Wenn die eigenen Kapazitäten nicht mehr ausreichen

Fallstricke bei selbstständigen Vertretungen


Dr. Bettina Mecking

Gerade erst hat die Bundesagentur für Arbeit den Apothekerberuf erneut als Engpassberuf eingestuft. Der Personalmangel zwingt manchen Apothekenleiter dazu, auf selbstständige Vertretungen zurückzugreifen. Doch Achtung: Es lauert mancher Fallstrick.

Gemäß §2 Abs. 5 Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) müssen Sie als Apothekenleiter sich durch einen Apotheker vertreten lassen, sofern Sie Ihre Verpflichtung zur persönlichen Leitung der Apotheke vorübergehend nicht selbst wahrnehmen (vgl. AWA 15/2018). Die Vertretung darf insgesamt drei Monate im Jahr nicht überschreiten – es sei denn, die zuständige Behörde hat sie über diese Zeit hinaus ausdrücklich genehmigt. Der Vertreter darf jeweils gleichzeitig oder nacheinander für verschiedene Apothekenleiter tätig werden.

Ein Apotheker, der lediglich sicherstellt, dass die Apotheke ordnungsgemäß besetzt ist, wenn Sie einmal kurzfristig fehlen, ist anders als ein "echter" Vertreter "neben" Ihnen in der Apotheke tätig, er tritt funktionell nicht an Ihre Stelle. Von einem kurzfristigen Fehlen ist etwa auszugehen, sofern Sie nur stundenweise abwesend sind. Erst wenn Sie Ihre Leitungsfunktion länger nicht wahrnehmen können und somit die Verantwortung für den Apothekenbetrieb befristet auf einen anderen Apotheker übertragen, fungiert dieser nach §2 Abs. 5 ApBetrO als Ihr Vertreter. Nach §2 Abs. 6 ApBetrO können Sie sich außerdem unter bestimmten Voraussetzungen durch einen Pharmazieingenieur oder Apothekerassistenten vertreten lassen.

In der Praxis lassen sich Apothekenleiter während einer Abwesenheit häufig durch selbstständige Mitarbeiter auf Basis eines Honorarvertrags tage- oder wochenweise vertreten. Das ist auf den ersten Blick auch verständlich, da die Apothekenleiter kein Arbeitsverhältnis mit den arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen begründen möchten. Und auch die Vertreter sind daran interessiert, Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit zu erzielen, um sich die Sozialversicherungsabgaben zu ersparen und sich steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten offenzuhalten.

Was das Recht zu selbstständigen Vertretungen sagt

Um entsprechendes Personal zu finden, greifen Apothekenleiter oft auf Vermittlungsfirmen zurück, die – in unterschiedlichen Funktionen – der Beschäftigung in der Apotheke vorgeschaltet sind. Dies birgt jedoch – für beide Seiten – nicht unerhebliche Risiken. Denn schon aus dem Apothekengesetz (ApoG) ergeben sich Fragen: §7 ApoG statuiert die Pflicht zur persönlichen Leitung der Apotheke. Ist diese aber im Vertretungsfall (noch) gegeben? Und: Bedarf es, um einen Apothekenleiter vertreten zu dürfen, eines Angestelltenverhältnisses? Oder kann die Vertretung auf Basis einer selbstständigen Mitarbeit erfolgen?

Das Landesberufsgericht für Heilberufe am Oberlandesgericht München hat sich im Falle einer selbstständigen Apothekenvertretung folgendermaßen zur "persönlichen Leitung der Apotheke" positioniert: "Auch unter dem Gesichtspunkt des §7 ApoG begegnet die Vertretung keinen Bedenken, weil – entsprechende vertragliche Gestaltung vorausgesetzt – auch im Rahmen eines solchen Vertretungsverhältnisses der Apothekenleiter seine Weisungsbefugnis hinsichtlich aller übertragenen Betriebsabläufe ausüben kann. Ob eine solche Tätigkeit eines Apothekenvertreters vom zuständigen Finanzamt als selbstständige oder nichtselbstständige Tätigkeit qualifiziert wird, hat mit der berufsrechtlichen Zulässigkeit nichts zu tun" (Urteil vom 12.12.2012, Aktenzeichen: LBG-Ap 002/12).

Das Gericht hat somit festgestellt, dass der Apothekenleiter seine Weisungsbefugnis grundsätzlich auch beibehält, wenn er sich durch einen selbstständigen Apotheker vertreten lässt – und seine Apotheke somit auch dann persönlich leitet. Das Urteil hat also in apotheken- und berufsrechtlicher Hinsicht eine Erleichterung gebracht – selbst wenn es stets auf die konkrete Gestaltung der Vertretung im Einzelfall ankommt.

