Bevor es brenzling wird

Wie Sie die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen und gegensteuern können


Karin Gruber

Viele Kollegen erkennen Gefahren, die ihrer Apotheke drohen, oftmals leider erst dann, wenn es bereits zu spät ist. Deswegen gilt es, den Status quo stets kritisch zu hinterfragen. Doch wie gehen Sie am besten vor? Und wie justieren Sie nach, damit es nicht (weiter) bergab geht?

In erster Linie sind wir akademisch ausgebildete Heilberufler. Doch auch wenn sie im Rahmen des Pharmaziestudiums viel zu kurz kommt, müssen Apothekenleiter als eingetragene Kaufleute lernen, sich ausführlich mit der Betriebswirtschaft auseinanderzusetzen.

Warum es wichtig ist, die Augen immer offen zu halten

Mit der Zeit lässt sich ein Apothekenbetrieb wirtschaftlich immer besser über- und durchschauen. Schließlich finden sich jeden Monat bzw. jedes Jahr dieselben Posten in der betriebswirtschaftlichen Auswertung (BWA) bzw. der Bilanz. Wenn Sie nicht alles Ihrem Steuerberater überlassen, sondern auch eigene Statistiken pflegen, lernen Sie, mit diesen Zahlen umzugehen und sie zu strategischen Zwecken zu nutzen. Dazu sollten Sie insbesondere die Veränderungen von beispielsweise Umsätzen, Erträgen und der Kostenstruktur stets im Blick behalten. So sehen Sie auch selbst sehr schnell, ob sich Ihre Apotheke in

  • der Wachstums-,
  • der Konsolidierungs-
  • der Stagnations- oder
  • der Verlustphase befindet.

Auf jeden Fall sollten Sie es vermeiden, in der Stagnationsphase zu verharren oder in die Verlustphase zu kommen: Erkennen Sie die Warnzeichen rechtzeitig und entwickeln Sie eine Strategie mit Gegenmaßnahmen. Ansonsten finden Sie sich nämlich schnell in einer Liquiditätskrise wieder, die in die Insolvenz führen kann.

Was die wesentlichen Warnzeichen sind

Indikatoren dafür, dass Sie auf eine Verlustphase zusteuern, können sein:

  • Das wirtschaftliche Umfeld verändert sich, weil z.B. Frequenzbringer wie Banken, Bäckereien, Metzgereien oder Postämter schließen.
  • Arztpraxen schließen, ohne dass es einen Nachfolger gibt. Die Kunden suchen dann womöglich nicht nur den Arzt, sondern auch die Apotheke im Nachbarort auf.
  • Die Kundenfrequenz lässt nach, sodass die Offizin immer häufiger auch mal leer ist.
  • Die Umsätze sinken kontinuierlich.
  • Die Umschlagfrequenz des Warenlagers verringert sich.

Nicht nur in Krisenzeiten, sondern gerade auch dann, wenn es vermeintlich gut läuft, sollten Sie also stets kritisch beobachten, ob sich solche Veränderungen abzeichnen. Wenn das der Fall ist, gilt es, sie zu hinterfragen.

Was Sie analysieren sollten

Wenn die Umsätze und Erträge zurückgehen, wählen einige Kollegen einen oftmals fatalen Weg: Sie entlassen Personal, um "die Zahlen wieder stimmig zu machen." Sinnvoll stattdessen: Entwickeln Sie mit dem ganzen Team eine gemeinsame Strategie. Und besprechen Sie diese auch mit Ihrer Familie sowie einem vertrauenswürdigen Berater, der keine Aktien im Spiel hat.

Wenn Sie eine langfristige Strategie entwickeln, müssen Sie sich natürlich grundsätzlich immer einige Fragen stellen, so z.B.:

  • Wie alt sind Sie? Und wie lange planen Sie, noch in der Apotheke aktiv zu sein?
  • Haben Sie bereits einen potenziellen Nachfolger, sei es in der Familie oder aus dem Team?
  • Welche finanziellen Spielräume haben Sie?
  • Wie sieht die personelle Situation aus? Haben Sie z.B. viele treue und langjährige Mitarbeiter?

Führen Sie dann ehrliche Stärken-Schwächen- sowie Chancen-Risiken-Analysen durch – nicht zuletzt, um zu erkennen, ob die Missstände im eigenen Unternehmen liegen. Im Rahmen dieser Analysen stellen sich die folgenden Fragen:

  • Wo sind wir gut?
  • Wo haben wir noch Optimierungsreserven?
  • Was müssen wir weiter ausbauen? Und was sollten wir besser sein lassen ("Papierkorbstrategie")?
  • Wer oder was kann uns weiter nach vorne bringen?
  • Wer oder was stellt ein Risiko für uns dar?

