Planrechnungen

Preismarketing und Rabatte sind keine Bauchentscheidung


Doris Zur Mühlen

Auch Apotheken setzen zunehmend auf Preismarketing. Doch welche Maßnahmen können sie sich "leisten"? Planrechnungen haben sich bei der Entscheidung bewährt. Zentral sind die Auswirkungen auf den Rohertrag und den Ertrag sowie die Frage nach den Kompensationsmöglichkeiten.

Längst erfolgt die Arzneimittelversorgung nicht mehr nur durch die Vor-Ort-Apotheke. Andere Wettbewerber, insbesondere Versandapotheken, aber auch Drogeriemärkte und Einzelhändler, drängen dort, wo es rechtlich möglich ist, in den Markt. Allein im – für das Thema "Rabatte" zentralen – Over-the-Counter (OTC)-Segment weisen Versandapotheken seit Jahren vielfach Steigerungsraten im zweistelligen Bereich auf. Ihr Marktanteil bewegt sich laut Marktforscher IQVIA zwischenzeitlich nach Absatz bei rund 13% und nach Umsatz bei etwa 17%. Rabatte von 20% bis 50% sind für Versandapotheken Kern des Preismarketings im OTC-Bereich.

Die Apotheke vor Ort bewegt sich in einem Umfeld von Marktteilnehmern aller Branchen, die zum großen Teil auf eine betriebswirtschaftlich professionelle Preismarketing-Strategie setzen. Der Preis ist permanent Gegenstand von Werbung – mit der Konsequenz, dass Kunden insgesamt sensibler auf das Thema "Preis" reagieren: Preismarketing beeinflusst also das Kundenverhalten.

Apotheken und Preismarketing

Preismarketing unterschiedlichster Couleur gehört inzwischen zum Alltag der meisten Apotheken. Dabei nutzen sie vor allem

  • Sonderangebote und Aktionspreise bzw. Rabatte für ein ausgewähltes Sortiment,
  • Rabatte für Kundenkarteninhaber (zum Teil mit verschiedenen Differenzierungen),
  • Rabattaktionen an bestimmten Tagen (z.B. "während jeder ersten Woche im Monat", "an jeden Donnerstag") oder zu bestimmten Tageszeiten (z.B. "Happy Hour") und
  • Rabatte für das gesamte OTC-Sortiment.

Rabatte mit Bandbreiten von 10% bis zum Teil 30% sind heute für preisaktive öffentliche Apotheken keine Seltenheit mehr. Gleichgültig, für welches Rabattmodell Sie sich im konkreten Fall entscheiden: Kernfrage ist, wie es sich auf den Rohertrag Ihrer Apotheke auswirkt.

Einige grundsätzliche Vorbemerkungen

Wenn Sie Ihre Aktionspreise und Rabatte zusätzlich mit Flyern, Anzeigen, Werbespots, Newslettern usw. bewerben, ist es wichtig, neben der Rohertragsveränderung die anfallenden Werbekosten einzubeziehen.

Ausdrücklich sei vor einem aggressiven Preiswettbewerb gewarnt. Das Preisniveau von Versandapotheken ist für Vor-Ort-Apotheken kein Maßstab!

Beachten Sie bitte außerdem: Wenn Sie ständig mit den Preisen experimentieren, verunsichern Sie Ihre Kunden. Kontinuität hingegen signalisiert Zuverlässigkeit und fördert Vertrauen.

Nicht ohne Planrechnungen

Sie als Inhaber legen die Preisstrategie für Ihre Apotheke fest: Ihre Entscheidung hat eine hohe betriebswirtschaftliche Relevanz. Nutzen Sie daher im Vorfeld Planrechnungen, um die Frage zu beantworten, was machbar – also welche Preisstrategie tragfähig – ist.

Ein Beispiel: Apotheke A will sich mit höheren Rabatten künftig stärker am Markt positionieren. Wie kann sie vorgehen? Zunächst sollte sie sich fragen, welchen Umsatz und welchen Rohertrag sie im OTC-Bereich generiert. Eine Antwort geben die Daten aus dem Warenwirtschaftssystem – allerdings nur dann, wenn die Ware mit den effektiven Einkaufspreisen zutreffend verbucht wird. Das allerdings ist nicht ganz einfach. In praxi erreichen vor allem unternehmerisch-strategisch agierende Apotheker eine hohe Authentizität der notwendigen Kennzahlen. Doch selbst wenn das nicht jedem gelingt: Wichtig ist, die OTC-Erlöse und den daraus resultierenden Rohertrag von der Größenordnung her realistisch einzuschätzen. Es versteht sich von selbst, dass darüber hinaus die Anzahl der Kunden bekannt sein muss.

Apotheke A erzielt mit Produkten aus der Frei- und Sichtwahl bei ihren 46.400 Kunden Erlöse von rund 370.000 € – und damit einen Rohertrag von rund 111.370 € (Tabelle 1).

Sie beabsichtigt nun, ihr Preismarketing zu intensivieren, indem sie Rabatte von 20% – jedoch nicht für das gesamte OTC-Sortiment – einführt. Dafür selektiert sie nach verschiedenen Kriterien Produkte, die von den Rabatten ausgenommen werden sollen. Im Ergebnis umfasst dann dieses nichtpreisaktive OTC-Sortiment rund 60% (=222.000 €) des gesamten OTC-Umsatzes von Apotheke A auf Basis der ursprünglichen Preise. Bei der unveränderten Spanne von 30,1% ergibt sich hieraus ein Rohertrag von 66.822 € (Tabelle 2).

