Betrieblicher Schuldzinsenabzug

Warum 30 Tage ausschlaggebend sein können


Helmut Lehr

Ist das betriebliche Konto im Minus, sind die daraus resultierenden Schuldzinsen in aller Regel als Betriebsausgaben abzugsfähig. Wurden zuvor allerdings größere Privatentnahmen getätigt, müssen Sie genau hinsehen. Eine aktuelle Verwaltungsanweisung gibt den Rahmen vor.

Als selbstständigem Apotheker steht es Ihnen natürlich frei, ob Sie Ihre betrieblichen Ausgaben aus Eigen- oder Fremdmitteln finanzieren. Im Fall der Fremdfinanzierung sind die Schuldzinsen als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn Sie die "Darlehensmittel" tatsächlich für betriebliche Zwecke verwendet haben. Darlehen zur Finanzierung außerbetrieblicher Zwecke, insbesondere zur Finanzierung von Entnahmen, sind nicht betrieblich veranlasst. Vor diesem Hintergrund regelt §4 Absatz 4a Einkommensteuergesetz, in welchen Fällen Schuldzinsen als "nicht abziehbare Betriebsausgaben" eingestuft werden.

Vereinfacht ausgedrückt sind (betriebliche) Sollzinsen immer dann nicht bzw. nur eingeschränkt abzugsfähig, wenn Sie als Betriebsinhaber Überentnahmen getätigt haben. Überentnahmen liegen grundsätzlich vor, wenn Ihre kumulierten Privatentnahmen höher sind als die Summe aus Gewinn und Einlagen.

Hinweis: Der Gesetzgeber will dadurch verhindern, dass faktisch privat veranlasste – nämlich durch die Entnahmen ausgelöste – Schuldzinsen als Betriebsausgaben abzugsfähig sind.

Ermittlung der nicht abzugsfähigen Schuldzinsen

Der nicht als Betriebsausgabe abzugsfähige Betrag wird im Rahmen einer recht komplexen Berechnung ermittelt, in der auch die Überentnahmen der Vorjahre berücksichtigt werden. Vereinfacht dargestellt gelten 6% der Überentnahmen als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben. Es verbleibt aber immer ein gewisser Sockelbetrag, der abzugsfähig ist (vgl. auch AWA 14/2018).

Wenn Sie mit einem betrieblichen Darlehen nachweislich Anlagevermögen finanzieren, wie z.B. eine neue Einrichtung der Offizin, wird der Schuldzinsenabzug insoweit nicht eingeschränkt. Im Ergebnis werden damit solche Wirtschaftsgüter privilegiert, die dauerhaft dem Betrieb dienen sollen.

Hinweis: Die Finanzierung von Umlaufvermögen, das im Rahmen der Betriebseröffnung erworben und fremdfinanziert wurde, ist allerdings nicht uneingeschränkt begünstigt (vgl. hierzu AWA 3/2010).

Gesonderte Darlehensaufnahme nicht zwingend notwendig

Sofern Sie Anlagevermögen finanzieren, ist es zur "Dokumentation" des uneingeschränkten Betriebsausgabenabzugs nicht unbedingt erforderlich, dass Sie ein gesondertes Darlehen aufnehmen (vgl. Bundesfinanzministerium, Schreiben vom 02.11.2018, Aktenzeichen: IV C 6 – S 2144/07/10001 :007). Ob Schuldzinsen für Darlehen vorliegen, mit denen die Anschaffungskosten von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens finanziert werden sollen, ist nämlich ausschließlich nach der tatsächlichen Verwendung der Darlehensmittel zu bestimmen.

Werden Darlehensmittel zunächst auf ein betriebliches Kontokorrentkonto überwiesen, von dem sodann das Anlagevermögen bezahlt wird, oder wird zunächst das Kontokorrentkonto belastet und anschließend eine Umschuldung in ein Darlehen vorgenommen, prüft die Finanzverwaltung allerdings sehr genau.

30-Tage-Regelung beachten

Der erforderliche betriebliche Finanzierungszusammenhang mit den Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens liegt nach Ansicht der Finanzämter nur vor, wenn die Belastung des Kontokorrentkontos und die Darlehensaufnahme zeitlich und betragsmäßig eng miteinander verbunden sind.

Dieser enge Zusammenhang wird anhand der 30-Tage-Regelung geprüft. Ihr zufolge vermutet die Finanzverwaltung unwiderlegbar(!), dass Sie die dem Kontokorrentkonto gutgeschriebenen Darlehensmittel zur Finanzierung des Anlagevermögens verwendet haben, wenn die Anschaffung(en) innerhalb von 30 Tagen vor oder nach Auszahlung der Darlehensmittel tatsächlich über das entsprechende Kontokorrentkonto finanziert wurde(n). Beträgt der Zeitraum mehr als 30 Tage, müssen Sie den erforderlichen Finanzierungszusammenhang zwischen der Verwendung der Darlehensmittel und der Bezahlung des Anlagevermögens konkret nachweisen.

Hinweis: War die Anschaffung des Anlagevermögens zu dem Zeitpunkt, zu dem die Darlehensmittel verwendet wurden, bereits abschließend finanziert, und haben die erhaltenen Darlehensmittel lediglich das eingesetzte Eigenkapital wieder aufgefüllt, ist ein unbeschränkter Schuldzinsenabzug "für Anlagevermögen" nicht ohne Weiteres möglich. Gegebenenfalls müssen Sie dann mit Einschränkungen aufgrund der "Überentnahme-Regelung" rechnen.

Umfang der Schuldzinsen

Zu den im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen, die unter Umständen zu einer Betriebsausgabenkürzung wegen Überentnahmen führen, rechnet die Finanzverwaltung alle Aufwendungen, die anfallen, um einen Kredit zu erlangen bzw. zu sichern. Dazu zählen auch die Nebenkosten der Darlehensaufnahme, die Geldbeschaffungskosten und sogar Steuerzinsen, die Sie gegebenenfalls an das Finanzamt entrichten müssen. Unter Steuerzinsen sind dabei nicht nur die Zinsen für Steuernachzahlungen zu verstehen, sondern auch Stundungszinsen und Zinsen, die daher rühren, dass die Vollziehung im Rahmen eines Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt wird.

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(23):16-16