Wirrwarr bei der Verzinsung von Steuernachzahlungen

Keine Zinsen auf die Zinsen!


Helmut Lehr

Im letzten Jahr hat der Bundesfinanzhof (BFH) wiederholt Zweifel am fiskalischen Zinssatz von 6% p.a. geäußert. Die Finanzverwaltung hat zunächst ein bisschen nachgegeben und musste kurz vor Weihnachten dann doch erneut einlenken. Jetzt gibt es in der Praxis einige Verwirrung.

In den letzten Jahren wurden von Steuerexperten immer wieder Bedenken gegen die Höhe der Steuernachzahlungszinsen geltend gemacht. Schließlich entspricht der maßgebende Zinssatz von 6% p.a. schon lange nicht mehr der Realität an den Finanzmärkten. Der BFH hat sich diesen Bedenken allerdings erst im Jahr 2018 angeschlossen: Er hegt jetzt ebenfalls Zweifel daran, dass die Zinsen in der gesetzlich vorgeschriebenen Höhe verfassungsmäßig sind.

Aussetzung der Vollziehung

Nachdem der BFH zunächst mit Beschluss vom 25.04.2018 (vgl. AWA 12/2018) die Höhe der Verzinsung infrage gestellt hatte, wurde seitens des Bundesfinanzministeriums nur das „Nötigste“ verfügt: Die Vollziehung sollte nur für solche Zinsen ausgesetzt werden können, die auf Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2015 entfallen sind (vgl. AWA 14/2018).

Als die obersten Steuerrichter dann mit Beschluss vom 03.09. 2018 (Aktenzeichen: VIII B 15/18) auch für frühere Verzinsungszeiträume die Zinshöhe monierten, musste die Finanzverwaltung nachziehen. Mit Schreiben vom 14.12.2018 (Aktenzeichen: IV A 3 – S 0465/18/10005-01) hat das Bundesfinanzministerium verfügt, dass die Vollziehung von Steuernachzahlungszinsen auf Antrag des Steuerpflichtigen bereits für Verzinsungszeiträume ab dem 01.04.2012 auszusetzen ist.

Praktische Bedeutung

Hohe Nachzahlungszinsen entstehen insbesondere im Anschluss an eine Betriebsprüfung, wenn das Finanzamt Steuern für oft weit zurückliegende Jahre fordert. Wer nun mit solchen Bescheiden konfrontiert wird, sollte zumindest gegen die Zinsfestsetzung Einspruch einlegen und – je nach Bedarf – beantragen, dass die Vollziehung ausgesetzt wird. In der Folge sind die Nachzahlungszinsen bis auf Weiteres nicht zu entrichten – und das schont die Liquidität.

Hinweis: Erst wenn das Bundesverfassungsgericht abschließend über die Problematik geurteilt hat, wird die Finanzverwaltung die Einsprüche in der Sache bearbeiten. Wird die Rechtsfrage zugunsten des Fiskus entschieden, müssen die von der Vollziehung ausgesetzten Zinsen nachträglich entrichtet werden.

Keine zusätzlichen Aussetzungszinsen

Normalerweise werden bei erfolglosen Einspruchsverfahren zusätzlich Zinsen auf solche Steuerbeträge erhoben, deren Vollziehung ausgesetzt war. Wohl deshalb haben in den letzten Wochen verschiedene Finanzämter die Vollziehung von Steuernachzahlungszinsen mit dem Hinweis ausgesetzt, dass bei erfolglosem Einspruchsverfahren zusätzlich Aussetzungszinsen zu entrichten sind. Dann würden quasi Zinsen auf die Zinsen fällig.

Das allerdings ist in der Abgabenordnung gar nicht vorgesehen. Sie können deshalb zumindest insoweit unbesorgt sein. Die Finanzämter dürfen keine zusätzlichen Aussetzungszinsen berechnen, wenn Ihr Einspruch gegen die Nachzahlungszinsen – verbunden mit einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung – letztlich keinen Erfolg haben sollte.

Hinweis: Zwischenzeitlich hat auch die Bundessteuerberaterkammer nochmals ausdrücklich klargestellt, dass eine Verzinsung der von der Vollziehung ausgesetzten Zinsforderungen unzutreffend und unzulässig ist (vgl. unter anderem Steuerberaterkammer Rheinland-Pfalz, Kammer-Info 5/2018, S. 15).

Helmut Lehr, Dipl.-Finanzwirt (FH), Steuerberater, 55437 Appenheim

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(03):18-18