Der Zirkus mit den Mitarbeitern

Warum aus Pinguinen keine Elefanten werden


Dr. Michael Brysch

Was sind die "richtigen" Mitarbeiter? Und wie schaffe ich es, sie dauerhaft an meine Apotheke zu binden? Fragen, die angesichts der Personalknappheit die Gemüter bewegen. Antworten gab es auf dem fünften TAD-Küstengespräch am 10. November 2018 in Bremerhaven.

Dass die "richtigen" Mitarbeiter einen wesentlichen Anteil zum Erfolg der Apotheke beitragen, wusste Gregor Nelles, Inhaber dreier Apotheken in Rheinland-Pfalz, zu berichten. Schon bei der Einstellung sollten diejenigen Kandidaten ausgewählt werden, von denen man sich ein kundenorientiertes Verhalten erwarte. Insbesondere die kommunikative Kompetenz sei dafür ausschlaggebend.

Die Guten ins Töpfchen …

Doch Mitarbeiter müssen nicht nur mit den Kunden, sondern auch mit dem Team harmonieren. Wie wichtig das ist, machte Apothekerin und Business Coach Doris Nelskamp deutlich. Sie stellte ein kleines Mitarbeiter-ABC vor. Demnach gibt es drei Typen von Mitarbeitern:

  • In Deutschland seien 16% Mutmacher: Sie würden den Karren ziehen und über den Tellerrand schauen, seien begeistert, überdurchschnittlich engagiert und erfolgreich.
  • 68% seien Mitmacher: Sie würden neben dem Karren laufen und Dienst nach Vorschrift machen, aber dabei weder positiv noch negativ auffallen.
  • 16% schließlich seien Miesmacher: Sie würden auf dem Karren sitzen, sich ständig beschweren und dafür sorgen, dass sich das Betriebsklima verschlechtere.

Grundsätzlich zögen Miesmacher Ihren Chefs die meiste Energie ab: Ständig versuche man vergeblich, diesen Mitarbeitertyp zu missionieren und zu motivieren. Und das, obwohl die Miesmacher lediglich 40% der Mutmacher-Leistung erbrächten! Insofern fiel Nelskamps Ratschlag eindeutig aus: "Bitte trennen Sie sich von denen!" Und weiter: "Wenn Sie die Miesmacher nicht eliminieren, werden die Mutmacher die Apotheke verlassen."

Aus Mitmachern hingegen könnten sehr wohl Mutmacher werden. Voraussetzung dafür: Die Talente der einzelnen Mitarbeiter müssten erkannt und gezielt gefördert werden. Das Ziel: Eine Quote von 80% Mutmachern und 20% Mitmachern.

Tierische Utopie

Entscheidend sei die richtige Qualität am richtigen Platz. Man müsse berücksichtigen, wo sich der Mitarbeiter entfalten könne: Passen die Aufgaben, die man ihm zuteilt, auch tatsächlich zu seinen Stärken? Ein Erbsenzähler werde wohl kaum im Marketing und eine Hochkreative nicht im Zytostatika-Labor glücklich.

Darauf gelte es schon im Vorstellungsgespräch zu achten. Denn: "Wenn Sie einen Pinguin einstellen, dann machen auch sieben Jahre Psychotherapie aus diesem Tier keinen Elefanten." Man sollte deswegen genau zuhören, was sich die Kandidaten vorstellen und was sie gerne machen würden. Im Fokus stünde stets die Frage: "Warum willst Du bei mir arbeiten?"

Die "eierlegende Wollmilchsau" werde man wohl kaum finden. Ausgehend von den Stärken potenzieller Mitarbeiter sei allerdings eine vorausschauende Planung sinnvoll. Zumindest in größeren Apotheken könne man so etwa ein kontinuierliches Bewerbungsmanagementetablieren. In der Praxis gebe es Kollegen, die Kandidaten mit Potenzial hin und wieder auch dann einstellen würden, wenn man sie im Augenblick eigentlich nicht benötige.

Eine besondere Vorstellung bieten

Um Personal zu finden und zu binden, riet Nelskamp, zur Arbeitgebermarke zu werden: Der entscheidende Erfolgsfaktor dafür sei die Strategie: Apothekenleiter sollten sich darüber klar werden, was sie selbst dazu antreibt, in ihrer Apotheke zu arbeiten – und sich dann überlegen, wo sie langfristig hin wollen. Es gelte, nicht zu stark am Verhalten der Mitarbeiter im Einzelfall anzusetzen ("Ich sehe schon wieder die tote Fliege!"), sondern sich um das große Ganze zu kümmern. Nelskamp gab deswegen den Tipp: "Arbeiten Sie mehr am Unternehmen als im Unternehmen!"

