Vom Wert der Werte

Ein Weg, um die Apotheke auf Kurs zu bringen


Ute Jürgens

Unsere eigenen Werte beeinflussen unser Handeln mehr als die des Unternehmens. Diese sind oft nicht bekannt, nicht definiert und der Apothekenleitung unwichtig. Sie zu benennen, sich zu ihnen zu bekennen und nach ihrer Erfüllung zu streben, ist jedoch ein Grundpfeiler des Geschäftserfolgs.

Unternehmenswerte sind Leitsterne, sie bilden einen Orientierungspfad, nach dem sich das Handeln ausrichtet. Alle Mitarbeiter sollten sich über die Werte der Apotheke im Klaren sein. Und gerade Ihre Aufgabe als Chef ist es, Ihren Mitarbeitern diese Werte vorzuleben.

In stark hierarchischen Betrieben wird die (aus den Werten resultierende) Unternehmenskultur oft regelrecht verordnet. Wenn Berater mitwirken und die Werte in "hübsche" Floskeln verpacken, ist häufig niemandem so richtig klar, was sich überhaupt hinter diesen Werten verbirgt – es bleibt alles beim Alten und somit suboptimal.

Das Ziel, ...

Um Ihre Unternehmenswerte zu entwickeln, sollten Sie in einem ersten Schritt gemeinsam mit Ihrem Team versuchen, diejenigen Werte zu definieren, die Ihnen für die Apotheke am wichtigsten sind (Soll-Zustand). Beispiele für typische Unternehmenswerte finden Sie im Kasten. Orientieren können Sie sich außerdem an Listen aus dem Internet [1].

Fragen Sie sich gemeinsam mit Ihrem Team: Was ist uns für die Apotheke wirklich wichtig (Wert), und was möchten wir auf keinen Fall (Anti-Wert)? Bisweilen fällt es nämlich einfacher, zunächst einen Anti-Wert zu formulieren als sein Gegenteil, also den dazugehörigen Wert. Das ist gerade dann der Fall, wenn man diesen Wert für eine Selbstverständlichkeit hält und deswegen gar nicht auf die Idee kommt, ihn ins unternehmenseigene Wertesystem aufzunehmen. Ein Beispiel für solch einen Anti-Wert wäre "flüchtiges Arbeiten", der dazugehörige Wert "Sorgfalt".

Meist kann man sich mit sehr vielen Werten identifizieren. Sie sollten sich jedoch auf drei bis fünf Werte beschränken. Diese können unterschiedlich sein, da Sie unterschiedliche Ziele verfolgen, so z.B. das Wohl des Kunden, das der Mitarbeiter oder die Wirtschaftlichkeit der Apotheke.

Gelegentlich widersprechen sich einzelne Werte. Das kann etwa bei "Schnelligkeit" und "intensive Beratung" der Fall sein: Denn bei einer intensiven Beratung verstreichen die Minuten im Nu. Und auch "Toleranz" und "Bedürfnis nach Ordnung" stehen einander diametral gegenüber: Wie lange lassen Sie beispielsweise die Kinder von Kunden Bonbons "sortieren"? Und wann schreiten Sie ein, wenn der Packtisch im Helferinnenbereich mit Ware, leeren Kartons, Dekorationsmaterial usw. überquillt? Hier ist es wichtig, nach möglichst übereinstimmenden Werten zu suchen und die gewählten Werte nach ihrer Wichtigkeit zu ordnen.

... die derzeit gelebte Realität ...

In einem zweiten Schritt sollten Sie den Ist-Zustand erfassen: Beobachten Sie, wie sich das ganze Apothekenteam verhält, vor allem in schwierigen (Entscheidungs-)Situationen. Das zieht sich über alle Ebenen hin, von der Kommunikation miteinander über das Verhalten dem Kunden gegenüber bis hin zum Umgang mit den Reinigungskräften. Hierdurch erfassen Sie, nach welchen Werten derzeit in der Apotheke gehandelt wird.

Die Werte schlagen sich im Detail übrigens auch in Äußerlichkeiten nieder, wie z.B. in der Kleidung aller Mitarbeiter (inklusive Ihrer eigenen) und in der Schaufensterdekoration. Denn hier zeigt sich ebenfalls, was in der Apotheke groß geschrieben wird. Und das bemerkt auch der Kunde – häufig sogar gleich dann, wenn er die Apotheke betritt.

