Arzneiverordnungs-Report 2018 (Teil 2)

Von regionalen Streuungen und Indikationen


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Im zweiten Teil unserer Analyse des Verordnungsmarktes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) widmen wir uns den Verordnungsaktivitäten in den einzelnen Bundesländern. Dazu betrachten die wichtigsten Indikationen sowie die heute dort dominierenden Wirkstoffe.

Rund 44,8 Mrd. € verordneter Bruttoumsatz, davon 659 Mio. Fertigarzneimittel-Verordnungen für 37,2 Mrd. €, verteilten sich 2017 auf 72,26 Mio. gesetzlich Krankenversicherte. 12,82 Mio. (17,7%) der Versicherten waren jünger als 20 Jahre, 15,85 Mio. (21,9%) hingegen 65 Jahre und älter, 4,87 Mio. (6,7%) gehörten gar zu den Hochbetagten von 80 Jahren an aufwärts.

Während die Kinder bzw. Jugendlichen (Altersklasse 0 bis 15 Jahre) mit Bruttoverordnungen einschließlich Rezepturen und Hilfsmitteln in Höhe von 159 € je Versichertem am günstigsten waren, benötigte die Altersklasse von 80 bis unter 85 Jahren mit 1.489 € den höchsten Betrag. Mit 608 € repräsentierte die häufig vertretene Altersklasse von 50 bis unter 55 Jahren in etwa den statistischen Verordnungsdurchschnitt von 621 € je Versichertem.

Beachtlich sind die bundeslandspezifischen Abweichungen des Verordnungsgeschehens (Abbildung 1). Typischerweise zeigen sich für die Stadtstaaten erheblich überdurchschnittliche Verordnungsumsätze (das gilt für fast alle großstädtischen Regionen, vor allem aufgrund der dort vorhandenen Fach- und Spezialarztdichte). Traditionell über dem Schnitt rangieren – insbesondere demografiebedingt (ältere Bevölkerung!) – die neuen Bundesländer. Eine Ausnahme bildet Brandenburg, das als teilweiser Speckgürtel von Berlin einen niedrigeren Altersdurchschnitt hat.

Vergleichsweise "arme" Verordnungsregionen sind traditionell die südlichen Flächenländer Bayern und teilweise Baden-Württemberg (hier vor allem Baden) sowie weiterhin Rheinland-Pfalz und Hessen. Ebenfalls seit Jahren erheblich unter dem Durchschnitt rangieren das zu großen Teilen ländlich geprägte Schleswig-Holstein sowie die Region Westfalen-Lippe. Bei der Beurteilung eines Standortpotenzials sind solche Unterschiede bedeutsam, doch werden sie natürlich vom konkreten Geschehen vor Ort (vorhandene Praxen und deren individuelle Verordnungsaktivitäten) überlagert.

Indikationen

Nach Anzahl der Verordnungen (VO) und damit für die Kundenfrequenz und die Beratungstätigkeit am wichtigsten sind:

Herz-Kreislauf-Präparate: 6.690 GKV-VO je Durchschnittsapotheke und Jahr (=etwa 24 pro Tag, zuzüglich Privatpatienten), bei einem effektiven Nettoumsatz von rund 127.000 €,

  • Schmerz- und Rheumamittel (4.350 VO, 99.000 € Umsatz),
  • Magen-Darm-Mittel (2.430 VO, 53.500 € Umsatz),
  • Psychopharmaka (2.390 VO, 72.700 € Umsatz),
  • Antiinfektiva/Antibiotika (2.150 VO, 105.000 € Umsatz),
  • Antidiabetika (1.490 VO, 104.000 € Umsatz),
  • Schilddrüsenmittel (1.420 VO, 15.900 € Umsatz),
  • Antiasthmatika (1.280 VO, 74.200 € Umsatz),
  • Dermatika (1.190 VO, 27.100 € Umsatz) und
  • Antithrombotika (1.150 VO, 91.100 € Umsatz).

Lehrreich und in dieser Form selten zu sehen ist die Auflistung der jeweils drei verordnungsstärksten Wirkstoffe in den nach Verordnungsmenge wichtigen Indikationen (Tabelle 1). Die definierten Tagesdosen (DDD) etlicher "Massenwirkstoffe" bewegen sich dabei im Milliardenbereich – obenan Ramipril mit knapp 4,2 Mrd. DDD.

Auf der anderen Seite kommen die verordneten Tagesdosen der Top-Wirkstoffe in vielen Spezialindikationen nicht über eine ein- oder zweistellige Millionenzahl hinaus. Bei den Antidiabetika wird man vielleicht die Insuline vermissen. In der Tat stellen diese mit 855 Mio. DDD die größte Gruppe, doch teilen sie sich in verschiedene "Einzelinsuline" auf und sind deshalb in der Tabelle nicht vertreten.

Wer zu allen verzeichneten 60 Wirkstoffen fachlich etwas Fundiertes zu erzählen hat, deckt pharmazeutisch bereits einen ganz beachtlichen Teil des täglichen Verordnungsgeschehens ab. Diese Konzentration der Wirkstoffe zeigt zudem, warum man schon mit einer überschaubaren Zahl an Ausschreibungen und Rabattverträgen viel bewirken kann.

Hinsichtlich Umsatz- und Kostenbedeutung werden freilich die Schlachten in den teuren Spezialindikationen geschlagen, wie etwa mit Onkologika, Immunsupressiva oder den immer zahlreicheren Orphan Drugs. Nach Menge zwar klein, nach Umsätzen aber durchaus fein ...

Zum Nachlesen

Schwabe, U., et al. (Hrsg.): Arzneiverordnungs-Report 2018, Springer-Verlag: Berlin 2018

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(23):4-4