Ermahnung, Abmahnung und Co.

Welche Sanktionsmöglichkeiten Sie haben


Dr. Britta Bradshaw

Es gibt viele Möglichkeiten, auf ein vertragswidriges Verhalten von Mitarbeitern zu reagieren. Doch welche Maßnahme ist in der konkreten Situation die richtige? Was ist bei einer Ermahnung oder Abmahnung zu beachten? Und welche Folgen resultieren daraus?

Verhält sich ein Mitarbeiter nicht vertragsgerecht, haben Sie als Arbeitgeber je nach Schwere der Pflichtverletzung die Möglichkeit,

  • ihn zu ermahnen,
  • ihn abzumahnen oder
  • ihm ordentlich (d.h. unter Einhaltung der vertraglichen und/oder gesetzlichen Kündigungsfrist) bzw. außerordentlich (d.h. fristlos wegen eines wichtigen Grundes) zu kündigen.

Grundsätzlich sind Sie gehalten, stets dasjenige für den Arbeitnehmer mildeste Mittel zu wählen, mit dem Sie Ihre eigenen Interessen gleichzeitig angemessen schützen können.

Mild: Die Ermahnung

Das insgesamt mildeste Mittel stellt die Ermahnung dar: Bei einem Pflichtverstoß, der so gering ist, dass sich eine Kündigung bei einer Wiederholung nicht rechtfertigen ließe, weisen Sie den Mitarbeiter in Form einer einfachen Rüge auf sein Fehlverhalten hin und fordern ihn zur Verhaltensänderung auf. Das kann z.B. dann der Fall sein, wenn ein Mitarbeiter nachlässig gearbeitet oder sich einmalig verspätet bzw. unfreundlich gegenüber einem Kunden verhalten hat. Erst nach mehreren Ermahnungen, die keine Verhaltensänderung zur Folge hatten, kann eine Abmahnung gerechtfertigt sein.

Härter: Die Abmahnung

Eine Abmahnung ist demzufolge ein härteres Mittel als eine Ermahnung, aber ein milderes als eine Kündigung. Sie ist z.B. möglich, wenn sich der Mitarbeiter mehrfach verspätet oder wenn er im Rahmen seiner Tätigkeit gravierend gegen den Arbeitsvertrag verstoßen hat. Die Abmahnung hat verschiedene Funktionen: Das beanstandete Verhalten muss in der Abmahnung konkret festgestellt und die Pflichtverletzung exakt gerügt werden (Rügefunktion). Darüber hinaus haben Sie den Mitarbeiter eindringlich zum künftigen vertragsgetreuen Verhalten aufzufordern (Aufforderungsfunktion). Schließlich müssen Sie arbeitsrechtliche Konsequenzen für den Wiederholungsfall eindeutig ankündigen (Warnfunktion).

Die abzumahnende Pflichtverletzung muss objektiv vorliegen und darf nicht so geringfügig sein, dass die Ermahnung als milderes Mittel verhältnismäßig wäre [1]. Im Rahmen der Abmahnung gilt es, das Verhalten des Mitarbeiters korrekt darzustellen.

Genau wie die Ermahnung bedarf auch die Abmahnung grundsätzlich keiner bestimmten Form: Eine mündliche Abmahnung wäre somit rechtmäßig. Zu Beweiszwecken empfiehlt es sich jedoch, die Abmahnung schriftlich zu verfassen und der Personalakte beizufügen. Da sie eine empfangsbedürftige Willenserklärung ist, müssen Sie dafür sorgen, dass die Abmahnung dem Mitarbeiter zugeht, und er auch tatsächlich Kenntnis von ihr erlangt. Sollte es zu einem Prozess kommen, ist dies zu beweisen.

Eine bestimmte Frist, innerhalb derer Sie abmahnen müssen, gibt es nicht. Unter Umständen dürfen Sie jedoch nicht mehr abmahnen, wenn zwischen dem Fehlverhalten des Mitarbeiters und dem angedachten Ausspruch der Abmahnung ein zu langer Zeitraum liegt. Das könnte nach einem Jahr der Fall sein (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 28.03.1988, Aktenzeichen: 5 Sa 90/88).

Aussprechen darf eine Abmahnung nicht nur derjenige, der auch zur Kündigung berechtigt ist, sondern jeder, der ein entsprechendes Direktionsrecht hat (vgl. dazu auch AWA 11/2018) [2].

Am härtesten: Die Kündigung

Die Kündigung ist die härteste Sanktion im Arbeitsrecht. Wenn Sie einem Mitarbeiter ordentlich wegen eines von ihm grundsätzlich beeinflussbaren (Fehl-)Verhaltens kündigen wollen, müssen Sie, soweit das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet, in der Regel zuvor für einen vergleichbaren Sachverhalt eine Abmahnung ausgesprochen haben (§§1 und 23 KSchG).