... und der Weg dorthin

Nun gilt es, den Soll-Zustand mit dem Ist-Zustand abzugleichen. Halten Sie gemeinsam mit dem Team fest, wo die Diskrepanzen zwischen den definierten Werten und dem derzeitigen Apothekenalltag liegen. Entwickeln Sie Strategien, wie Sie nachjustieren und die Diskrepanzen überwinden können. Jeder sollte sich hier einbringen können.

Je häufiger Sie selbst nach den Unternehmenswerten handeln, desto schneller richtet sich auch das Team danach aus. Nehmen Sie z.B. den Wert "Respekt": Wenn Sie sich Ihrem Team gegenüber respektvoll verhalten, es in Ihre Entscheidungen mit einbeziehen und ihm zeigen, wie wichtig es ihnen ist, dann können Sie davon ausgehen, dass sich auch Ihre Mitarbeiter "Respekt" auf ihre Flaggen schreiben werden [2].

Vergewissern Sie sich dabei immer wieder, dass das Team noch im Boot sitzt und nicht – da zu sehr unter Druck gesetzt – bereits ausgestiegen ist. Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter freundlich und humorvoll – statt dauernd an ihnen herumzumäkeln.

Was die Werte bedeuten (oder gerade nicht bedeuten), können Sie immer wieder anhand von Beispielen erläutern. Nehmen wir wieder den Respekt, der ganz oben auf Ihrer Werteliste stehen möge: Stellen Sie sich jetzt vor, Sie beobachten, dass die temperamentvolle PTA der schüchternen PKA unfreundlich über den Mund fährt, sobald diese mit einer Erklärung etwas länger braucht. Dann sind der PTA augenscheinlich die Werte "Effektivität", "Klarheit" und "Schnelligkeit" wichtiger als der "Respekt". Darauf sollten Sie sie – natürlich respektvoll – hinweisen.

Grundsätzlich hilft es, Regeln aufzustellen [3]. Das können manches Mal ganz selbstverständliche Dinge sein, wie:

  • den anderen ausreden zu lassen,
  • die eigene Arbeit zu beenden, statt sie liegen zu lassen, oder
  • niemanden warten zu lassen.

Wenn alle die Regeln immer vor Augen haben, werden sie sie eher einhalten.

Alle Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Dies gilt umso mehr, als wir oft durch den Alltag jagen und uns nicht den Moment gönnen, um uns zu vergewissern, dass wir noch auf der richtigen Spur sind. Beschleunigen können Sie den ganzen Prozess aber, indem Sie mit dem Team sowohl die Werte als auch die Fortschritte schriftlich festhalten. So vergegenwärtigen Sie sich immer wieder, was Sie möchten – und dass Sie schon ein gutes Stück Ihres Weges zurückgelegt haben.

Im Laufe der Zeit verändern sich Werte gelegentlich. Daher ist es sinnvoll, regelmäßig zu schauen, ob die Unternehmenskultur noch zur Apotheke passt. Tut sie das nicht, sollten Sie nachjustieren.

Welche Vorteile klar definierte und priorisierte Werte haben

Werden Ihre Mitarbeiter vor Entscheidungen gestellt, können sie besser eigenständig handeln, wenn sie die Unternehmenswerte kennen: Aus deren Rangfolge ergibt sich nämlich das in der jeweiligen Situation "richtige" Verhalten ganz logisch. Hilfreich kann das vor allem dann sein, wenn Sie selbst gerade einmal nicht vor Ort sind. Und auch dann, wenn Sie sich in der Apotheke befinden, werden Sie, so es Entscheidungen zu treffen gilt, seltener gestört.

Literatur

[1] z. B. auf wertesysteme.de
[2] Matyssek, A. K.: Jahresbegleiter 2019. Ein Kalender für Führungskräfte und ihre Mitarbeiter/innen, Books on Demand: Norderstedt 2018
[3] arbeitgeber.monster.de

Ute Jürgens, Kommunikationstrainerin und Einzelcoach, KomMed-Coaching, 28865 Lilienthal, E-Mail: KomMed@freenet.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(01):10-10