"Der Mitarbeiter muss gehen!"

Wann eine Druckkündigung möglich ist


Dr. Britta Bradshaw

Einer Ihrer Angestellten hat zwar keine seiner arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Was aber, wenn die anderen Mitarbeiter die Zusammenarbeit verweigern oder Kunden seinetwegen damit drohen, nicht mehr wiederzukommen: Dürfen Sie eine Kündigung aussprechen?

Verletzt einer Ihrer Mitarbeiter seine Pflicht, müssen Sie stets die mildeste Sanktionsmaßnahme wählen (vgl. AWA 23/2018). Wie aber verhält es sich, wenn andere Arbeitnehmer, Kunden, Lieferanten, Kreditgeber oder ähnliche Dritte Druck auf Sie ausüben, einem Mitarbeiter zu kündigen? Die Rechtsprechung lässt eine solche "Druckkündigung" in engen Grenzen zu. Was Sie darüber wissen sollten, stellen wir Ihnen im Folgenden vor.

Wollen die genannten Dritten, dass Sie einem Apothekenmitarbeiter kündigen, weil er seine Pflicht verletzt hat, können Sie sich natürlich darauf stützen. Dann liegt eine "unechte Druckkündigung" vor. Inhaltlich ist zu prüfen, ob die Pflichtverletzung die Kündigung tatsächlich rechtfertigt.

Die Frage, welcher Kündigungsgrund vorliegt, wird freilich erst bei Betrieben relevant, in denen das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gilt. Das ist der Fall in allen Betrieben, die – exklusive den Auszubildenden – in der Regel mehr als zehn Angestellte haben. Ebenfalls angewandt wird das KSchG in Betrieben mit mehr als fünf Mitarbeitern, die durchgängig seit spätestens dem 31.12.2003 angestellt sind. Der zu kündigende Mitarbeiter muss ebenfalls spätestens seit dem 31.12.2003 ständig angestellt sein. In Kleinbetrieben, in denen das KSchG keine Anwendung findet, ist eine ordentliche – fristgemäße – Kündigung jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich, sie muss nicht sozial gerechtfertigt sein.

Die echte Druckkündigung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich bereits mehrfach mit der echten Druckkündigung befasst und hält sie als "Unterfall" einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen grundsätzlich für gerechtfertigt. Dabei stellt es jedoch hohe Anforderungen.

Allgemein ist die echte Druckkündigung wirksam, soweit die genannten Dritten sie unter Androhung eines erheblichen wirtschaftlichen Nachteils für Sie als Arbeitgeber verlangen. Sie selbst müssen alles in Ihrer Macht Stehende getan haben, um die Dritten davon abzubringen, ihre Drohung in die Tat umzusetzen. Die Kündigung darf also nur das letzte noch mögliche Mittel sein (vgl. BAG, Urteil vom 19.07.2016, Aktenzeichen: 2 AZR 637/15). Entscheidend ist auch, dass Sie nicht selbst dafür verantwortlich sind, dass die Dritten, insbesondere Ihre eigenen Angestellten, Druck auf Sie ausüben. Den zu kündigenden Mitarbeiter müssen Sie übrigens vor der Kündigung nicht generell nach seiner Sicht befragt haben (BAG, Urteil vom 04.10.1990, Aktenzeichen: 2 AZR 201/90).

Ob eine Druckkündigung wirksam ist, kommt auf den Einzelfall an. Die nachfolgenden Fallbeispiele sollen die wichtigsten Probleme aufzeigen.

Wie es sich bei einem Sexualstraftäter verhält

In einem vom BAG zu entscheidenden Fall war der Angestellte eines Containerterminals wegen sexuellen Kindesmissbrauchs rechtskräftig verurteilt worden. Der Arbeitgeber hatte ihm daraufhin bereits zweimal gekündigt. Die Kündigungsschutzklagen des Angestellten waren jedoch in beiden Fällen erfolgreich.

Als der Angestellte seinen Dienst wieder antreten wollte, verweigerten sowohl alle auf dem Gelände anwesenden Mitarbeiter des Arbeitgebers als auch die Mitarbeiter von Drittfirmen die Arbeit, bis der fragliche Angestellte das Gelände verlassen würde. Weil somit über den zu erwartenden erheblichen wirtschaftlichen Verlust Druck auf ihn aufgebaut wurde, kündigte der Arbeitgeber erneut. Der Angestellte reichte wieder eine Kündigungsschutzklage ein.

