Basis für den betrieblichen Arbeitsschutz

So gelingt die Gefährdungsbeurteilung


Karin Gruber

Als Arbeitgeber müssen Sie für Ihre Apotheke eine Gefährdungsbeurteilung erstellen. Diese bildet die Basis für den Arbeitsschutz vor Ort und trägt damit auch zum Unternehmenserfolg bei. Erarbeiten können Sie die Gefährdungsbeurteilung in sieben Schritten.

Als Apothekenleitung sind Sie für den betrieblichen Arbeitsschutz verantwortlich. Dafür räumt Ihnen das Arbeitsschutzgesetz einen weiten Gestaltungsspielraum ein. So können Sie in hohem Maße mitentscheiden, wie Sie die vorgegebenen Mindestanforderungen und darüber hinausgehende, selbstgesteckte Ziele erreichen. Vorgeschrieben ist jedoch, dass Sie regelmäßig und gegebenenfalls auch anlassbezogen eine Gefährdungsbeurteilung vornehmen. Damit ermitteln Sie systematisch die Gefährdungen für Ihre Beschäftigten und treffen Schutzmaßnahmen, sodass Ihr Team sicher und gesund arbeiten kann.

Nicht zuletzt liegt es in Ihrem unternehmerischen Interesse, Arbeitsunfälle und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden: Sie wollen vermutlich nicht, dass z.B. eine qualifizierte und erfahrene, vollzeitbeschäftigte PTA für längere Zeit ausfällt? Weiterhin tragen sichere und gesund- heitsgerechte Arbeitsbedingungen zur Leistungsfähigkeit und Motivation bei – und damit dazu, dass Ihre Angestellten Bestmögliches leisten und an die Apotheke gebunden werden bzw. bleiben (vgl. auch AWA 19/2017).

In sieben Schritten zum Ziel

Die unter anderem im Arbeitsschutzgesetz verankerte Gefährdungsbeurteilung kann systematisch in sieben Schritte unterteilt werden:

1. Arbeitsbereiche und Tätigkeiten festlegen,

2. Gefährdungen ermitteln,

3. Gefährdungen beurteilen,

4. Maßnahmen festlegen,

5. Maßnahmen durchführen,

6. Wirksamkeit überprüfen und

7. Gefährdungsbeurteilung fortschreiben.

Betrachten wir im ersten Schritt exemplarisch den Arbeitsbereich "Warenwirtschaft". Dort könnten beispielsweise folgende Tätigkeiten anfallen:

  • Der Großhandel liefert Ware in Kisten und stellt sie an einem festgelegten Platz ab.
  • Die PKA erfasst die gelieferte Ware am Computerarbeitsplatz im Warenwirtschaftssystem.
  • Lagerware wird weggeräumt.
  • Bestellungen werden am dafür vorgesehenen Platz zwischengelagert.

Als Nächstes sind die mit den Tätigkeiten im jeweiligen Arbeitsbereich verbundenen Gefährdungen und Belastungen zu ermitteln und zu beschreiben. In der Warenwirtschaft könnten das z.B. die folgenden sein:

  • Unfallgefahr durch Stolpern und Stürzen: Zurückführen lässt sich diese Gefahr etwa auf Waren, die aus Platzmangel im Weg stehen, oder auf Verlängerungskabel, die frei auf dem Fußboden liegen und einen Kabelsalat bilden. Oder es sind z.B. Leitern oder Elefantenfüße alt und defekt bzw. stehen nur in unzureichender Anzahl oder an entlegenen Stellen zur Verfügung.
  • Belastungen durch Fehlhaltung oder Fehlbelastung: Ursächlich kann etwa sein, dass die Ablagefläche rund um den Computerarbeitsplatz nicht für die angelieferte Ware ausreicht, und dass es außerdem an Beinfreiheit mangelt, sodass die Mitarbeiter sich verrenken müssen, um arbeiten zu können. Zudem sind häufig beispielsweise die Stuhlhöhe, der Abstand zur Tastatur und die Bildschirmhöhe auf eine bestimmte Person eingestellt und lassen sich nicht individuell anpassen. Manchmal werden schwere Waren überdies allein, ohne Hilfsmittel und mit der falschen Technik bewegt. Möglicherweise haben auch die Bürostühle keine Rollen.
  • Belastungen der Augen: Z.B. erzeugt Sonnenlicht blendende Reflexionen auf dem Monitor.

Als Nächstes sind die aufgedeckten Gefährdungen und Belastungen zu beurteilen. Zum Teil finden Sie dazu Vorgaben in Gesetzen, Verordnungen und Technischen Regeln. So steht etwa in den Technischen Regeln zur Arbeitsstättenverordnung, wie sich verhindern lässt, dass Mitarbeiter an Arbeitsplätzen geblendet werden. Zum Teil ist auch Ihre eigene – möglichst objektive – Risikoeinschätzung gefragt. Überlegen Sie, wie wahrscheinlich es ist, dass die Gefährdung oder Belastung zu einem Unfall oder einer Erkrankung führt – und welches Ausmaß der mögliche Gesundheitsschaden hätte. So lässt sich abwägen, wo Handlungsbedarf besteht – und wie dringlich dieser ist. Wenn Sie handeln müssen, gilt es zunächst, möglichst konkrete und messbare Schutzziele zu formulieren.

