Sortimentsgestaltung

Körperpflegeprodukte mit Potenzial


Prof. Dr. Reinhard Herzog

Arzneimittel hin oder her – auch Nachbarsegmente gilt es im Auge zu behalten, zumal wenn es sich um Milliardenmärkte wie den der Körperpflege handelt. Nicht zuletzt eignen sich solche eher niedrigpreisigen, aber weithin bekannten Produktgruppen als Marketing-Aufhänger.

Der Körperpflege- bzw. Schönheitspflegemittel-Umsatz liegt 2018 voraussichtlich bei 13,8 Mrd. € (+1,8%) zu Brutto-Verkaufspreisen oder bei 11,6 Mrd. € netto entsprechend 140 € pro Kopf. Das sind ca. vier Mrd. Packungen mit einem Durchschnittswert von knapp 3 €. Zum Vergleich: Der deutsche Apothekenumsatz beträgt 2018 wohl rund 60 Mrd. € zu Brutto-Verkaufspreisen oder 50 Mrd. € netto. Für Over-the-Counter (OTC)-Arzneimittel (Barverkauf ohne Verordnungen) werden etwa 4 Mrd. € netto ausgegeben, Packungswert im Schnitt 7,50 €.

Abbildung 1 zeigt, wie sich die Umsätze auf die einzelnen Körperpflege-Produktsegmente aufteilen.

Am bedeutendsten sind die Haut- und Gesichtspflege sowie die Haarpflege – Bereiche, in denen die Apotheken schon immer aktiv gewesen sind. Ähnlich die Zahnpflege: Ein Milliardenmarkt, und von traditionellem Interesse für die Apotheke. Umstritten ist die dekorative Kosmetik, wenngleich die reinen Zahlen eine andere Sprache sprechen. Von geringerer wirtschaftlicher Bedeutung sind Deos, Seifen bzw. Syndets sowie Fußpflege, gleichwohl mit hohem Profilierungspotenzial. Man denke z.B. daran, dass viele (aber eben nicht alle) Deos bei hohem Leidensdruck der Kunden mäßig wirken.

Vertriebswege

Bei den Vertriebswegen (Abbildung 2) wird knapp die Hälfte des Marktes (48,1%) von den expandierenden Drogeriemärkten bestritten; die Apotheken kämpfen mit der 10%-Marke und rangieren mit 9,4% knapp vor den Discountern mit 8,6% – im Grunde ein Trauerspiel. Den Rest des Marktes teilen sich Parfümerien und Verbrauchermärkte, die mit 16,4% bzw. 13,3% jeweils deutlich vor den Apotheken liegen, sowie die Kaufhäuser mit 3%.

Damit stehen die Drogeriemärkte im Fokus. Sie sind es, die den Apotheken als potenzielle Konkurrenten gefährlich werden könnten. Rossmann und mehr noch dm bewegen sich um 2,5 bis 3 Mio. € Jahresumsatz je Filiale. Gerade bei dm erzielen moderne, größere Märkte deutlich über 3 Mio. € und ziehen nicht selten mehr als 1.000 Kunden am Tag an. Über ein Drittel des Geschäftes entfällt bei ihnen allein auf die Körperpflege. Diese Eckdaten illustrieren die Bedeutung beim "Kampf um die Köpfe".

Im Körperpflegemarkt liegt der Online-Versandanteil noch im sehr niedrigen einstelligen Bereich (Ausnahme: teurere Apothekenprodukte!). Bis Ende 2021 erwartet man allerdings, dass er sich auf für unsere Verhältnisse immer noch überschaubare 7% bis 10% vervielfältigt. Schützend wirken die niedrigen Packungswerte mit einem für die Kunden nicht sonderlich hohen Einsparpotenzial. Deshalb tätigt man diese Käufe ganz überwiegend noch stationär in den üblichen sowieso angesteuerten Einkaufsstätten.

Strategische Betrachtungen

Es ist wesentlich cleverer, bei Zahn-, Haar- oder ausgewählten Hautpflegemitteln und Deos mit Discountpreisen zu arbeiten als bei Arzneimitteln, und dies aus mehreren Gründen:

Bei der Körperpflege sticht zunächst die Breitenwirksamkeit ins Auge: So ziemlich jeder benötigt diese Produkte meist durchgehend im Jahr, denken Sie doch nur an Zahncreme. Die Zielkundschaft bei OTC-Präparaten ist dagegen viel stärker eingeschränkt. Bei speziellen Indikationen oder hochpreisigen Produkten werden nur wenige Prozent oder gar Promille der Kunden überhaupt angesprochen. Interessant zu wissen: Ein Körperpflegeprodukt wird im statistischen Schnitt pro Kopf rund jede Woche gekauft, ein OTC-Arzneimittel hingegen nur alle sechs bis sieben Wochen.

Apotheken können anderen Handelskanälen durchaus Paroli bieten und "Duftmarken" setzen, wildern diese Konkurrenten doch auch ungeniert auf dem Apothekenmarkt.

Sie als Chef verbrennen keine großen Roherträge: Ob Sie nun an einer Zahnpastatube noch 0,75 € verdienen oder sie zum Kampfpreis weiterreichen, dürfte ziemlich egal sein. Entscheidend ist, dass Sie Kunden gewinnen – idealerweise neue, die sich so zumindest schon einmal in die Apotheke locken lassen.

Sie mindern die Trivialisierung der Arzneimittel, indem Sie die Aktionsschwerpunkte umlenken und dadurch die "Kronjuwelen" (das OTC-Sortiment!) schützen. Zwar werden Sie um attraktive Angebote im Arzneimittelsegment nicht ganz herumkommen. Doch Sie können sie viel dosierter einsetzen, wenn Sie eine attraktive andere "Spielwiese" eröffnet haben.

Als Inhaber können Sie schnell reagieren. Diesen Vorteil der Flexibilität gilt es zu nutzen. Tabelle 1 zeigt, dass es dabei auch trotz Einkaufsnachteilen sehr wohl möglich ist, konkurrenzfähig zu kalkulieren.

Der Margenverzicht lässt sich für die Apotheke recht leicht verschmerzen, weil sie – anders als Drogeriemärkte – nicht von diesem Segment leben muss. Das Ziel ist ja, ertragreichere Arzneimittel abzusetzen und Rezepte "anzuziehen". Eine Herausforderung besteht insbesondere bei der Kosmetik darin, das bisherige höherwertige Sortiment nicht selbst zu kannibalisieren. Doch deutlich mehr Rezepte kompensieren selbst das spielend – also haben Sie keine zu große Angst!

Fazit

Der Körperpflegemarkt bietet mehr Chancen als Risiken. Sicher winken nicht die großen Erträge. Doch Preisexperimente wirken sich hier weit weniger dramatisch aus als bei hochwertigen Arzneimitteln – und die "Lockwirkung" sollte erheblich sein.

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(01):4-4