Dafür gilt es, alle Stellschrauben zu überprüfen, so beispielsweise

  • die Öffnungszeiten,
  • die Fassade und die Schaufenster,
  • das Erscheinungsbild der Offizin,
  • die Attraktivität des Sortiments,
  • die angebotenen Services und Dienstleistungen,
  • den werblichen Auftritt,
  • die Preisbildung,
  • die soziale und die emotionale Kompetenz von Personal und Chef, inklusive Freundlichkeit und Diskretion, sowie
  • die fachliche Kompetenz.

In vielen Fällen kann Ihnen dabei die Apotheken-EDV mit ihren zahlreichen Listenfunktionen hilfreich sein. Die Überprüfung lässt sich somit oftmals relativ leicht mit Bordmitteln und dem eigenen Team durchführen. Ziel muss es sein, Sofortmaßnahmen einzuleiten, um den Kundenbestand zu halten und um neue Kunden zu gewinnen. Und das ist zumindest bei einigen der Stellschrauben bereits mit einem kleineren Budget möglich.

Warum nicht nur der Blick "nach innen" relevant ist

Allerdings sollten Sie neben Ihrer eigenen Apotheke auch Ihre Wettbewerber analysieren – und damit sind nicht nur andere Apotheken, sondern z.B. auch Reformhäuser, Drogeriemärkte und Lebensmitteldiscounter gemeint. Denn auch sie bieten Gesundheitsprodukte an – zwar ohne die qualifizierte pharmazeutische Beratung, dafür aber oftmals zu einem niedrigeren Preis.

Führen Sie bei allen Wettbewerbern Testkäufe durch, um die Qualität und die Preisleistungsverhältnisse zu überprüfen. Damit haben Sie dann auch gute Argumente an der Hand, um sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Wie genau Sie diese Argumente kommunizieren, können Sie mit Ihrem Team in Schulungen trainieren.

Gut zu wissen: Wenn Sie Testkäufe durchführen, können Sie die Ausgaben steuerlich absetzen!

Übrigens: Im Zeitalter der Filialisierung von Apotheken sollten Sie genau darüber im Bilde sein, welche Apotheke in Ihrer Nachbarschaft wem gehört und welche Marktmacht durch Verbünde eventuell dahinter steht. Nur so können Sie eine passende Strategie entwickeln.

Neben Ihren Wettbewerbern müssen Sie aber auch andere "externe" Gründe für Umsatz- und Ertragsrückgänge frühzeitig erkennen. Ein solcher Grund kann eine Straßensanierung sein, die Kunden vom Besuch Ihrer Apotheke abhält. Dann sollten Sie bei der Stadt erfragen, wie lange die Sanierung geplant ist. Um die entsprechende Zeit zu "überbrücken", können Sie über Maßnahmen von der vermehrten Incentive-Abgabe über einen verstärkten Botendienst bis hin zur vorübergehenden Arbeit in einem Container nachdenken. Oberste Priorität muss es sein, dass die Kunden Ihrer Apotheke auch weiterhin die Treue halten.

Wenn sich, wie anfangs angesprochen, der "Schwerpunkt des wirtschaftlichen Geschehens" verlagert hat, sollten Sie überdies einen Standortwechsel erwägen (vgl. dazu den Beitrag "Wann ein Standortwechsel sinnvoll ist"). Geht es der Apotheke finanziell gut, wird eine Bank Sie unterstützen. Wichtig: Seien Sie proaktiv! Warten Sie nicht, bis es der Apotheke so schlecht geht, dass der Standortwechsel nicht mehr möglich ist.

Und sonst noch?

Veränderungen müssen nicht immer auf Anhieb gelingen. Aber sie sind notwendig, um auf Dauer bestehen zu können. Achten Sie also darauf, dass Sie die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennen, um dann eine passende Strategie zu entwickeln. Und natürlich sollten Sie zu 100% hinter Ihren Maßnahmen stehen, damit Sie sie später nicht bereuen.

Karin Wahl, Fachapothekerin für Offizinpharmazie, Unternehmensberatung e.K., 70195 Stuttgart, E-Mail: karin.wahl@t-online.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(04):8-8