Auf das preisaktive OTC-Sortiment entfällt demnach ein Umsatzpotenzial von rund 148.000 € (370.000 € – 222.000 €). Wenn Apotheke A einen Rabatt von 20% auf dieses Sortiment gewährt, realisiert sie (zunächst ohne Mehrverkauf) daraus dann nur noch Erlöse in Höhe von 118.400 €. Bei gleichem Wareneinsatz wie ursprünglich von 103.452 € (148.000 €·69,9%) reduziert sich der Rohertrag um 29.600 € auf 14.948 €, die Spanne für das preisaktive OTC-Sortiment sinkt von 30,1% auf 12,6% (Tabelle 2).

Damit verändern sich gleichzeitig die Kennzahlen der Apotheke (Tabelle 3): Der Rohertrag sinkt im Vergleich zur Ausgangssituation um 29.600 €. Bei weiterhin 46.400 Kunden geht er somit je Kunde im Durchschnitt von 10,00 € um 0,63 € auf 9,37 € zurück. Nicht selten sind Apotheker von der Größenordnung des nunmehr fehlenden Rohertrags überrascht.

Achtung: Würde sich Apotheke A für die Preisstrategie "OTC – 20% auf alles" entscheiden, läge der Rohertrag im Vergleich zur Ausgangssituation um insgesamt 74.000 € niedriger. Das dürfte längerfristig, zumindest bei unveränderten Kosten, nicht realisierbar sein. Deshalb müssen Discount-Konzepte vor ihrer Einführung durchgerechnet werden.

Kompensationsmöglichkeiten realistisch einschätzen

Was kann bzw. muss Apotheke A nun tun, damit der fehlende Rohertrag in Höhe von 29.600 € nicht direkt zum Ertragsverlust wird? Sie hat die folgenden Handlungsmöglichkeiten:

  • Mehrverkauf des preisaktiven Sortiments,
  • Preiserhöhung im nichtpreisaktiven Sortiment,
  • gegebenenfalls auch Preiserhöhung im preisaktiven Sortiment im Vorfeld von Rabattaktionen,
  • Gewinnung von Neu- und Mehrkunden, die entsprechend der Versorgungsstruktur der Apotheke Umsatzerlöse bringen, also Rezepte einlösen, Artikel aus dem gesamten OTC-Sortiment erwerben usw., und
  • Neuverhandlung und damit Verbesserung der Einkaufskonditionen.

Mithilfe von Planrechnungen wird in Tabelle 4 jeweils ermittelt, in welcher Größenordnung die einzelnen Maßnahmen liegen müssten.

Soll beispielsweise der Rohertragsverlust durch einen Mehrverkauf des (nur) preisaktiven Sortiments ausgeglichen werden, sind 234.921 € Mehrumsatz notwendig (29.600 €: 12,6%·100%). Bei einem angenommenen Netto-Durchschnittspreis von 10 € pro Packung müssten so etwa jährlich 23.500 Packungen mehr verkauft werden – was für Apotheke A unrealistisch ist. Ähnlich dürfte es sich auch mit den anderen genannten Maßnahmen verhalten.

Apotheke A hätte überdies die Möglichkeit, ihre Kosten zu reduzieren. Damit würde sie dem Rohertragsverlust zwar nicht entgegensteuern, könnte aber den Ertragsverlust kompensieren. Allerdings ist eine Kostenreduktion um 29.600 € bei einer 2-Mio.- Euro-Umsatz-Apotheke erfahrungsgemäß kaum noch möglich. Zum Vergleich: Die Personalkosten für eine PTA (wöchentliche Arbeitszeit: ca. 30 Stunden) bewegen sich etwa in der genannten Größenordnung.

In praxi geht es aber nicht nur darum, den Rohertragsverlust auszugleichen. Hinzu kommen nämlich in der Regel – wie einleitend schon erwähnt – noch Werbekosten, die ergänzend in die Planrechnungen einzubeziehen sind, um einen Ertragsverlust zu vermeiden. Setzt Apotheke A beispielsweise monatlich 600 € – also jährlich 7.200 € – zusätzlich ein, um ihr Rabattmodell zu bewerben, erhöht sich der zu kompensierende Betrag auf 36.800 €.

Fazit

Sie können Verluste, die durch ein derartiges Rabattmodell entstehen, nur – wenn überhaupt – ausgleichen, indem Sie alle Handlungsmöglichkeiten nutzen. Ob sich ein Modell lohnt, sollten Sie mithilfe von Planrechnungen überprüfen. Ausschlaggebend ist es, Ziele wie auch Kompensationsmaßnahmen zu definieren und in der Folge zum Gegenstand des Controllings zu machen.

Grundsätzlich gilt die kaufmännische Regel "Im Preiswettbewerb verliert jeder!" Besser also, die Apotheke löst sich vom Preiswettbewerb – auf jeden Fall in der obigen Größenordnung – und setzt darauf, mithilfe von Beratung, Service und Dienstleistungen Einzelkunden individuell an sich zu binden.

Dipl.-Bw. Doris zur Mühlen, Wirtschaftsprüferin, Steuerberaterin, Geschäftsführende Gesellschafterin der RST Steuerberatungsgesellschaft mbH, 45128 Essen

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(01):6-6