualitätsversprechen hat auch die Packungsgröße einen Einfluss. Wird eine Packung – sowohl vom Auge als auch von der Hand – als zu klein wahrgenommen, erscheint sie nicht so wertig wie eine größere Alternative.

Produkte, die berühren

Nicht nur der Kunde kann Produkte berühren, vielmehr können auch Produkte den Kunden berühren – nämlich emotional. Ein Beispiel, um das zu verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, Sie würden eine Spinne oder Schlange berühren. Zumindest einige von Ihnen werden dabei Ekel empfinden. Sie sehen somit, dass allein schon die Vorstellung, etwas zu berühren, ähnliche Emotionen wie das tatsächliche Berühren hervorrufen kann.

Dieser Effekt kann gerade für die Sichtwahl eine Rolle spielen: Hier ist es eben nicht möglich, einfach ins Regal zu greifen und ein Produkt zu "ertasten". Sieht die Verpackung allerdings so aus, als ließe sie sich angenehm anfassen, weckt bereits die Vorstellung davon, sie zu berühren, möglicherweise positive Emotionen.

In diesem Zusammenhang ist das gesprochene Wort nicht zu unterschätzen. Denn im Beratungsgespräch können Sie viele Emotionen – auch in Bezug auf das "Sich-Anfühlen" – transportieren. Verweisen Sie beispielsweise darauf, dass sich eine Creme "angenehm" auftragen lässt oder dass eine Kautablette "weich" im Mund liegt. Auch so kann es Ihnen gelingen, den Kunden leichter und schneller von einem zu Produkt zu überzeugen.

Verkaufspersonal, das berührt

Heikel zu beantworten ist die Frage, ob es zu einer Berührung zwischen Kunden und Verkaufspersonal kommen sollte. Sicherlich kann eine Berührung auf der einen Seite Nähe und Zuneigung signalisieren. Besonders wenn Sie vertraute Kunden in schwierigen emotionalen Momenten berühren, können Sie punkten. Oft genügt dafür schon ein Händeschütteln oder ein freundschaftliches Schulterklopfen.

Auf der anderen Seite müssen Sie in den meisten Fällen die sogenannte (individuell variable) "Komfortzone" von zirka einem halben Meter wahren. Halten Sie einen solchen Abstand ein, fühlt sich jeder Mensch sicher und wohl. Dringen Sie hingegen (gewollt oder ungewollt) in die Komfortzone ein, führt dies dazu, dass sich Ihr Gegenüber von Ihnen gestört fühlt. Damit kann eine eventuell zuvor empfundene Sympathie schnell in Antipathie kippen. Gehen Sie also bei persönlichen Berührungen behutsam vor und seien Sie auf keinen Fall zu direkt!

Andreas Kinzel, Apotheker und Diplom-Kaufmann (FH), 80637 München, E-Mail: a-kin@web.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(20):8-8