Weil die Auffassungen immer noch voneinander abweichen, lässt sich nicht ausschließen, dass mancherorts in der Vertretung mittels Honorarvertrag nach wie vor ein berufsrechtlich zu ahndender Verstoß gesehen wird. Hier sollten Sie auf Nummer sicher gehen, bevor Sie die Vertretung beauftragen: Fragen Sie bei der Kammer oder bei der für Sie zuständigen staatlichen Apothekenaufsicht an, ob die Besetzung der Apotheke apothekenrechtskonform ausgestaltet ist.

Welche weiteren Aspekte Sie im Blick behalten sollten

Das zitierte Urteil zeigt zudem, dass Sie unbedingt auch darauf achten sollten, wie das Vertragsverhältnis arbeitsrechtlich, sozialversicherungsrechtlich und steuerlich ausgestaltet ist. Denn wenn ein Vertreter im Rahmen des Honorarvertrages verpflichtet wird, die apothekenrechtlichen Vorschriften einzuhalten, lassen sich daraus noch keine Rückschlüsse ziehen, ob die weiteren Ausgestaltungsmerkmale auch rechtens sind. So begründen laut Bundesarbeitsgericht (BAG) allein Vorgaben, die notwendiger Bestandteil der übernommenen Aufgaben sind, nicht den Status eines Arbeitnehmers (Urteil vom 20.05.2009, Aktenzeichen: 5 AZR 31/08).

Entscheidend ist die Art, auf die Sie den Vertrag im Einzelfall ausgestalten. Wichtig in diesem Zusammenhang: Der Begriff des Scheinselbstständigen. Damit bezeichnet man Erwerbstätige, die als Selbstständige auftreten, aber aufgrund der faktischen Gestaltung des Beschäftigungsverhältnisses zu den abhängig Beschäftigten zählen. Unabhängig von ihrer Bezeichnung als Selbstständige sind sie rechtlich gesehen Arbeitnehmer. Für sie müssen Sie also Beiträge zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung abführen.

Um den Status einer Arbeitskraft zu beurteilen, wird auf die Gesamtsituation abgestellt. Deutliche Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung sind jedenfalls dann gegeben, wenn die Tätigkeit konkret nach Weisung bezüglich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer, Art und Ort der Tätigkeit erfolgt und zudem in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers eingegliedert ist. Das aber dürfte, wie es nicht zuletzt der zitierte Urteilstext zeigt, bei einem Apothekenvertreter in der Regel der Fall sein: Schließlich darf er seinen Arbeitsort und seine Arbeitszeit eben nicht selbst bestimmen. Außerdem trifft er keine unternehmerischen Entscheidungen.

Stellen Finanzamt oder Sozialversicherungsträger im Nachhinein fest, dass Ihr Vertreter kein selbstständiger Mitarbeiter, sondern vielmehr tatsächlich Arbeitnehmer ist, ergeben sich weitreichende finanzielle Konsequenzen für Sie. Denn als Arbeitnehmer erwirbt der Vertreter Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlungsansprüche im Krankheitsfall sowie gegebenenfalls Ansprüche auf die Bezahlung von Feiertagen – all das steht einem selbstständigen Mitarbeiter nicht zu. Sie als Arbeitgeber haften insbesondere für die Nachforderung nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge und müssen diese in voller Höhe nachzahlen.

Achtung: Der Sozialversicherungsträger kann seinen Nachforderungsanspruch für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren bei Ihnen geltend machen. Hieraus ergibt sich möglicherweise ein erheblicher Nachzahlungsbetrag zu Ihren Lasten.

Auf den Vertreter können Sie dabei häufig nicht zurückgreifen, weil dieser meist schon nicht mehr bei Ihnen arbeitet, wenn die Sozialversicherungspflicht festgestellt wird. Es ist schwierig, den zu Unrecht nicht abgezogenen Beitragsteil nachzufordern, denn der direkte Lohnabzug fällt ja nunmehr als Möglichkeit weg.

Was Sie konkret tun können

Um dieses sozialversicherungsrechtliche Dilemma zu umgehen, wird allgemein dazu geraten, mit jeder entsprechenden Vertretung ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis einzugehen. Gegenstimmen meinen jedoch, dass eine fortgesetzte Befristung – jedenfalls am gleichen Einsatzort – rechtlich nicht unbegrenzt möglich sei. Allerdings dürfte dies wohl kaum von den Beteiligten auf den Prüfstand gestellt werden.

Sinnvoll ist schließlich auch, im Vorhinein abzuklären, ob die Ihre Apotheken-Haftpflichtversicherung für einen Schaden eintritt, den ein selbstständiger Mitarbeiter verursacht hat – oder ob sich der "Freie" selbst versichern muss.

Dr. Bettina Mecking, Justiziarin der Apothekerkammer Nordrhein, Fachanwältin für Medizinrecht, 40213 Düsseldorf, E-Mail: b.mecking@aknr.de

Aktueller Wirtschaftsdienst für Apotheker 2019; 44(06):14-14