Während die Vorinstanzen wegen des neuen Kündigungsgrundes anders urteilten, erklärte das BAG die Kündigung für unwirksam (Urteil vom 15.12.2016, Aktenzeichen: 2 AZR 431/15). Der aufgebaute Druck sei zwar prinzipiell ausreichend für eine Druckkündigung. Jedoch habe der Arbeitgeber nicht alles unternommen, um die Kündigung abzuwehren. Trotz des moralisch verwerflichen, außerdienstlichen Verhaltens habe er dem Angestellten gegenüber eine Fürsorgepflicht und müsse sich dem Kündigungsverlangen der anderen Arbeitnehmer entgegenstellen. Diese hätten durch die Arbeitsniederlegung ihre eigenen arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt. Insofern sei es dem Arbeitgeber zuzumuten, "sie darauf hinzuweisen, dass ihr Verhalten einen schwerwiegenden, nach Abmahnung gegebenenfalls zur Kündigung berechtigenden Vertragsbruch darstellt und dass ihnen für die ausfallende Arbeit kein Entgelt zusteht."

Das BAG hat nicht entschieden, ob eine solche Androhung an eine Vielzahl von Mitarbeitern auch umgesetzt werden müsste. Dies ist jedoch zu bezweifeln, da gerade dadurch der Schaden entstünde, der sich durch die Druckkündigung abwenden ließe.

Und wie es bei Aussagen gegen den Arbeitgeber aussieht

Auch in einem weiteren Fall hielt das BAG eine Druckkündigung für unzulässig, argumentierte jedoch etwas anders (Urteil vom 19.07.2016, Aktenzeichen: 2 AZR 637/15): An einem Berufskolleg für Sozialpädagogik stellten sich sieben der regelmäßig beschäftigten zwölf bis 13 Lehrkräfte, die Sekretärin und der Hausmeister gegen eine andere Lehrkraft – unter anderem, weil diese ehrenrührigen Aussagen von Schülern "gegen die Schule und das Kollegium" nicht widersprochen habe. Die Lehrkräfte wollten ihre eigene Anstellung zum nächstmöglichen Zeitpunkt kündigen, falls die fragliche Person weiterhin an der Schule beschäftigt bleiben würde. Hätten sie ihre Drohung in die Tat umgesetzt, wäre es nicht möglich gewesen, den Schulbetrieb weiter aufrechtzuerhalten. Hieraus hätte sich ein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil ergeben.

Der Arbeitgeber gab der fraglichen Lehrkraft zunächst die Möglichkeit zur Stellungnahme, führte dann ein gemeinsames Gespräch mit allen Beteiligten und zu guter Letzt ein weiteres Gespräch mit den druckausübenden Lehrkräften. Weil sich jedoch keine gütliche Lösung erreichen ließ, kündigte er schließlich.

Diese Kündigung ist dem BAG zufolge jedoch trotz des drohenden Schadens unwirksam, da sie nicht das einzige praktisch noch mögliche Mittel war. Der Arbeitgeber habe noch nicht alles ihm zur Verfügung Stehende unternommen, um die Lehrkräfte von ihrem Kündigungsverlangen abzubringen. Er dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass ihm die Drucksituation "gerade recht" komme, sondern müsse dem Kündigungsverlangen argumentativ entgegentreten und verdeutlichen, dass er das Arbeitsverhältnis einstweilen fortführen wolle. Ausreichend sei es weder, der Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen, noch zu versuchen, die Situation durch ein Gespräch der zerstrittenen Parteien beim Arbeitgeber zu lösen. Vielmehr müsse man eine Mediation durch eine "neutrale Person" zumindest anbieten, sofern es nicht gänzlich aussichtslos erscheine, damit ein Ergebnis zu erzielen.

Das BAG verwies darauf, dass es in dieser Konstellation nicht nötig bzw. möglich sei, die druckausübenden Lehrkräfte abzumahnen. Denn in der Androhung, selbst zu kündigen, sei keine Pflichtverletzung zu sehen.

Allerdings kann eine Druckkündigung in anderen Fällen auch ohne weitere Handlungspflichten gerechtfertigt sein. Möglich ist das beispielsweise, falls ein Gläubiger eine Verlustübernahmeerklärung, die die wirtschaftliche Existenz eines Betriebes sichert, nur dann abgibt, wenn ein bestimmter Angestellter entlassen wird (BAG, Urteil vom 18.07.2013, Aktenzeichen: 2 AZR 420/12).

Dr. Britta Bradshaw, Rechtsanwältin, Kanzlei Winterstein, 22926 Ahrensburg, E-Mail: bradshaw@kanzlei-winterstein.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(03):14-14