In diesem Rahmen müsse man sich auf die Bedürfnisse des (potenziellen) Personals einstellen (siehe Kasten). Wenn Nelskamp sich in Apotheken erkundige, was man dort für die Mitarbeiter tue, laute die Antwort oftmals: "Die dürfen ja schon so viel, die kriegen ja schon immer frei." Das allerdings mache keine Marke aus, sondern sei selbstverständlich.

Jeder Apothekenleiter müsse sich also in sein Gegenüber versetzen und sich fragen, was genau dieser eine Mitarbeiter – über die obligatorische wertmäßige Bezahlung hinaus – davon habe, in genau dieser einen Apotheke zu arbeiten: "Was unterscheidet meine Apotheke von anderen? Was bin ich zu tun bereit, um diesen Mitarbeiter glücklich zu machen?" Gelinge es dadurch, die entsprechende Person einmal für sich zu gewinnen, werde sie nie wieder gehen.

Exkurs: Auf die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal der Apotheke für die Kunden würde manch einer antworten: "Wir sind besonders freundlich, und wir beraten besonders gut!" Das sei aber ebenfalls eine Selbstverständlichkeit. Denn würden die Kunden unfreundlich bedient, kämen sie natürlich nicht wieder.

Manege frei für sieben Praxistipps

Nelskamp leitete sieben Empfehlungen für die Praxis ab:

Zum Ersten sollte jeder Mitarbeiter klare strategische Ziele haben. Grundlage dafür sei es eben, die Stärken der Apotheke zu ermitteln, z.B. über Mitarbeiter- und Kundenbefragungen.

Zum Zweiten sollten Verantwortlichkeiten eindeutig festgelegt sein. Für jede Rolle im Team (nicht unbedingt für jede Person) müsse es ein Anforderungsprofil geben.

Zum Dritten sei auf eine gemeinsame, verbindlich gelebte Unternehmenskultur zu achten. Hierfür könnten Mitarbeiter und Apothekenleitung ihre Werte getrennt voneinander erarbeiten und dann – so sie divergieren – miteinander in Einklang bringen.

Zur Unternehmenskultur gehört unter anderem auch die Art und Weise, wie man mit Konflikten umgeht. Totschweigen sei da die falsche Strategie. Besser indes: Merke man, dass es Schwierigkeiten zwischen einzelnen Mitarbeitern gebe, könne man diese – möglichst sofort – in einen abgesonderten Raum schicken, um sich auszusprechen. Nelskamps Erfahrung aus der Praxis: "Das funktioniert bestens!" Allerdings dürfe die Apothekenleitung nie zum Schiedsrichter werden.

Zum Vierten sollten die Mitarbeiter ihre Ziele kennen, die wiederum zu ihren persönlichen Stärken passen. Diese Stärken ließen sich mittlerweile mit einer Vielzahl von Potenzialchecks ermitteln.

Zum Fünften sei ein regelmäßiges Feedback vom Chef notwendig. Ein "Nichts gesagt, ist genug gelobt!" reiche nicht aus. Vielmehr bräuchten die Mitarbeiter eine Orientierung: Oft wüssten sie nämlich selbst gerne, ob sie denn auch alles zur Zufriedenheit des Chefs machen.

Zum Sechsten sollten die Organisation und die Abläufe der Arbeitsprozesse allen Mitarbeitern bekannt sein. Durch eine entsprechende Koordination spare man viel Zeit und Geld.

Zum Siebten schließlich sollte lösungsorientiert kommuniziert und zielorientiert zusammengearbeitet werden: Zwar rede man in Apotheken häufig über Probleme – ohne jedoch zu wissen, wo man eigentlich hin wolle. Das allein helfe aber niemandem weiter, sondern sorge nur für schlechte Stimmung. Stattdessen müsse man also gemeinsam auf ein konkretisiertes Ziel hinarbeiten. Dabei könne durchaus auch einmal etwas schief laufen. So hat Nelskamp ihren Mitarbeitern immer den Freibrief gegeben: "Ihr dürft alle Fehler der Welt machen! Aber bitte nicht fünfmal. Denn sonst fliegt Ihr!" Und die Folge? "Ich habe nie einen Mitarbeiter entlassen!" (bry)

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(23):10-10