Arbeit oder Privatleben

Warum die Grenzen verschwimmen dürfen


Tatiana Dikta

Entgegen der gängigen Meinung zerbrechen Partnerschaften nicht zwangsläufig an der Karriere, und auch Führungskräfte versagen nicht, wenn sie ihre Emotionen zeigen. Warum Beruf und Privatleben einen gemeinsamen Sinn ergeben, lesen Sie in diesem Beitrag.

Schauen auch Sie vom schlechten Gewissen geplagt am Wochenende auf Ihr Smartphone, rufen geschäftliche E-Mails ab oder bringen sogar Ihre Arbeit mit nach Hause? Dann gelten Sie sicherlich in Ihrem Umfeld als Workaholic? Nehmen Sie das ruhig als ein Kompliment! Bei Selbstständigen und Führungsverantwortlichen gelten Gewissenhaftigkeit und Engagement als relevante Schlüsselkompetenzen: Eine strikte Grenze zwischen Job und Privatleben zu ziehen, widerspricht einer verantwortungsvollen Einstellung zur Arbeit. Wenn Sie selbst dabei keinen Stress empfinden, sondern in den Tätigkeiten gänzlich aufgehen, ja, wenn sich Ihre Motivation nicht nach der Uhrzeit oder dem Wochentag richtet: Umso besser! Denn anders als Personen, die nicht aus eigenem Antrieb Höchstleistungen erbringen, trifft intrinsisch motivierte Workaholics selten ein Burnout [1].

Warum Arbeit eine gute Partnerschaft nicht gefährdet

Zwar wird behauptet, dass lange Arbeitszeiten private Beziehungen gefährden können, doch der Job allein setzt die Partnerschaft nicht aufs Spiel. Insbesondere wenn es in einer Beziehung gut läuft, tendieren die Menschen sogar dazu, viel zu arbeiten und produktiv zu sein.

Eine sichere Partnerschaft erlaubt Freiraum, respektiert individuelle ebenso wie gemeinsame Ziele und Interessen, und sie gibt beiden Partnern Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung. Ist das nicht der Fall, kriselt es früher oder später – unabhängig davon, wie lange gearbeitet wird. Wichtig ist deshalb nicht die Anzahl der Stunden, die Sie mit dem Partner verbringen, sondern allein, wie schön und wie intensiv Sie die gemeinsame Zeit gestalten. Das gilt übrigens für alle Arten von Beziehungen, egal ob für familiäre oder freundschaftliche.

Warum Freundschaften mit Mitarbeitern schwierig sind

Auch langjährige Freundschaften werden auf die Härteprobe gestellt, wenn man plötzlich zum Kollegen oder Geschäftspartner wird: Überall dort, wo Geld und Konkurrenz eine Rolle spielen, sind wahre Freundschaften rar [2]. Um Missverständnisse und Enttäuschungen zu vermeiden, sollten Sie daher enge freundschaftliche Beziehungen zu Ihren Mitarbeitern nicht anstreben.

Denn Freundschaften funktionieren anders als berufliche Beziehungen: Basis ist das Wohlergehen des anderen. Freundschaften sind freiwillig, und es gibt keine festen Rollenzuschreibungen. Bei beruflichen Verhältnissen dagegen handelt es sich um sogenannte "Austauschbeziehungen" mit einem "Geben und Nehmen" als Basis: Sie als Arbeitgeber erwarten fachliche Kompetenzen und bieten eine Gegenleistung dafür. Dabei geht es allerdings nicht nur um Profit. Vielmehr können sich am Arbeitsplatz Beziehungen entwickeln, die, wenngleich auf anderen Werten als Freundschaften beruhend, qualitativ und emotional genauso wertvoll sind.

Warum positive Emotionen wichtig sind

Das regelmäßige Erleben von positiven Emotionen (Zuversicht, Freude, Spaß, Zufriedenheit, Stolz und vieles mehr) gehört zu einem gelungenen Leben dazu. Positive Emotionen sind der Treibstoff für unsere Motivation: Wir gehen gerne Tätigkeiten nach, die solche Emotionen erzeugen. Die Basis für eine gute Arbeitsbeziehung sind damit nicht nur die fachlichen, sondern auch die sozialen und emotionalen Kompetenzen der Partner.