Im darauffolgenden Schritt legen Sie entsprechendeSchutzmaßnahmen fest. Im Beispiel könnten Sie unter anderem den Monitor im Arbeitsbereich "Warenwirtschaft" so umstellen, dass kein Sonnenlicht darauffällt. Falls das nicht möglich ist, lässt sich das Fenster mit einem Sonnenschutz versehen. Damit die Schutzmaßnahmen nicht nur angedacht, sondern auch umgesetzt werden, sollten Sie unbedingt auch festlegen, wer sich bis wann darum kümmert.

Immer up-to-date bleiben

Im sechsten Schritt gilt es zu überprüfen, ob die getroffenen Schutzmaßnahmen tatsächlich umgesetzt worden sind und zum gewünschten Ergebnis geführt haben bzw. führen: Ist beispielsweise der Bildschirmarbeitsplatz so umgestaltet worden, dass die Mitarbeiter dort nicht mehr durch die Sonne geblendet werden? Kontrollieren Sie hierbei auch, ob durch die getroffenen Schutzmaßnahmen eventuell neue Gefährdungen oder Belastungen auftreten. Vielleicht engt der Monitor an seinem neuen Platz den Bewegungsfreiraum zu stark ein, oder es kommt nun zu Reflexionen und Blendungen, weil die künstliche Beleuchtung nicht passend eingestellt ist? In solchen Fällen sind die Gefährdungsbeurteilung und die Schutzmaßnahmen anzupassen.

Auch unabhängig von derartigen "Nachbesserungen" müssen Sie die Gefährdungsbeurteilung fortschreiben, sobald neue Gefährdungen in Ihrer Apotheke aufgetreten sind oder auftreten können. Das ist z.B. der Fall, wenn Sie neue Arbeitsabläufe einführen, neue Geräte anschaffen, neue Arbeits- oder Gefahrstoffe einsetzen, wenn sich die Arbeitsbedingungen anderweitig ändern oder wenn Sie Hinweise auf bislang unentdeckte Gefährdungen oder Belastungen erhalten.

Berücksichtigen Sie auch spezielle Risiken für bestimmte Personengruppen wie etwa Jugendliche, Schwangere oder Stillende. Neu ist: Mutterschutz-Aspekte müssen Sie grundsätzlich in die Gefährdungsbeurteilung aufnehmen, auch wenn Sie aktuell keine werdende oder junge Mutter beschäftigen (vgl. AWA 12/2017).

Auf jeden Fall müssen Sie Ihre Gefährdungsbeurteilung dokumentieren. Das hat einen doppelten Sinn: Zum einen hilft es, die festgelegten Schutzmaßnahmen umzusetzen und zu überprüfen. Zum anderen haben Sie so im Schadensfall einen Nachweis gegenüber den staatlichen Arbeitsschutzbehörden und der Berufsgenossenschaft, dass Sie Ihre Arbeitsschutzaufgabe erfüllt haben.

Wer Sie unterstützt

In vielen Fällen berät Sie Ihr Betriebsarzt oder Ihre Fachkraft für Arbeitssicherheit im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung bei der Gefährdungsbeurteilung.

Sie dürfen Gefährdungsbeurteilungs-Aufgaben auch an fachkundige Personen delegieren. In der Regel empfiehlt es sich zudem, die Beschäftigten einzubeziehen. Zum einen sind diese in gewisser Hinsicht Fachleute. Zum anderen akzeptieren sie Arbeitsschutzmaßnahmen eher, wenn sie sie selbst miterarbeitet haben. Die Gesamtverantwortung für das Ergebnis bleibt jedoch stets bei Ihnen.

Service

Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) bietet auf ihrer Seite zur Gefährdungsbeurteilung neben Informationen und Musterbögen für die Dokumentation eine Online-Handlungshilfe an. Diese führt Sie Schritt für Schritt durch die Gefährdungsbeurteilung in Ihrer Apotheke. Die Ergebnisse werden in einer Tabelle zusammengefasst, die auch einen Zeit- und Maßnahmenplan enthält. Typische Mutterschutz-Aspekte sind zudem auf den Sicheren Seiten der BGW für den Bereich "Pharmazie" beschrieben.
Weitere Informationen und Formulare über Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahr- sowie Biostoffen erhalten Sie auf der Arbeitsschutzseite der ABDA.

Karin Gruber, Apothekerin, wissenschaftliche Honorarkraft Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, E-Mail: karin.gruber@bgw-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(03):12-12