Immer wieder unterschätzt

Der Wert der Logistik


Prof. Dr. Reinhard Herzog

"Den Apotheker als Kaufmann braucht keiner!" Dieser Satz hallt noch nach. Stattdessen soll es die Rolle als Heilberufler und persönlicher Dienstleister richten. Nun hat dieses Konzept allerdings bereits kräftige Risse bekommen, als schon beim simplen Thema "Impfen" angesichts der prompten Kritik der Ärzteschaft zurückgerudert wurde.

Das Zugpferd bei unserer Werbung in eigener Sache ist somit immer noch die "Versorgung" als die vorrangige, uns gesetzlich zugedachte Rolle. Drohend wird ein Versorgungsnotstand beschworen, obwohl er real kaum zu befürchten ist. Vom Markt verschwinden die schlecht gelegenen Peripherie-Apotheken in den Städten bzw. in den abgelegenen Stadtteilen, und es scheitern Illusionisten in Lagen, in denen Erträge und Kosten eben doch nicht zusammenzubringen sind. Landapotheken waren und sind recht stabil wie auch renditestark – solange es eben auf dem Land noch Ärzte gibt. Denn kein Strukturfonds kompensiert endgültig wegfallende Hauptverordner. Die Rezepte werden dorthin wandern, wo dann die Verordner samt anderer Apotheke sitzen. Diese Diskussionen führen kaum in die Zukunft.

Umso mehr verwundert, wie wenig die logistische Leistung als Wert an sich erkannt wird. In der Tat sind die Apotheken (um den Preis einer entnervenden Bürokratie) ein gutes Stück weit "Komplexitätsprofiteure" in einem Präparate- und Vertrags-Dickicht. Eine "Aldi-Apotheke" mit einem stringent auf z.B. nur 1.000 oder 1.500 "Schnelldreher" eingeengten Warensortiment verhindert indes der Kontrahierungszwang. Apotheken sind durchwegs "Vollsortimenter", wobei der Großhandel schon allein flächenbedingt als "erweitertes Warenlager" fungieren muss: Was 30.000 bis 40.000 Artikelpositionen bedeuten, zeigen die bekannten Lebensmittel-Center auf 3.000 und mehr Quadratmetern.

Es wäre eine spannende Rechnung, ob sich dieser "Präparate-Wildwuchs" für die Volkswirtschaft lohnt. Mit 300 Wirkstoffen deckt man deutlich über 95% des Bedarfs. Selbst wenn man pro Wirkstoff fünf bis zehn Präparate (unterschiedliche Dosierungen bzw. Darreichungsformen) annähme, ergäbe sich ein noch recht überschaubares Sortiment, mit dem man sehr weit käme.

Einstweilen ist diese Vielfalt politisch opportun. So kommt die logistische Leistung auf den Schirm. Bis heute haben Versandhändler deutlich höhere Kosten je Auftrag bzw. Sendung als stationäre Apotheken je Bonkunde – nämlich mehr oder weniger deutlich über 10 € gegenüber rund 7 €. Selbst wenn man die Großhandelsebene den stationären Apotheken zuschlägt (knapp 1,50 € je Packung oder rund 2,50 € je Kunde), schneidet der stationäre Sektor noch spürbar günstiger ab. So verwundern die Verluste der Versender nicht. Und das, obwohl Apotheken Ladenlokale samt Labor und Fachpersonal vorhalten müssen – statt Lagerhallen und vorrangig Hilfskräften.

Das Geheimnis des Unterschieds liegt in der "letzten Meile" bis zur Haustür des Kunden. Diese ist allenthalben gefürchtet. Man denke nur an mehrere Zustellversuche, die heutigen Verkehrsprobleme, den Mangel an Zustellpersonal und etliches mehr. Das Problem wird unmittelbar einsichtig, wenn Sie sich einmal vorstellen, Sie müssten selbst durchwegs ausliefern, mit Botenkosten von etlichen Euro je ausgetragener Sendung. Dann hätten Sie ähnliche Verluste wie die Versender.

Heute kommen jedoch die Kunden in der Regel zu Ihnen. Das war und ist ein enormer Vorteil. Volkswirtschaftlich wären hier jedoch das "Wegegeld" samt Fahr- und Zeitaufwand sowie der "Ressourcenverbrauch" ebendieser Kunden einzubeziehen.

Eine große Rolle spielt dabei die Ortsnähe bzw. -ferne der Apotheke. Wenn Kunden weit fahren müssen, bedeutet dies erhebliche volkswirtschaftliche Kosten, die in die Diskussion um eine ortsnahe Versorgung einzubringen wären. Allerdings: Anfahrtskosten entstehen auf irgendeine Art immer, ob nun für den Großhandel, den Direktversand, die Lieferung durch Boten oder eben durch die Kundenwege. Niemand hat dies interessanterweise bisher einmal sauber analysiert und berechnet, obwohl sich hieraus starke Argumente ergeben könnten – fragt sich nur, für wen?

Dr. Reinhard Herzog, Apotheker, 72076 Tübingen, E-Mail: Heilpharm.andmore@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(04):19-19