Menschen, die im Arbeitsleben engagiert und positiv gestimmt auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten, sich gegenseitig wertschätzen, sich fachlich austauschen und kommunikativ auf der gleichen Wellenlänge liegen, pflegen eine positive Arbeitsbeziehung. Sie kommunizieren miteinander auf Augenhöhe, auch wenn die Rollen, die sich aus den unterschiedlichen Funktionen ergeben, ungleich verteilt sind (Sie als Vorgesetzter, Ihr Mitarbeiter als ein Ihnen "Unterstellter"). Solche Beziehungen am Arbeitsplatz sind nicht nur eine schöne persönliche Erfahrung für beide Seiten, sondern sie verbessern auch die Arbeitsqualität und die Produktivität [3]. Wenn Sie wissen wollen, wie Sie positive Arbeitsbeziehungen fördern können, finden Sie im Kasten einige Tipps.

Wie Sie vom beruflichen Austausch in der Freizeit profitieren

Smartphones, Tablets und Co. haben sich mittlerweile als eine Art Verbindungsstelle zur "gesamten Welt" etabliert, die die Grenzen zwischen privatem und beruflichem Leben subtil aufhebt. Eine virtuelle Abstinenz sowie eine strikte Trennung zwischen beruflichen und privaten Kontakten sind weder zeitgemäß noch nötig. Denn der allseits befürchtete Stress wird stärker durch Offline-Ereignisse als durch die Nutzung sozialer Medien beeinflusst [4].

Genießen Sie also in Ihrer Freizeit neben dem privaten auch den ungezwungenen und einfachen beruflichen Austausch via Social Media, und fördern Sie diesen auch bei Ihren Mitarbeitern. Die Nutzung der beruflichen Plattformen (z.B. Xing, LinkedIn) führt nämlich nicht nur zu Informationsvorteilen und zur stärkeren Karrierezufriedenheit, sondern verbessert auch die emotionale Bindung an den eigenen Arbeitsplatz [5]. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter also ruhig berufliche Kontakte knüpfen, und haben Sie keine Sorge davor, dass sie von der Konkurrenz abgeworben werden könnten. Im Gegenteil: Namhafte Unternehmen setzen inzwischen bei der Akquise neuer Mitarbeiter und Geschäftspartner zunehmend auf die bestehenden beruflichen Netzwerke ihrer Mitarbeiter. Sehen Sie daher ein starkes berufliches (und privates) Netzwerk und ein gepflegtes Online-Profil Ihrer Mitarbeiter als eine professionelle Werbung für Sie und für Ihre Apotheke [6].

Warum Kreativität für die Work-Life-Balance sorgt

Je mehr Ihnen eine Angelegenheit am Herzen liegt, desto präsenter ist sie in Ihrem Kopf. Versuchen Sie deshalb auch in Ihrer Freizeit nicht zwanghaft, Ihre Gedanken an die Arbeit zu unterdrücken, sondern konzentrieren Sie sich vielmehr auf die positiven Aspekte, die mit Ihrem Job zusammenhängen. Positive Gedanken geben Raum für Kreativität frei, negative dagegen fördern das belastende Grübeln.

Das Laufen an der frischen Luft ist – wissenschaftlich belegt – die einfachste Technik, um Kreativität zu fördern. Und Kreativität begünstigt nicht nur den beruflichen Erfolg und die psychische Gesundheit, sondern auch die Partnerschaft. Fördern Sie also Ihre Kreativität: So wird der Balanceakt zwischen Arbeit und Privatleben für Sie zur leichtesten Übung!

Literatur

[1] van Beek, I., et al., J Occup Health Psychol 2011, 16 (4), S. 468–482
[2] Jumpertz, S.: Führung und Freundschaft: Brisante Beziehungen. In: managerSeminare 2013, 182 (5), S. 36–41
[3] Dutton, J. E.: Build High Quality Connections. In: Dutton, J. E., Spreitzer, G. M. (Hrsg.): How to Be a Positive Leader: Small Actions, Big Impacts. Berrett-Koehler Publishers: San Francisco/CA 2014, S. 11–21
[4] Utz, S., Breuer, J., J Media Psychol 2017, 29 (3): S. 115–125
[5] Utz, S., Breuer, J., Cyberpsychology: Journal of Psychosocial Research on Cyberspace, 10 (4): Article 3
[6] Ullah, R.: Soziale Medien und Intimität. In: Geramanis, O., Hermann, K. (Hrsg.): Organisation und Intimität: Der Umgang mit Nähe im organisationalen Alltag – zwischen Vertrauensbildung und Manipulation. Carl-Auer Verlag: Heidelberg 2014, S. 263–282

Tatiana Dikta, B.Sc. Psychologie (Schwerpunkt: Arbeits- & Organisationspsychologie), PTA, 48161 Münster, E-Mail: tatiana.dikta@gmail.com

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(23):8-8