Wollen Sie hingegen außerordentlich verhaltensbedingt kündigen, ist unabhängig von der Anwendbarkeit des KSchG grundsätzlich immer eine Abmahnung erforderlich. Ausnahmsweise können Sie ohne Abmahnung kündigen, wenn trotz einer solchen nicht mit einer Verhaltensänderung zu rechnen ist und die Pflichtverletzung so schwer wiegt, dass Sie sie offensichtlich nicht einfach hinnehmen können. Dies ist z.B. häufig – nicht immer – der Fall, wenn der Vertrauensbereich des Arbeitgebers gestört wird, wie etwa bei einem Diebstahl von Geld aus der Kasse oder von Apothekenware [3].

Besonders wichtig: Haben Sie eine Abmahnung ausgesprochen, darf der Mitarbeiter – anders als bei einer Ermahnung – davon ausgehen, dass Sie ihm aufgrund desselben Sachverhalts nicht mehr kündigen. Mit der Abmahnung verzichten Sie damit in der Regel auf Ihr Kündigungsrecht – unabhängig davon, wie schwerwiegend die Pflichtverletzung war. Durch bestimmte Zusätze in der Abmahnung können Sie dem jedoch entgegenwirken, so z.B. durch: "Der Betrieb behält sich weitere rechtliche Schritte aus Ihrer Pflichtverletzung vor" (Bundesarbeitsgericht [BAG], Urteil vom 06.03.2003, Aktenzeichen: 2 AZR 128/02).

Haben Sie einen Mitarbeiter für ein Verhalten immer wieder abgemahnt, aber keine Kündigung ausgesprochen, müssen Sie ihn vor der tatsächlichen Kündigung nochmals und besonders eindringlich abmahnen, um der Warnung mehr Ausdruck zu verleihen (BAG, Urteil vom 15.11.2001, Aktenzeichen: 2 AZR 609/00).

Erneut abmahnen müssen Sie unter Umständen ebenfalls, wenn die alte Abmahnung wirkungslos wird, weil neue Umstände eingetreten sind (Sie z.B. auf einen neuen Pflichtverstoß unklar reagiert haben) oder eine bestimmte Zeit abgelaufen ist. Deren Dauer kann nicht allgemein bestimmt werden, sondern hängt je nach Einzelfall insbesondere auch von der Art der Pflichtverletzung ab. Jedenfalls wird die Abmahnung nicht schon zwingend wirkungslos, wenn dreieinhalb Jahre abgelaufen sind (BAG, Urteil vom 10.10.2002, Aktenzeichen: 2 AZR 418/01).

Annex: Die Personalakte

Eine Personalakte ist nach der Definition des BAG "eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen" (Urteil vom 19.07.2012, Aktenzeichen: 2 AZR 782/11). In die Personalakte gehören z.B. die Bewerbungsunterlagen, der Arbeitsvertrag, Urlaubsanträge etc. – vor allem jedoch auch die Abmahnungen.

Sie müssen keine Personalakte führen, dürfen es aber. Wenn Sie sie führen, muss dies wahr und richtig geschehen: Es gilt, ein möglichst objektives Bild vom Arbeitnehmer zu zeichnen [4].

Der Arbeitnehmer hat jederzeit das Recht, Einsicht in die Personalakte zu nehmen und sich Notizen zu machen. Er hat allerdings kein Recht, sich bei einer Einsichtnahme von seinem Anwalt begleiten zu lassen – das gilt zumindest, wenn Sie ihm erlauben, Kopien aus der Personalakte anzufertigen (BAG, Urteil vom 12.07.2016, Aktenzeichen: 9 AZR 791/14).

Zu Unrecht erteilte Abmahnungen müssen Sie aus der Personalakte entfernen (BAG, Urteil vom 02.11.2016, Aktenzeichen: 10 AZR 596/15). Dies gilt zum Teil auch für rechtmäßig erteilte Abmahnungen – und zwar, wenn die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte und die Abmahnung für das Arbeitsverhältnis bedeutungslos geworden ist. Das ist z.B. dann der Fall, wenn – wie dargestellt – eine bestimmte Zeit abgelaufen ist und daher für eine Kündigung eine erneute Abmahnung notwendig wäre (BAG, Urteil vom 19.07.2012, Aktenzeichen: 2 AZR 782/11).

Literatur

[1] Stoffels, M., § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), Randnummer (Rn.) 61. In: Beck‘scher Online-Kommentar (BeckOK) Arbeitsrecht (ArbR), Stand: 01.03.2017
[2] Schaub, G., Koch, U. (Hrsg.): Arbeitsrecht von A–Z: Abmahnung, C. H. Beck: München 2018
[3] Günther, J., § 626 BGB, Rn. 230. In: BeckOK BGB, Stand: 01.03.2017
[4] Stoffels, M., § 611a BGB, Rn. 311. In: BeckOK ArbR, Stand: 01.03.2017

Dr. Britta Bradshaw, Rechtsanwältin, Kanzlei Winterstein, 22926 Ahrensburg, E-Mail: bradshaw@kanzlei-winterstein.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2018; 43(23):12-12